# taz.de -- Terrorwarnungen in Braunschweig: Die Zeit der Trittbrettfahrer
       
       > Die Anschlagsdrohung gegen mehrere Braunschweiger Schulen zeigt: Politik,
       > Polizei und Medien stehen Internetwarnungen ziemlich machtlos gegenüber
       
 (IMG) Bild: Schulfrei: Das Gymnasium Klein Burg in Braunschweig bleib am Montag geschlossen
       
       Hamburg taz | Machen wir gerade einen Fehler? Indem wir das hier berichten
       und Trittbrettfahrern die Resonanz geben, die sie sich wünschen? Der
       Hintergrund dieser Fragen: Neun Braunschweiger Schulen und eine Lehranstalt
       in Wunstorf wurden am Montag geräumt, wegen einer Terrorwarnung. Und das,
       obwohl die Spezialisten vom Staatsschutz und dem Niedersächsischen
       Landeskriminalamt schnell sicher waren: An der Drohung ist nichts dran!
       
       Es ist die Zeit der Nachahmer. Nach den Anschlägen und Amokläufen von Paris
       und Nizza, München und Ansbach herrscht Terrorangst. Das heißt aber auch:
       Trittbrettfahrer haben – wie am Montag in Niedersachsen – Hochkonjunktur.
       
       Bei neun Schulen sowie im Fachbereich Schule der Braunschweiger
       Stadtverwaltung waren am frühen Montagmorgen per E-Mail mehrere
       Anschlagsdrohungen eingegangen. Die Leiter der betroffenen Schulen
       entschieden, den Unterricht ausfallen zu lassen. 7.000 Schüler und ihre
       Lehrer wurden nach Hause geschickt, vor den Schulen fuhren Streifenwagen
       der Polizei auf. Um 13.12 Uhr erklärte die Polizei den Einsatz an den
       Schulen für beendet. Am Flughafen Hannover, wo eine vergleichbare Mail
       einging, blieb die Drohung ohne Konsequenz.
       
       Die Spezialisten des Landeskriminalamts und des Staatsschutzes hatten die
       Texte der Anschlagsdrohungen analysiert und waren schnell zu dem Schluss
       gekommen, dass die in schlechtem Deutsch formulierten Drohungen nicht ernst
       zu nehmen seinen. Zu unprofessionell. Doch ganz sicher waren sich die
       Spezialisten nicht. Wie auch?
       
       Seit immer mehr radikalisierte Einzeltäter auftauchen, die keinen direkten
       Bezug und auch keine Kontakte zu Terrororganisationen haben, taugen die
       bisherigen Echtheitskriterien bei Droh- und Bekennerschreiben nur noch
       bedingt.
       
       Die Bekennerschreiben jeder Organisation haben vergleichbare stilistische
       Merkmale, die von radikalisierten Individuen, die nur einmal in Erscheinung
       treten, nicht. Im Zweifelsfall gilt: Lieber einmal mehr als einmal zu wenig
       evakuieren. Doch genau das beschert den anonymen Anschlagsdrohern ihr
       Erfolgserlebnis – und zieht wiederum Nachahmer an.
       
       „Für manchen labilen Täter sind die Berichte über Terroranschläge und
       Gewalt ein Signal und eine Möglichkeit, aus der subjektiv empfundenen
       Bedeutungslosigkeit herauszukommen, im Mittelpunkt zu stehen und berühmt zu
       werden“, erklärt der niedersächsische Kriminologe Christian Pfeiffer und
       fügt hinzu: „Die mediale Berichterstattung über Gewalttaten und Anschläge
       kann zu einem Ansteckungseffekt führen. Da gibt es brutale
       Trittbrettfahrer“.
       
       Und gegen Trittbrettfahrer gibt es kein Rezept: Zwar kündigten viele
       Bundesländer, darunter auch Niedersachsen, an, die Verursacher von
       Fehleinsätzen der Polizei mit Kosten in Höhe von bis zu 10.000 Euro zu
       belegen und auch strafrechtlich hart zu belangen – bis zu drei Jahre Haft
       sind theoretisch möglich.
       
       Doch das schreckt nicht alle Nachahmer ab. Wie andere Täter, die ihre
       Straftat planen, gehen auch sie in der Regel davon aus, nicht erwischt zu
       werden. Und wenn, wie jetzt in Braunschweig, die IP-Adresse professionell
       verschleiert wird, haben die Ermittlungsbehörden tatsächlich große
       Probleme, den Vortäuschern einer Straftat auf die Spur zu kommen. „Eine
       konkrete Spur gibt es derzeit nicht“, räumt auch der Braunschweiger
       Polizeisprecher Joachim Grande ein.
       
       7 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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