# taz.de -- Rechtspopulistischer Nachwuchs: Lesbisch, jung, AfD
       
       > Jana Schneider, Vorsitzende der Jungen Alternative in Thüringen, zieht im
       > Hintergrund die Strippen – und hetzt im Internet gegen Ausländer.
       
 (IMG) Bild: Jana Schneider wuchs in einer linksalternativen Familie auf. Sie selbst sucht bei der AfD Antworten auf ihre Fragen
       
       BINGEN/JENA taz | Jana Schneider trägt Lederarmbänder, eine Fliege um den
       Hals und Tunnel in den Ohren. Sie ist lesbisch. Wie sie aussieht, würde man
       sie in der Grünen Jugend vermuten. Doch sie ist weder linksalternativ noch
       grün. Jana Schneider, 22 Jahre alt, ist Landesvorsitzende der Jungen
       Alternative in Thüringen, der Jugendorganisation der AfD.
       
       Auf dem Parteikongress in Bingen, Rheinland-Pfalz, steht sie unbeholfen vor
       den Kameras der Journalisten. Sie lächelt schüchtern, ihr Gesicht hat etwas
       Kindliches. Mit ihren Locken und der braven Brille könnte sie als
       Mitschülerin von Harry Potter durchgehen. Nach außen gibt sie sich ruhig,
       sachlich. Provokativ wird sie vor allem online.
       
       Am 14. November 2015, einen Tag nach den Terroranschlägen in Paris mit 130
       Toten, schreibt sie auf Facebook: „Moscheen schließen. Ausländische Muslime
       ausweisen. Konten einfrieren. Internetseiten lahmlegen. Systematische
       Hausdurchsuchungen. Grenzen dicht.“ Im Hintergrund zieht sie die Strippen.
       Sie sorgt für eine wirksame Medienpräsenz der Jungen Alternative für
       Deutschland (JA). Die großen Reden überlässt sie anderen.
       
       Die JA hat rund 1.200 Mitglieder, die Organisation wächst rasant. Die
       Mitglieder setzen auf ein ähnlich kontroverses Auftreten wie die
       Mutterpartei, bloß noch etwas schärfer. „Deshalb macht die JA auch mehr
       Spaß“, sagt Schneider. „Ich rede mit jedem und ich streite auch mit jedem.“
       Der Thüringer Landesverband wählte sie Ende Juni zur Landesvorsitzenden der
       JA.
       
       ## Trinkhorn und Heavy Metal
       
       Wenn Jana Schneider etwas sagen möchte, wartet sie geduldig, bis sie an der
       Reihe ist. Dann rückt sie sich das Mikrofon mit leicht zitternder Hand
       zurecht. Ihre Mitstreiter wettern laut gegen Merkel und die Grünen. Doch
       das ist nicht ihr Stil. Schneider argumentiert ruhig. Damit ist sie
       erfolgreich. „Jana ist total professionell und es bringt Spaß, mit ihr zu
       arbeiten. Sie ist aufgeschlossen und unkonventionell“, sagt Parteikollege
       Denny Jankowski, mit dem sie im AfD-Büro in Jena arbeitet.
       
       Sie lebt in einer WG in Jena, in den Wohnzimmerregalen stehen Folk- und
       Metal-CDs. Auf dem Tisch liegt ein Trinkhorn. Jana hockt auf einem
       Bürostuhl, die Beine übereinandergeschlagen. Hinter ihr an der Wand hängt
       eine Deutschlandfahne. Wenn sie erzählt, hat man das Gefühl, im
       Einzelunterricht zu sitzen. Mal ist sie Soziologin, mal
       Politikwissenschaftlerin. Zumindest an der Oberfläche.
       
       „Die westeuropäischen Staaten sind nicht mehr in der Lage, eine wehrhafte
       außen- und innenpolitische Linie zu verfolgen“, sagt sie. „Man muss als
       Nationalstaat schauen, mit wem man zusammenleben will und mit wem nicht.“
       Die meisten islamischen Verbände hätten Probleme mit dem Fundamentalismus:
       „Von Erfurt bis Nordhausen haben wir Ableger mit Verbindungen zum
       islamistischen Spektrum.“
       
       Eine Moschee hat sie nie betreten. Mit einem Flüchtling hat sie noch nie
       ein Wort gewechselt. „Ich kenne die Koordinatoren der ‚Flüchtlingshilfe
       Jena‘, die stammen aus dem linksradikalen Spektrum.“ Zwischen jedem
       Kurzvortrag trinkt sie einen Schluck Wasser. Ihre Unsicherheit ist ihr
       anzumerken. „Es dauert ein wenig, bis ich mich öffne“, sagt sie.
       
       ## Traum von einer germanischen Hochzeit
       
       Um den Hals trägt Jana Schneider einen Anhänger in Form des Thorhammers. Im
       germanischen Heidentum ist Thor der Donnergott, der mit seinem Hammer die
       Menschen beschützt. „Ich glaube, dass sich in der Mythologie das äußert,
       was uns Menschen ausmacht. Götter stehen für die verschiedenen Seiten des
       Menschen“, sagt sie. Es wirkt, als sei sie noch auf Sinnsuche.
       
       In ihrem Schlafzimmer steht ein Altar mit Kerzen und Bildern von
       verstorbenen Verwandten. „Ich bin eigentlich ein total sachlicher Typ. Aber
       ich glaube, ich kann auch romantisch sein“, sie lacht kurz auf. Sie möchte
       germanisch heiraten, inklusive Antrag und Ring.
       
       Auf dem Parteikongress zwei Wochen später sticht Jana Schneider heraus. Die
       meisten JAler tragen Anzüge und gegelte Haare. Sie verteilt links und
       rechts Handschläge und Umarmungen . Ein Kollege im blauem Anzug haucht ihr
       zu: „Toll siehst du aus!“
       
       Es ist nicht leicht zu verstehen, warum sich eine junge lesbische Frau
       ausgerechnet bei der AfD richtig aufgehoben fühlt, eine Partei, die als
       offen homosexuellenfeindlich gilt. Um zu begreifen, was sie bewegt, hilft
       es, einen Blick in ihre Jugend zu werden. Jana Schneider wächst in Achim
       auf, einem Örtchen nahe Bremen. In ihrer Familie spielt Politik eine
       wichtige Rolle; die Eltern wählen Rot-Grün.
       
       ## „Fifty Shades of Grey“ statt Klassiker
       
       Der Vater nimmt sie mit zu Punk-Konzerten. Doch nach und nach merkt
       Schneider, dass sie seine Überzeugungen nicht teilen kann; sie versucht es
       bei der Grünen Jugend, findet dort aber keine Antworten auf die Fragen, die
       sie umtreiben. Nach der Schule fängt sie ein Germanistikstudium in
       Oldenburg an.
       
       Auch die Universität enttäuscht sie. „Die Geisteswissenschaften sind links
       geprägt“, findet sie, die Diskussionen seien genderlastig, ein Tutor
       bespreche lieber „Fifty Shades of Grey“, dabei will sie klassische
       Literatur behandeln. Sie hat das Gefühl, ihre Zeit zu verschwenden.
       
       Sie ärgert sich darüber, dass ihre Professorin ständig vor der Gefahr
       rechtspopulistischer Strömungen warnt. Sie will nicht in diese Ecke
       gedrängt werden. Schließlich bricht sie ihr Studium ab. Jana Schneider
       fühlt sich nicht verstanden. Sie stört sich daran, dass man am Bremer
       Hauptbahnhof kaum noch Deutsch höre. Und dass „Araber-Clans“ das Nachtleben
       bestimmen. An der AfD gefällt ihr, dass die Partei die Dinge offen
       ausspreche. Man müsse nicht gleich Angst haben, als rechts bezeichnet zu
       werden.
       
       Hier fühlt sie sich so wohl, dass sie über Widersprüche hinwegsieht; sie
       hat endlich das Gefühl dazuzugehören. Schneider ist eigentlich ein
       Familienmensch. Doch den Wunsch nach eigenen Kindern schiebt sie beiseite;
       er passt nicht zur Ideologie der AfD. Wenn man sie danach fragt,
       rationalisiert sie den Zwiespalt: „Ich würde nicht wollen, dass mein Sohn
       oder meine Tochter ohne einen Vater aufwächst, zu dem er oder sie
       aufblicken kann“, sagt sie. Sonst könnten die Kinder später in ihren
       Partnerschaften Probleme bekommen, auch dazu gebe es Studien.
       
       ## Abgehärtet durch Hänseleien
       
       Gleichzeitig sagt sie, dass sie keinen Homosexuellen, der ein Kind
       adoptiert, verurteilen würde. „Es wäre schön, wenn man die Diskussion
       sachlich führen könnte“, sagt sie. Wer homosexuell ist, müsse nicht
       zwangsläufig Ehe und Adoptionsrechte für alle fordern.
       
       Auch mit Genderfragen und der Frauenquote kann Scheider nichts anfangen.
       „Positive Diskriminierung“ lehnt sie ab. Die JA ist gegen Feminismus.
       Schneider versucht zu relativieren. „Womit wir ein Problem haben, ist die
       komplette Gleichstellung und Gleichmachung der Geschlechter.“ Das
       AfD-Parteiprogramm hat sie verinnerlicht.
       
       Ihre Wahl zur Landesvorsitzenden führte zu einem Shitstorm in der queeren
       Community. „Verräterin“, „untervögelt“, „Kampflesbe“, solche Worte flogen
       ihr um die Ohren. Schneider ließ sie an sich abprallen. In der Grundschule
       wurde sie gehänselt. Die Lehrer schauten weg. Irgendwann wurde es zu viel.
       „Ich habe einem Mitschüler eine rübergezogen“, sagt sie. „Danach hat mich
       keiner mehr angemacht.“ Das härtet ab.
       
       In Bingen stehen etwa fünfzig bis siebzig Menschen vor dem
       Rheintal-Kongresszentrum und protestieren gegen die Junge Alternative. „AfD
       ist so was von 1933!“, steht auf ihren Schildern. Vom Balkon des
       Konferenzsaals blickt man auf grüne Hügel und Rebstöcke. Der Saal ist knapp
       über die Hälfte besetzt, rund 200 JAler tummeln sich an langen Tischreihen.
       Schneider steht mit ein paar Kollegen auf dem Balkon und raucht. Oben auf
       der Bühne beginnt AfD-Chefin Frauke Petry ihre Rede.
       
       ## Standing Ovations für Frauke Petry
       
       Der Nachwuchs blickt ehrfürchtig zu ihr herauf. Jana hört gespannt zu.
       Applaus, gefolgt von Standing Ovations. Danach geht es um Satzungsfragen
       und Änderungsanträge. Die Luft wird knapp, einige Mitglieder dämmern nach
       und nach weg.
       
       Bis die internationalen Gäste erscheinen: Vertreter von rechten
       Jugendorganisationen aus ganz Europa. Der Front National de la Jeunesse,
       die Jungen Wahren Finnen. Junge Erwachsene wettern gegen die EU, die
       etablierte Politik, gegen Einwanderung. Der Saal bebt.
       
       Hat Jana ihren Platz wirklich gefunden? Politik sei zwar etwas, wofür sie
       brenne. „Aber ich bin nicht scharf auf ein Mandat“, sagt sie. Sie könne
       sich vorstellen, nebenbei ein Fernstudium aufzunehmen. Sie würde auch gern
       mehr mit Texten arbeiten, selbst schreiben. Am liebsten bei der Jungen
       Freiheit.
       
       Doch jetzt möchte sie die Junge Alternative erst einmal auf eine solide
       programmatische Basis bringen. Und sie braucht mehr Mitglieder. „Die
       meisten jungen Leute haben das Gefühl, keine Rolle mehr zu spielen. Die
       landen bei uns.“ Sinnsuchende, wie Jana selbst. Doch ihre Suche scheint
       noch nicht abgeschlossen zu sein.
       
       2 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasmin Sarwoko
       
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