# taz.de -- Rio-Bürgermeister über Olympia 2016: „Olympia nutzt den Armen“
       
       > Auch Rios arme Bevölkerung wird von Olympia profitieren, sagt
       > Bürgermeister Eduardo Paes. Von Zwangsräumungen will er nicht reden.
       
 (IMG) Bild: „Olympia für wen?“ steht auf dem Transparent
       
       taz: Herr Paes, ausgerechnet im Olympiajahr steckt Brasilien in einer
       tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Das muss Sie doch maßlos
       ärgern. 
       
       Eduardo Paes: Die wirtschaftliche und politische Krise hat sich ja schon
       lange vorher abgezeichnet. Das hat die Durchführung und die Vorbereitung
       der Olympischen Spiele nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die Menschen
       können die Unterscheidung treffen zwischen der Krise und den Olympischen
       Spielen. Natürlich wäre es schöner, wenn Brasilien in einer besseren
       Situation wäre. Ich denke nicht, dass die Krise die Spiele beeinflussen
       wird.
       
       Viele Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst in Rio werden wegen der
       Krise nicht ordentlich bezahlt. Können Sie unter diesen Umständen
       garantieren, dass die Spiele vernünftig durchgeführt werden? 
       
       Was den Bundesstaat Rio angeht, ist das korrekt. Die Angestellten des
       Bundesstaates bekommen ihre Gehälter im Moment nicht. Hier in der
       Stadtverwaltung in Rio ist das jedoch nicht der Fall. Wir bezahlen unsere
       Mitarbeiter pünktlich. Das Einzigartige bei den Olympischen Spielen ist,
       dass die Stadtverwaltung von Rio die Spiele plant und durchführt. Unsere
       wirtschaftliche und finanzielle Situation ist sehr gut.
       
       Was wird von den Olympischen Spielen bleiben? 
       
       Das olympische Vermächtnis ist ganz klar: Das sind die Projekte, die
       speziell auf die Infrastruktur der Stadt abzielen. Abgesehen von den
       Schnellbussen und der Tram haben wir das Hafenviertel aufgewertet sowie die
       Umgebung rund um das Fußballstadion Maracanã. In Deodoro, einem weiteren
       Austragungsort der Spiele, haben wir die Wasser- und Abwassersysteme
       verbessert und der Bevölkerung überhaupt erst zugänglich gemacht. In
       Gramacho gab es eine Müllhalde, die unmittelbar an der Guanabarabucht lag.
       Die gibt es jetzt nicht mehr. Das alles waren Projekte, die die Stadt schon
       seit Langem gebraucht hat. Jetzt haben wir sie durchgeführt – auch aufgrund
       der Olympischen Spiele.
       
       Welche Überschrift möchten Sie nach den Olympischen Spielen in der Zeitung
       lesen? 
       
       Ich hätte gern die Schlagzeile zu einer Stadt, in der es mehr Integration
       gibt, mehr Gleichheit, in der es gerechter ist.
       
       Viele haben den Eindruck, dass die Spiele die Ungleichheit in der Stadt
       größer machen. Bauten wie das olympische Dorf stehen in einer
       Reichengegend. Glauben Sie wirklich, dass die Olympischen Spiele die Stadt
       gerechter machen? 
       
       Ja, das glaube ich. Man muss zwischen dem olympischen Vermächtnis und den
       Sportstätten unterscheiden, die nur für die Olympischen Spiele gebaut
       wurden. Das olympische Dorf in Barra da Tijuca gehört nicht zum olympischen
       Vermächtnis. Wir haben es in einer reichen Gegend aufgestellt, weil wir
       keine öffentlichen Gelder verschwenden wollten mit dem Bau. Wir haben es
       für die Sportler und ihre Familien gebaut. Dafür ist kein öffentliches Geld
       ausgegeben worden, sondern privates. Keiner der Bauten für das olympische
       Vermächtnis wurde in eine reiche Gegend gesetzt. Die Schnellbuslinien
       verbinden den Norden und den Westen der Stadt miteinander, also die ärmere
       Stadtzonen. Die Vermächtnisse sind für die Armen.
       
       Bilder von Gewalt, Zika, Korruption zeichnen derzeit das Bild von Rio de
       Janeiro. Glauben Sie, dass das die Spiele überlagert? 
       
       Natürlich ist das kein gutes Bild. Ja, Rio hat viele Probleme. Man darf
       nicht erwarten, nach Brasilien zu kommen und ein Land wie Deutschland
       vorzufinden. Brasilien steckt voller Herausforderungen und Probleme.
       Dennoch bin ich sehr stolz auf mein Land. Es geht im Moment durch einen
       sehr schwierigen Prozess, aber wir haben solide Institutionen, wir haben in
       den letzten Jahren viele Menschen aus extremer Armut heben können. Menschen
       werden mittlerweile aufgrund von Korruption festgenommen, das war vorher
       nicht üblich. Brasilien ist eine sehr offene Gesellschaft, in der es wenige
       Vorurteile gibt, die fähig ist, die verschiedenen Rassen, Religionen und
       Hautfarben miteinander zu verbinden. Deshalb denke ich, dass trotz aller
       Probleme Brasilien Glaubwürdigkeit verdient.
       
       Im April ist der Radweg in Rio eingestürzt, den Sie für die Spiele haben
       bauen lassen. In Deutschland würde ein Bürgermeister in einem solchen Fall
       zurücktreten. 
       
       Gut, dass ich nicht in Deutschland bin. Ich fühle mich zwar schon
       verantwortlich, es ist schließlich die Verantwortung der Stadtverwaltung.
       Aber ich bin auch kein Ingenieur und kann die Berechnungen nicht
       nachvollziehen.
       
       Wegen der Olympischen Spiele mussten Menschen umgesiedelt werden. Warum war
       das nötig? 
       
       Der einzige Fall ist die Vila Autódromo, weil sie in der Nähe des
       olympischen Parks liegt. Allerdings kam es nicht zu Zwangsräumungen. Für
       die Menschen, die dort bleiben wollten, hat die Stadtverwaltung Häuser
       gebaut oder sie haben Entschädigungen erhalten.
       
       Ist die Vila Autódromo ein Schandfleck neben den olympischen Bauten? 
       
       Nein, wenn uns die Favelas peinlich wären, hätten wir die Olympischen
       Spiele nicht austragen können. Man kann die Favelas in Rio nicht
       verstecken. Es war eine Frage der Logistik. Es ging um Zugang, Zugangswege,
       eine Frage der Infrastruktur. Wir wollten nicht, dass alle Familien gehen.
       Von den 900, die dort gelebt haben, sollten 300 gehen. Die meisten wollten
       auch wirklich gehen. Es ging so weit, dass die Bewohner sich nicht von den
       NGOs und den Medien repräsentiert fühlten, die ja immer von Zwangsräumungen
       sprachen.
       
       Die Korruptionsskandale haben die brasilianische Staatskrise mitausgelöst.
       Was tun Sie gegen die Korruption in den eigenen Reihen? 
       
       Ich denke, die Menschen sind 2013 aus zwei Gründen auf die Straßen
       gegangen. Erstens aufgrund der Korruption und zweitens aufgrund der Krise.
       Die Krise ist eine Konsequenz der Korruption, aber auch der politischen
       Unfähigkeit der ehemaligen Präsidentin Dilma Rousseff. Sie war nicht fähig,
       Brücken zu bauen. Wer die brasilianische Politik kennt, weiß, dass sie nur
       funktioniert, wenn man miteinander spricht. Ich versuche hier, die Dinge so
       korrekt wie möglich durchzuführen. Das ist auch ein Grund, warum es keine
       Proteste gegen die Olympischen Spiele gibt, wir haben dieses große
       Investitionsvolumen, und es gibt keine Korruptionsvorwürfe. Alle Bauten
       werden in der Frist fertig, die veranschlagten Preise eingehalten.
       
       Wann werden Sie Präsident Brasiliens? 
       
       Niemals! Am 1. Januar fahre ich nach New York, wo ich an der
       Columbia-Universität unterrichten werde. Und dann gehen wir nach
       Deutschland. Warum würde ich sonst meine Kinder auf eine deutsche Schule
       schicken? Deutschland ist ein wunderbares Land. Brasilien braucht einen
       Deutschlandschock! Ich habe sehr früh in der Politik angefangen. Niemand in
       meiner Familie ist Politiker. Mein Vater ist Anwalt, meine Schwester macht
       ihren Doktor in Menschenrechten. Der einzige Unglückliche, der in der
       Politik gelandet ist, bin ich. Ich bin 46 Jahre alt und seit 25 Jahren
       dabei. In dieser Zeit hatte ich alle möglichen Ämter inne, dem Staat habe
       ich genug gedient. Das wird mein letztes Mandat.
       
       2 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasmin Sarwoko
       
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