# taz.de -- Nach dem Putschversuch in der Türkei: Showtime auf dem Taksimplatz
       
       > Auf dem Platz, einst Symbol des Widerstands, feiern die AKP-Fans.
       > Präsident Erdoğan will diesem Ort seinen Stempel aufdrücken.
       
 (IMG) Bild: Man sieht den Park vor Fahnen nicht
       
       Istanbul taz | Es ist 22 Uhr, und es ist Showtime. Seit Stunden dröhnen
       Wahlkampfsongs der regierenden AKP über den Platz, jetzt klettert der
       Bürgermeister von Istanbul, Kadir Topbaş, auf die Bühne. Als
       Überraschungsgäste hat er die Tochter des Präsidenten, Sümeyye Erdoğan,
       und ihren Bruder Bilal mitgebracht. Die Stimmung ist prächtig, es könnte
       gar nicht besser laufen.
       
       Aus den von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ausgerufenen „Bürgerwachen“ –
       die auf den öffentlichen Plätzen und Straßen des Landes dafür sorgen
       sollen, dass kein Putschist mehr sein Haupt erhebt – sind heute, am Tag
       fünf nach dem Putschversuch, Volksfeste der Regierungsfans geworden.
       
       Besondere Bedeutung kommt dabei dem Istanbuler Taksimplatz zu. Dieser
       größte Platz der Metropole war bislang das Schaufenster der Republik, der
       Treffpunkt der modernen Türkei. Moderne Hotels auf der einen Seite, der
       berühmte Gezipark auf der anderen und am Kopfende das
       Atatürk-Kulturzentrum, früher mit Oper, Theater und weiteren
       Veranstaltungsräumen.
       
       Diese Visitenkarte der Republik ist Erdoğan schon lange ein Dorn im Auge.
       Er will dem Platz seinen islamischen Stempel aufdrücken. Das war auch der
       Hintergrund des Gezi-Aufstands war, wo die Leute zunächst dagegen
       protestierten, dass Erdoğan eine osmanische Kaserne an der Stelle
       wiederaufbauen wollte, wo heute noch der Park ist. Schon vor drei Jahren
       ging es um die Deutungshoheit über die Verfasstheit der Türkei: säkulare
       Republik versus islamischer Staat.
       
       ## Touristen aus dem Nahen Osten
       
       Am Dienstagabend konnte man darauf eine Antwort finden. Unter die roten
       Fahnen der Türkei mischen sich immer mehr grüne Fahnen mit der arabischen
       Signatur des Propheten. Auch das zugereiste Publikum hat sich im Vergleich
       zu dem, das bei den Gezi-Protesten dabei war, dramatisch gewandelt. Waren
       es damals Freunde und Verwandte aus Europa, die den Gezi-Protestierern zu
       Hilfe eilten, sind es heute verschleierte arabische Touristinnen und
       syrische Flüchtlinge, die den AKP-Rednern zuklatschen.
       
       Geht man vom Publikum auf dem Taksimplatz aus, hat sich die Verortung der
       Türkei von Europa nach Arabien bereits vollzogen. Während westliche
       Touristen die Türkei meiden, kommen Besucher aus dem Nahen Osten in
       Scharen. Syrische Flüchtlinge bekommen Wasserflaschen und Snacks und
       schwenken selbstbemalte Pappschilder, auf denen etwas ungelenk steht: „Wir
       lieben Erdoğan“.
       
       Das Atatürk-Kulturzentrum, während der Gezi-Proteste mit unterschiedlichen
       Transparenten voll linker Parolen zugehängt, ist heute mit
       Erdoğan-Porträts geschmückt. Dahinter rottet das Kulturzentrum langsam
       vor sich. In ein paar Jahren wird sich dort wohl eine neue Moschee erheben.
       
       20 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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