# taz.de -- Tories nach dem Brexit: May – or May Not
       
       > Das Rennen um die Nachfolge des Premierministers Cameron ist eröffnet –
       > ohne Boris Johnson. Als Favoritin gilt Innenministerin Theresa May.
       
 (IMG) Bild: Castingshow: Innenministerin Theresa May „will den Job machen“
       
       Berlin taz | Königsmörder werden selten Könige. Dieses ungeschriebene
       Gesetz der britischen Politik hat sich wieder durchgesetzt: Nicht Boris
       Johnson, Gesicht der EU-Austrittskampagne in Großbritannien und Nemesis von
       Premier David Cameron, wird der nächste Regierungschef in 10 Downing
       Street. Das Rennen um die konservative Parteiführung machen Innenministerin
       Theresa May und Justizminister Michael Gove unter sich aus, dazu drei
       weitere Kandidaten.
       
       May und Gove kommen aus entgegengesetzten Brexit-Lagern, aber darum geht es
       nicht mehr. Innenministerin May erklärte, sie sei für den Verbleib gewesen,
       aber als Regierungschefin werde sie den Austritt umsetzen. Justizminister
       Gove war ohnehin einer der beiden Chefs der überparteilichen „Vote
       Leave“-Kampagne gewesen.
       
       Es geht jetzt um politische Loyalitäten. Gove war bis Mittwoch früh ein
       Johnson-Getreuer. Nicht nur sein Alleingang war dann für den bisherigen
       Favoriten ein Schock, sondern auch, dass so viele andere Johnson-Anhänger
       sich sofort Gove anschlossen. Neben ihm hat bereits
       Wirtschaftsstaatssekretärin Andrea Leadsom ihre Kandidatur erklärt – eine
       Brexit-Befürworterin, deren Präzision im Wahlkampf vorteilhaft mit dem eher
       wirren Auftritten Johnsons kontrastiert hatte.
       
       Seinen Favoritenstatus hatte Johnson ohnehin schon eingebüßt. Er sonnte
       sich untätig in der Gewissheit der eigenen Alternativlosigkeit und merkte
       nicht, dass im Schatten Alternativen heranschlichen. Eine „Stop
       Boris“-Kampagne kam in Fahrt und sammelte sich um Innenministerin Theresa
       May. Sie ist ein Arbeitstier, sie steht für den unspektakulären,
       traditionellen Konservatismus, den die Basis schon bei David Cameron liebte
       und den man bei Boris Johnson vermisst.
       
       Als Cameron im Februar das EU-Referendum ansetzte, hatte es viel
       Spekulation über May gegeben. Sie entschied sich für „Remain“, hielt sich
       dann aber aus dem Wahlkampf heraus. Zugleich gilt die gestrenge Ministerin,
       deren Durchsetzungskraft ihr viel Respekt eingebracht hat, als Hardlinerin
       in der Einwanderungspolitik. Als sie jetzt ihre Kandidatur erklärte, trat
       als ihre rechte Hand Chris Grayling auf, EU-Gegner und Fraktionsführer der
       Konservativen im Unterhaus, der am klarsten formuliert hat, wie der Brexit
       praktisch zu organisieren sei.
       
       So kann May nun dafür werben, sie sei die Einzige, die die Tories und das
       Land wieder zusammenführen könne. Die nötige Autorität würde ihr keiner
       absprechen. Während Boris Johnson zum Erklären seiner Nichtkandidatur ein
       Luxushotel wählte, trat Theresa May vor Bücherregalen in einem Thinktank
       auf.
       
       Ihre Sätze waren kristallklar: Das Volk hat entschieden; es gibt kein
       Zurück, kein zweites Referendum, auch keine vorgezogenen Neuwahlen, keinen
       Nachtragshaushalt, keinen sofortigen Austrittsbeschluss. Dann erklärte sie
       trocken, als Tochter eines Pfarrers und Enkelin eines Offiziers gehe es ihr
       um Pflichterfüllung, nicht um Ideologie, Ambition oder Show. „Ich mache
       einfach den Job, der ansteht“, sagte May zu lautem Applaus. Regieren sei
       „kein Spiel“. Es war klar, von wem sie sich absetzen wollte.
       
       Kurz vor Theresa May hatte schon Johnsons Mitstreiter Michael Gove dessen
       Kandidatur den Todesstoß versetzt. „Ich bin schweren Herzens zum Schluss
       gekommen, das Boris für die anstehende Aufgabe weder die Führung bieten
       noch das Team bauen kann“, sagte Gove. Beide haben Monate gemeinsamen
       Wahlkampfs hinter sich.
       
       Als schließlich Johnson selbst vor die Journalisten trat, wenige Minuten
       vor Ablauf der Kandidatenfrist am Mittag, blieb ihm nur der Schwanengesang.
       Er lobte sich selbst in der Vergangenheit – als ehemaliger Bürgermeister
       Londons. Das EU-Referendum sei das Gegenteil vom insularen Rückzug: „Dies
       ist unsere Chance, wieder global zu denken.“ Aber der richtige
       Premierminister für einen neuen Deal mit der EU „kann ich nicht sein“.
       
       Mit seiner Nichtkandidatur stahl Johnson den anderen die Show. Aber nur für
       diesen einen Tag. Nächsten Dienstag läuft der erste Wahlgang in der
       Fraktion. Es folgen weitere Wahlgänge, bis nur noch zwei Kandidaten übrig
       sind. Über die stimmt dann die Parteibasis ab. Bis zum 9. September soll
       Camerons Nachfolger – oder Nachfolgerin – stehen.
       
       30 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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