# taz.de -- Fracking in Deutschland: Verbieten verboten
       
       > Am liebsten würde die Große Koalition das Thema Fracking aus den nächsten
       > Wahlkämpfen heraushalten. Aber daraus wird wohl nichts.
       
 (IMG) Bild: Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel versucht im Mai 2013 den Dialog mit Fracking-Gegnern
       
       Berlin taz | Manche Zusammenhänge in der Politik sind vertrackt: Weil in
       Nordrhein-Westfalen im nächsten Jahr gewählt wird, müssen die Niedersachsen
       bald damit leben, das bei ihnen wieder gefrackt wird.
       
       Das ist eine zwar verkürzte Darstellung – aber eine, die von verschiedenen
       Bundestagsparteien zu hören ist. Vor einem Jahr versuchten die
       Parlamentarier zuletzt, ein Gesetz zu verabschieden, das Fracking regelt.
       Also jene Fördermethode für Erdöl und Erdgas, die in Deutschland auf
       steinharten Widerstand in der Bevölkerung und bei Abgeordneten aller
       Parteien trifft. Viele sehen das Grundwasser gefährdet, wenn mit Fracking
       bisher nicht zu fördernde Erdgasvorkommen erschlossen werden.
       
       Seit dieser Woche drängt das Thema wieder nach oben, weil die Industrie die
       Faxen dicke hat. „Der Stillstand, die Blockade von Investitionen muss jetzt
       enden“, sagte Martin Bachmann, Vorsitzender des Bundesverbandes Erdgas,
       Erdöl und Geoenergie. Seit Jahren verzichtet seine Branche auf Fracking,
       weil sie auf ein neues Gesetz aus Berlin wartet. Das nicht kommt.
       
       Warum? Das Grundproblem ist, dass mit dem Thema niemand einen politischen
       Schönheitspreis gewinnt. Fracking ist emotional besetzt, viele Bürger
       fürchten um ihre Gesundheit. Der vorliegende Gesetzentwurf des
       Bundeskabinetts gilt vielen als „Frackingermöglichungsgesetz“. Unter
       anderem in Nordrhein-Westfalen, und da ist am 14. Mai die letzte große
       Landtagswahl vor der Bundestagswahl im Herbst 2017. CDU und SPD würden das
       leidige Thema am liebsten ganz aus dem Wahlkampf heraushalten.
       
       Doch diese Rechnung geht nur ohne die Industrie auf. Denn die kann nach
       gängigem Recht fracken, sie hat es vor ihrem Moratorium Jahrzehnte getan.
       Dabei handelte es sich nicht um das sogenannte moderne Fracking aus den
       USA, bei dem unter anderem Gas aus Schiefergestein gewonnen wird. Momentan
       geht es darum, aus bereits erschlossenen Lagerstätten mehr Gas zu gewinnen.
       Dazu liegt dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen
       ein Fracking-Antrag vor. Im Prinzip ist eine Ablehnung nach geltendem
       Bergrecht nicht möglich.
       
       Das heißt: Kommt Berlin nicht aus dem Quark, wird nach altem Recht
       entschieden und genehmigt – möglicherweise sogar mitten im Wahlkampf.
       
       Vielleicht treibt dieses Szenario die Berliner Politik an.
       Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte am Donnerstag zum
       Vorgehen der Industrie: „Das zeigt, dass wir dringend ein Fracking-Gesetz
       brauchen“. Die Alternative sei ein ungeregelter Zustand, „der uns allen auf
       die Füße fallen kann.“
       
       ## „Parlaments-Fracking“?
       
       Allerdings gibt es inhaltliche Konflikte, besonders innerhalb der
       Unionsfraktion. Auch nach dem neuen Gesetz soll Fracking möglich sein,
       allerdings sind viele Gebiete ausgeschlossen, und es sieht eine
       Umweltverträglichkeitsprüfung vor. Möglich wäre auch das neue, besonders
       umstrittene unkonventionelle Fracking in Schiefergestein. Zunächst mit
       Probebohrungen, später soll eine Expertenkommission über kommerzielle
       Bohrungen entscheiden, solange der Bundestag kein Veto einlegt.
       
       Das lehnen Teile der Union vehement ab. Von „Parlaments-Fracking“ spricht
       der wirtschaftspolitische Sprecher, Joachim Pfeiffer. „Als Nächstes käme
       dann wahrscheinlich die ‚Parlaments-Baugenehmigung‘ oder die
       ‚Parlaments-Studienplatzvergabe‘“, sagte er der taz.
       
       Anführer der Fracking-Gegner ist der niedersächsische CDU-Abgeordnete
       Andreas Mattfeldt. In seiner Heimat, wo seit Jahrzehnten nach Gas gebohrt
       wird, rumste es Ende April mal wieder. Ursache sind nach Ansicht von
       Mattfeldt Gasbohrungen, die schon ohne Fracking zu Erdbeben führen können.
       Werde erst wieder gefrackt, dann steige durch veränderte Druckverhältnisse
       im Gestein die Erdbebengefahr. „Und das verhindert Investitionen von
       Unternehmen in der Region genau wie Wasser, das durch die Bohrungen
       belastet ist.“
       
       Probleme, die vermutlich nicht bis zur Sommerpause des Bundestages in zwei
       Wochen gelöst werden. Die Folge wäre: Es wird wieder gefrackt wie früher.
       
       16 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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