# taz.de -- Nachruf auf den Kurator Frank Wagner: Auf dem achten Feld
       
       > Mit Bonbons und Lichterketten trauern: Der Kurator Frank Wagner ist
       > gestorben. Er brachte früh die Genderfrage in die Kunst.
       
 (IMG) Bild: Frank Wagner betrachtet eine Installation
       
       Wer ihn erst in den vergangenen Jahren kennenlernte, hätte ihn
       wahrscheinlich als gut aussehenden Hipster wahrgenommen. Doch Frank Wagner,
       hochgewachsen und schlaksig schlank, hatte schon immer dieses coole kleine
       Bärtchen am Kinn. Die Hipster haben ihn also nachgemacht. Er ging schon
       lange voran.
       
       Das zeichnete ihn auch als Kurator aus, als der er über Berlin hinaus
       bekannt war, wo ihm definitiv eine Vorbild- und Vorreiterrolle zukam. Schon
       in den 1980er Jahren handelten seine Ausstellungen von Körper und
       Sexualität als Ausdruck von Emanzipation, eine Erfahrung, die freilich
       schon bald darauf durch das „Vollbild Aids“ in Frage gestellt wurde – und
       das betraf ihn als schwulen Mann dann auch ganz persönlich. „Eine
       Kunstausstellung über Leben und Sterben“ war 1988 seine Antwort darauf.
       
       1993 konnte er dann seinem Freund David Wojnarowicz nur noch einen
       Gedenkraum einrichten, im Rahmen von „Getting to kNOwyou. Sexueller Aufruhr
       und Widerstand“ in den Kunst-Werken in Berlin, einer Ausstellung, die in
       Deutschland schon ganz früh die Genderfrage in die Kunst brachte.
       
       ## Kurzfristig zusammengeschustert
       
       Im Interview dazu meinte Frank Wagner aber, der eigentliche Schock der
       BetrachterInnen sei „der Gedanke, dass das alles nach nichts aussieht, aber
       trotzdem der neue Kunstverstand aus den USA sein soll: billiges Material,
       kurzfristig zusammengeschustert und für den Moment aufgeladen“. Darin aber
       bewies sich für ihn die Radikalität der Konzepte.
       
       Deswegen war auch er es, der Félix Gonzáles-Torres mit seiner populären
       Poetik etwa von Bonbonschüttungen nach Deutschland brachte, zuletzt 2006,
       wo zehn Jahre nach dem Aidstod des Künstlers seine Lichterkette aus mageren
       15-Watt-Birnen trotzdem oder gerade deswegen den BesucherInnen im Hamburger
       Bahnhof in Berlin so einladend und festlich entgegenleuchtete. Ohne die
       Form-, Farb- und Materialwirkungen, also die stilistisch ästhetischen
       Fragen zu unterschätzen, Frank Wagner hätte den Topos der marginalisierten
       Sexualität, sei es von Bi-, Trans- und Intersexualität, Transgender und
       Gender Crossing, jedoch niemals an die Schaulust verraten.
       
       ## Begehren blieb brisant
       
       Das zeigte sich knapp 15 Jahre später in der von ihm kuratierten
       Ausstellung „Das achte Feld“ – der Titel referiert auf das Schachspiel, in
       dem der Bauer, auf dem achten Feld angelangt, zur Dame werden darf − im
       Museum Ludwig in Köln. Noch immer war das Thema des Begehrens und des
       Geschlechtertausches brisant, als Frank Wagner es hier nun einem
       kulturbürgerlichen Publikum vorstellte.
       
       Doch deswegen kam er ihm mit berühmten Namen und glatten Oberflächen nicht
       entgegen. Dank seinem klugen kuratorischen Vorgehen schadete es der
       Ausstellung nicht, dass er hier doch einiges Geld mehr zur Verfügung hatte,
       als er es von Berlin und dem RealismusStudio, seiner Homebase in der 1969
       gegründeten Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK), her gewohnt war.
       
       Unter seiner Leitung meinte Realismus die Bindung der Kunst an den Alltag
       und nicht mehr, wie in den Anfängen des Studios 1974, an die
       gegenständliche Darstellung. Freilich war dieser Alltag nicht unbedingt der
       des Mainstreams, in den die Kunst des RealismusStudios deswegen aber gerne
       öffentlich wirksam intervenierte.
       
       ## Solidarität schaffen
       
       Es ging ja darum, Solidarität zu schaffen, eine breitestmögliche
       Unterstützung der politischen Forderungen, und es ging um ganz konkrete
       Hilfsangebote. Da war jedes Engagement willkommen, und tatsächlich
       zeichnete Frank Wagner seine offene, zugewandte und immer gesprächsbereite,
       freundliche Haltung aus.
       
       Man freute sich, ihn zu treffen und mit ihm zu sprechen, mit ihm zu
       arbeiten, sei es in Jurys, sei es bei einem Podiumsgespräch. Er wird der
       Kunstszene Berlins fehlen, dem Publikum, uns Journalisten und den anderen
       Leuten des Betriebs. Am meisten aber werden ihn die Künstler und
       Künstlerinnen vermissen, die in ihm einen verlässlichen Partner und Freund
       hatten.
       
       Wie es die Künstlerin Holly Zausner sagt, zu deren New Yorker Loft er noch
       vor zwei Monaten die sechs Stockwerke hochstieg – beflügelt von der
       Hoffnung, den Krebs zu besiegen, dem er nun überraschend rasch erlag: „I
       always felt I could count on Frank for friendship and an honest intelligent
       dialog about art.“
       
       2 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
       
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