# taz.de -- Der Theaterregisseur Toskiki Okada: Raum für das Unbehagen
       
       > Das Banale wird bei ihm beinahe tragisch. Die Werke des Theaterregisseurs
       > Toshiki Okada sind derzeit in München und Braunschweig zu sehen.
       
 (IMG) Bild: Toshiki Okada ist kein Mann großer Thesen
       
       Der Umzug nach Deutschland, nach München, war schon angedacht. Aber nun hat
       die Idee etwas von „Evakuierung“ bekommen, sagt Toshiki Okada, Regisseur
       aus Japan. Sein Leben ist kompliziert geworden. Denn seine Familie, seine
       Frau und zwei Kinder, wohnen zurzeit noch in der Region westlich von Tokio,
       die im April dieses Jahres von Erdbeben betroffen war.
       
       Dabei sollte dort ihr sicherer Rückzugsort sein, nach der
       Reaktorkatastrophe von Fukushima waren sie von Tokio aus dorthin gezogen.
       Vom Leben mit den Folgen des Atomunfalls hat Okada seitdem in mehreren
       Stücken erzählt.
       
       Die Erschütterung von Gewissheiten, der verlorene Glaube an Fortschritt und
       Wachstum, die Angst vor dem, was die Zukunft bringen wird: Das ist der
       Stoff des 1973 geborenen Theatermachers, seit er vor beinahe zwanzig Jahren
       seine Gruppe „chelfitsch“ gründete.
       
       Die Generation, die wie seine Eltern noch glauben konnten, dass der
       japanische way of life für die Ewigkeit gemacht war, ist heute in Rente
       gegangen. Die wirtschaftlichen Krisen, das Ende von Finanzblasen, die Japan
       seit den 90er Jahren zu schaffen machen, haben für ihn und seine
       Generation, „eine andere Art zu denken gefordert“, sagt er.
       
       ## Eine Sturheit, die schon wieder komisch wirkt
       
       Toshiki Okada ist kein Mann großer Worte oder Thesen. Ganz im Gegenteil,
       auf kleine Details des Alltags, auf gewöhnliche Befindlichkeiten, auf das,
       was immer zu banal scheint, um überhaupt erzählt zu werden, lenken seine
       Stücke den Blick. Beharrlich, obstinat und mit einer Sturheit, die schon
       wieder komisch wirkt, kreisen die Dialoge seiner Figuren um Fragen, mit
       denen sie sich das große existenzielle Drama, in dem sie stecken, auch
       irgendwie vom Leib zu halten scheinen.
       
       Was wird das Abschiedsessen für eine Kollegin sein, wird intensiv
       verhandelt, aber nicht der Skandal ihrer Kündigung und dass die
       Sprechenden, ebenfalls Leiharbeiter, nicht wissen, wann es sie treffen
       kann. Die Szene stammt aus einem dreiteiligen Stück, „Hot pepper, air
       conditioner and the farewell speech“, vor zehn Jahren von Okada
       entwickelt, als Festivalmacher in Europa und den USA seine Truppe
       einzuladen begannen.
       
       Zu den Entdeckern von Tokada gehörte auch Matthias Lilienthal, der ihn
       beauftragt hat, an den Kammerspielen München eine neue Fassung dieses
       Stücks zu erarbeiten, mit Schauspielern des Ensembles (Premiere 24. Juni).
       Das wird schon deshalb ein neues Stück, sagt Okada, weil die Körpersprache
       der Schauspieler aus München so viel anders sei als die der japanischen
       Darsteller. Und die Körpersprache ist bei ihm mindestens so wichtig wie der
       Text.
       
       ## Worüber nicht geredet wird
       
       „Wenn die Gesten die Dialoge nur unterstreichen, das langweilt mich“, sagt
       Tokada, dessen Schauspieler sich die ganze Zeit bewegen, Übungen machen,
       Gesten wiederholen. Was entsteht, ist diffus, keine exakt zu dekodierende
       Körperschrift. Und doch entsteht in der Lücke zwischen dem Gesprochenen und
       den Bewegungen ein großer Raum für das Unbehagen, für das, worüber nicht
       geredet wird, für das Weggeschobene.
       
       Von der Arbeit in München ist Toshiki Okada für einen Tag nach Braunschweig
       gekommen, für Proben seines Stücks „God Bless Baseball“, mit dem dort das
       Festival Theaterformen am Donnerstag eröffnet. Wir reden meist auf
       Englisch, aber auch zwei japanische Übersetzer sind dabei und werden
       gebraucht.
       
       Seit Okada so viel international tourt, sind englische (und deutsche)
       Untertitel fast immer ins Bühnenbild eingebaut. Die skurrilen Bewegungen zu
       sehen, den fremdsprachigen Text zu hören, die Übersetzung mitzulesen, das
       fordert den Betrachter auf drei unterschiedlichen Spuren und erzeugt eine
       intensive Konzentration.
       
       ## Lautstarke Werbemaschine
       
       Die Neugierde auf das, was man nicht kennt, das gefällt ihm am deutschen
       Publikum. Die Reaktionen hier sind für ihn oft überraschend. Mir zum
       Beispiel erscheint die Arbeit mit so reduzierten sprachlichen Mitteln und
       der großen Stilisierung der Körpersprache als „typisch japanisch“, aber das
       so zu sehen, ist für ihn eher typisch deutsch. Sich außerhalb der großen
       japanischen Theatertraditionen zu bewegen, das war von Anfang an sein
       Rahmen.
       
       Warum eigentlich spielen Japaner und Koreaner mit so großer Begeisterung
       Baseball, fragt er in seinem Stück „God Bless Baseball“, das er mit
       japanischen und koreanischen Schauspielern entwickelt hat. Die Sportkulisse
       auch privat zu nutzen, Heiratsanträge auf den großen Bildschirmen im
       Stadion zu formulieren, ist keine Seltenheit in beiden Ländern. Aber ist
       der Sport nicht auch ein Propagandawerkzeug der USA, eine lautstarke
       Werbemaschine für deren way of life? Wo andere Theatermacher das Thema des
       (Post-)Kolonialismus auf ihre Agenda schreiben, hört Okada persönlichen
       Geschichten der Sportbegeisterung zu.
       
       7 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Bettina Müller
       
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