# taz.de -- Kommentar Soziale Kämpfe in Frankreich: Radikal sein ist nicht alles
       
       > Neidisch schaut so mancher deutsche Arbeitnehmer auf die radikalen
       > Kollegen in Frankreich. Umgekehrt können Franzosen auch von Deutschen
       > lernen.
       
 (IMG) Bild: Gewerkschafter blockieren den Eingang zu einem AKW
       
       Wenn in Frankreich streikende Arbeiter oder protestierende Bauern
       handgreiflich werden, kriegen manche Linke in Deutschland feuchte Augen vor
       Rührung. Die trauen sich was, die Franzosen, denken sie. Wenn wir Deutsche
       nur halb so radikal wären wie die Franzosen, würde es uns – und Europa –
       besser gehen. An diesem Gedanken ist sicher etwas dran, aber es ist auch
       nur die halbe Wahrheit.
       
       Dass viele Franzosen gegen die Arbeitsmarktreformen, eine Art Hartz IV à la
       française, auf die Straße gehen, ist ihr gutes Recht. Sie sehen, was Hartz
       IV in Deutschland angerichtet hat: mehr Druck auf Arbeitnehmer, mehr
       prekäre Beschäftigung, eine größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich.
       
       Ob Streiks in Atomkraftwerken aber ein angemessenes Mittel des Protests
       sind, ist zweifelhaft. Solche Aktionen wirken bedrohlich, selbst wenn
       dadurch nur die Energieproduktion gedrosselt wird.
       
       Auch in Deutschland gab es Widerstand gegen die Hartz-IV-Reform, aber er
       war lange nicht so radikal wie in Frankreich. Davor haben die
       Gewerkschaften zurückgeschreckt: erstens weil politische Streiks
       hierzulande verboten sind, und zweitens weil sie stets den Konsens mit den
       Regierungen und den Arbeitgebern suchen.
       
       Immerhin haben es die Gewerkschaften später geschafft, die Reform ein
       bisschen zu reformieren – und den Mindestlohn durchzusetzen.
       
       Der Mindestlohn wiederum gehört seit Langem zu Frankreich wie radikaler
       Sozialprotest. Trotzdem geht es dem durchschnittlichen Arbeitnehmer an der
       Seine nicht besser als dem am Rhein – im Gegenteil. Ein starres Festhalten
       am Status quo kann also in Frankreich nicht der Weisheit letzter Schluss
       sein.
       
       Die Jugendarbeitslosigkeit, gerade unter Migranten, ist in Frankreich viel
       höher als in Deutschland. Wie gefährlich das ist, zeigt sich in den
       Banlieues: Wo Perspektivlosigkeit herrscht, haben Kriminelle und
       Terroristen es leicht, Nachwuchs zu rekrutieren.
       
       26 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Richard Rother
       
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