# taz.de -- Kolumne So nicht: Wenn gar nichts sagen blöd aussieht
       
       > Wer Beifall im ganzen Hause haben will, verurteilt „in aller Schärfe“.
       > Aber wie scharf genau? So Döner-mit-scharf-scharf?
       
 (IMG) Bild: Möchten sie Ihr Hotdog mit scharfer Verurteilung?
       
       Komisch, dass die deutsche Regierung, das Auswärtige Amt oder irgendeine
       andere offizielle Vereinsvorsitzende die Hälfte des Wahlergebnisses in
       Österreich noch nicht auf das Schärfste verurteilt hat. Mit der
       Verurteilung „in aller Schärfe“ oder gern auch „aufs Allerschärfste“ ist es
       doch so wie mit dem Talkshow-Dauerbrenner „Wenn sie mich mal ausreden
       lassen, würden sie es verstehen“.
       
       Kaum ein Politiker lässt sich die Gratis-Anklage entgehen, die
       parteiübergreifend die meistzitierte Politikermeinung sein dürfte. Die
       Aufhebung der Immunität türkischer Parlamentarier: der Parteivorstand der
       SPD verurteilt sie „in aller Schärfe“. Die iranische Ausstellung mit
       Holocaust-Karikaturen: das Auswärtige Amt verurteilt sie „auf das
       Schärfste“. Die Mörder von Brüssel: die Bundesregierung verurteilt sie „auf
       das Schärfste“. Anschläge auf den Schiedsrichterwart Peter Rauchfuß: der
       Deutsche Handballbund verurteilt sie „aufs Schärfste“. Das Antifa-Graffito
       „Rassismus tötet. AfD verhindern“: die AfD verurteilt es „auf das
       Schärfste“.
       
       Aber nicht nur dann, wenn es um Mord und Totschlag, Terror und Horror geht,
       wird schärfstens verurteilt. Die Bürokratisierung der Aussage „Du hast sie
       doch nicht mehr alle“ findet sich auch da, wo es um weniger Gefährliches
       geht. Den Verkauf von Schwarzmarktkarten für das Relegationsspiel
       Würzburg–Duisburg verurteilt der Vorstandsvorsitzende der Würzburger Kicker
       „auf das Schärfste“. Der Arbeitgeberverband Nordmetall verurteilt die
       „24-Stunden-Streiks bei Airbus und Daimler auf das Schärfste“.
       
       Schon Rosa Luxemburg verurteilte das „Stichwahlabkommen und darin
       insbesondere die Dämpferklausel auf das Schärfste“. Worum es bei dieser
       Phrase geht, wird im Protokoll der Regierungserklärung Helmut Kohls vom 4.
       Oktober 1990 deutlich. Hinter dem Satz „Wir verurteilen aufs Schärfste die
       irakische Aggression gegen Kuwait“ steht dort der Vermerk „(Beifall im
       ganzen Hause)“.
       
       ## Passt super in 140 Zeichen
       
       Wer Beifall im ganzen Hause haben will, verurteilt in aller Schärfe. Also
       in der Regel immer dann, wenn man weiß, dass die Mehrheit das eh auch
       verschärft doof findet. Und oft dann, wenn man weiß, man müsste da jetzt
       irgendwas tun, weiß aber nicht was, sieht aber blöd aus, wenn man gar
       nichts sagt.
       
       Argumentfrei jemanden abmeiern – fast könnte man meinen, Twitter wurde nur
       dafür erfunden, dass Politiker irgendwas schärfstens verurteilen können.
       Der Satz passt wunderbar auf 140 Zeichen und lässt sogar noch Platz für
       einen Wut-Emoji. Dabei dürfte jedem, der auswärts essen geht, schon klar
       sein, dass Schärfe äußerst relativ ist. Ist die Verurteilung so
       Döner-mit-scharf-scharf? Oder eher so tomyamgungsuppenscharf?
       
       Am schönsten ist, dass Medien, die über derartige scharfe Verurteilungen
       berichten, die Verurteiler gern zitieren und die Formulierung in
       Anführungsstriche setzen. Als sei es eine juristische oder eine ganz
       besonders hübsche oder auf den Punkt getroffene Formulierung, die es wert
       wäre, extra dick hervorgehoben zu werden. Und das, obwohl die Phrase auch
       nicht mehr sagt als ein schlichtes Daumen-runter-Symbol.
       
       26 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
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