# taz.de -- Probleme beim Familiennachzug: Der Fluch der Papiere
       
       > Anerkannte Flüchtlinge, die ihre Familie nachholen wollen, kämpfen mit
       > der Bürokratie. Oft fehlen Papiere. Viele geben auf.
       
 (IMG) Bild: Hoffentlich schon komplett angekommen: Flüchtingsfamilie in Hamburg
       
       BERLIN taz | „No appointments available“ – „keine Termine erhältlich“. Die
       Termine über das Internet werden nur in „unregelmäßigen Abständen mit
       Vorlauf von wenigen Wochen“ freigeschaltet. Diese Antwort bekommt, wer auf
       der Webseite der deutschen Botschaft in Beirut, online einen Termin buchen
       will – für die persönliche Vorstellung, um als Familienangehörige ein Visum
       beantragen zu können für den Nachzug zum Ehepartner, der als anerkannter
       Flüchtling in Deutschland lebt.
       
       Die Botschaften in Beirut, Amman und der Türkei sind zuständig auch für
       Syrer, da die deutsche Vertretung in Damaskus schon lange geschlossen ist.
       Die Terminvergabe, aber auch die gesamte Bürokratie rund um den
       Familiennachzug sind zum Horrorthema geworden für Asylsuchende aus Kriegs-
       und Krisenländern.
       
       Syrer, Iraker und Eritreer bekommen in der Regel die volle Anerkennung nach
       der Genfer Flüchtlingskonvention und haben daher weiterhin das Recht, den
       Ehepartner und die minderjährigen Kinder nachzuholen. Im jüngsten
       Asylgesetz wurde der Nachzug nur für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz für
       zwei Jahre ausgesetzt, davon sind die allermeisten anerkannten Flüchtlinge
       nicht betroffen.
       
       Trotzdem stapeln sich die Hindernisse. Die langen Fristen und die
       Altersgrenzen sind ein großes Problem. Kommt ein Flüchtling nach
       Deutschland kann für Registrierung, Antragsstellung, Anhörung und
       schließlich der Anerkennung ein Jahr verstreichen. Erst danach dürfen die
       Angehörigen den Nachzug beantragen. Bekommt die Ehefrau mit den Kindern
       dann erst einen Termin nach einem weiteren Jahr in einer Deutschen
       Botschaft, sind schon zwei Jahre verstrichen bis zur Visaerteilung.
       
       ## Ein Rennen gegen die Zeit
       
       „In Beirut gibt es jetzt Termine für 2017, in der Türkei ist der Vorlauf
       zehn bis zwölf Monate für einen Termin. Es dauert alles viel zu lange“,
       rügt Ibrahim Alsayed, Berater in der deutsch-syrischen Beratungsinitiative
       „Salam“ in Berlin, „und es ist ein Rennen gegen die Zeit“. Nicht nur, weil
       die Familie in einem Kriegsgebiet gefährdet ist.
       
       Wenn das älteste Kind 18 Jahre alt wird, bevor Frau und Kinder das Visum
       persönlich beantragen können, darf es nicht mehr nach Deutschland. „Aber
       wer würde seine älteste Tochter zurücklassen?“, sagt Alsayed, „das würde
       man nicht tun“.
       
       Im Auswärtigen Amt heißt es dazu, man habe das Personal in den betroffenen
       Auslandsvertretungen, vor allem in Beirut und Istanbul, schon „massiv
       verstärkt“. Ein Problem sind aber auch fehlende Papiere. Familienangehörige
       brauchen für die Visaerteilung durch die Botschaft einen gültigen Pass,
       legalisierte Heiratsdokumente und beglaubigte Auszüge aus den
       Familienregistern.
       
       In den Kriegs- und krisengeschüttelten Herkunftsländern kriegen die Leute
       diese Papiere oftmals nicht, erst recht nicht, wenn sie auf Listen der
       dortigen Sicherheitsapparate als „regierungsfeindlich“ vermerkt sind. Ein
       Syrer, Kurde, der in Deutschland eine Anerkennung als Flüchtling rasch
       bekam, dessen kurdische Ehefrau in Syrien aber keinen Pass erhält, kann
       seine Frau nicht nachholen. Der Mann kehrt jetzt frustriert aus Bremen in
       die Türkei zurück.
       
       ## Vergebliche Vorsorge
       
       „Wir haben hier in der Beratung Leute, die ohne Pass als Asylsuchende nach
       Deutschland eingereist sind und hier eine Anerkennung als Flüchtling
       erhielten. Die begreifen nicht, wieso nun die Ehefrau und die Kinder
       gültige Papiere brauchen, um bei der deutschen Botschaft ein Visum
       beantragen zu können“, schildert Martin Link, Geschäftsführer des
       Flüchtlingsrates in Schleswig-Holstein.
       
       Die Aufnahme eines Flüchtlings aus humanitären Gründen und der
       Familiennachzug sind in Deutschland zwei ganz unterschiedliche juristische
       Prozesse. „Die Flüchtlinge wollen dann zurück, die sagen, lieber sterbe ich
       in der Heimat, als hier ohne meine Familie zu sein“, so Link. Dabei kann
       die Rückkehr etwa in die Türkei zu seiner Familie für einen Geflüchteten
       ohne Pass gar nicht so einfach sein. Denn dafür braucht man ein gültiges
       Reisedokument.
       
       Angesichts der bürokratischen Hindernisse und Terminprobleme versuchen
       einige, vorzubauen. Alsayed erzählt von einem jungen Syrer, der kurz nach
       der Einreise in Deutschland bei der Botschaft in Beirut schon mal online
       vorsorglich einen Termin für den Visaantrag für die Familie buchte.
       
       Die Ehefrau erhielt einen Termin für Januar dieses Jahres. Der Termin kam –
       und musste ungenutzt verstreichen. Denn der Mann wurde in Deutschland erst
       zehn Tage später als Flüchtling anerkannt. Auf den nächsten Termin in der
       deutschen Botschaft im Libanon muss die Familie jetzt wieder lange warten.
       
       27 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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