# taz.de -- Kommentar Stasiakten ins Bundesarchiv: Die Aufarbeitung geht weiter
       
       > Die Eingliederung der Jahn-Behörde in das Bundesarchiv ist nicht das Ende
       > der „Causa Stasi“. Das Recht der Opfer auf Akteneinsicht bleibt gewahrt.
       
 (IMG) Bild: Noch immer viel zu entdecken: Stasi-Unterlagen
       
       Meine Stasiakte umfasst viele Seiten. Ich habe sie ein paar Jahre nach der
       Wende gelesen – und mitunter herzhaft gelacht. Ich habe an meiner eigenen
       Person begriffen, wie stümperhaft die Spione teilweise gearbeitet hatten.
       
       Die, die auf mich angesetzt waren, haben mich jahrelang beobachtet. Sie
       haben fotografiert, wie ich Milch kaufe, und notiert, mit welcher
       Straßenbahn ich fahre. Trotzdem haben sie sich Sachen ausgedacht und
       Postkarten in meine Akte gelegt, deren Absender ich nicht kenne.
       
       Andere – „richtige“ Opfer – haben anderes erlebt: Sie wurden verfolgt,
       bedroht, in Stasiknästen gefoltert und in den Westen abgeschoben. Als ich
       damals meine Akte in der Stasiunterlagenbehörde las, saß neben mir ein
       Mann, der die ganze Zeit weinte. Vor sich meterweise Ordner mit seinen
       Abhörprotokollen.
       
       Stasiopfern gehört jegliches Mitgefühl und das Recht auf uneingeschränkte
       Akteneinsicht. Braucht es dazu die Stasiunterlagenbehörde in ihrer jetzigen
       Form? Nein. Es spricht nichts dagegen, die Gauck-Birthler-Jahn-Behörde in
       das Bundesarchiv einzugliedern – so wie jetzt geplant.
       
       Eine veränderte Organisation der Behörde bedeutet nicht das Ende der „Causa
       Stasi“. Weder soll das Recht der Opfer auf Einsicht in das dokumentierte
       Unrecht beschnitten werden, noch wird das Archiv für ForscherInnen
       geschlossen.
       
       Auch wenn manche KritikerInnen der geplanten Umstrukturierung das anders
       sehen: Desinteresse an der DDR-Vergangenheit und deren Aufarbeitung sieht
       anders aus. Die Behörde in die Belanglosigkeit zu schicken, würden frühere
       BürgerrechtlerInnen ohnehin nicht dulden.
       
       Wer sich intensiv mit der Stasi und ihren perfiden Methoden beschäftigen
       will, dem sei ein Besuch im Stasiknast Hohenschönhausen in Berlin
       empfohlen. Der Rundgang dort erzählt mindestens so viel über den
       DDR-Geheimdienst wie die Akten im Archiv.
       
       13 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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