# taz.de -- Zugunglück von Bad Aibling: Einen Moment nicht aufgepasst
       
       > Eine Woche nach dem Zusammenprall zweier Züge in Oberbayern scheint
       > festzustehen: Die Ursache war kein technischer Fehler.
       
 (IMG) Bild: Unter widrigen Bedingungen mussten die Ermittlungen der Unglücksursache durchgeführt werden.
       
       Bad Aibling taz | „Der wird nimmer froh“, sagt eine ältere Dame. Und ein
       Mann am Nebentisch meint: „Der braucht koa Straf’ mehr.“ Die knappen
       Kommentare in einem Bad Aiblinger Innenstadtcafé bringen es auf den Punkt.
       
       Kurz zuvor ist nur einen Steinwurf entfernt im Rathaus bestätigt worden,
       was schon seit Tagen vermutet wurde: Das Zugunglück vom Faschingsdienstag,
       das elf Menschen das Leben kostete, wurde höchstwahrscheinlich durch einen
       Fehler eines Fahrdienstleiters der Deutschen Bahn verursacht.
       
       Viele Details behalten die Ermittler zwar noch für sich, und natürlich – so
       der Leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Giese aus Traunstein – gilt für den
       Mann noch immer die Unschuldsvermutung, aber so viel scheint festzustehen:
       Es war menschliches Versagen, und die zentrale Figur dabei war der
       Fahrdienstleiter.
       
       Das Ermittlungsverfahren gegen den Mann sei schon kurz nach dem Unglück
       aufgenommen worden, sagte Giese bei der Pressekonferenz am Dienstag. Ihm
       wird fahrlässige Tötung vorgeworfen – ein Delikt, bei dem der Strafrahmen
       laut Giese bis zu fünf Jahren Haft reicht.
       
       ## Vorsatz wird ausgeschlossen
       
       Nachdem der 39-Jährige zunächst von seinem Zeugnisverweigerungsrecht
       Anspruch genommen habe, habe er schließlich am Montagnachmittag einen
       Fehler zugegeben. Sein Verhalten sei „nicht in Einklang mit den Regeln“
       gewesen. Hätte sich der Fahrdienstleiter pflichtgemäß verhalten, so Giese,
       wäre es nicht zu dem Unfall gekommen. Ein Vorsatz kann nach Ansicht der
       Staatsanwaltschaft jedoch ausgeschlossen werden. „Das war kein Sabotageakt,
       die Tat hatte keinen kriminellen Hintergrund.“
       
       Auch Anhaltspunkte für ein technisches Versagen der Züge oder der
       Signalanlagen gebe es nicht. Die Einlassungen des Fahrdienstleiters seien
       in sich sehr plausibel, sagt auch Staatsanwalt Jürgen Branz. Sie müssten
       aber noch gegengeprüft werden. Branz leitet die Ermittlungen in Bad
       Aibling. „Es wurde ein Sondersignal gegeben, das nicht hätte gegeben werden
       dürfen.“ ZS1 heißt dieses Signal. Es steht normalerweise auf Rot. Dass es
       das am Faschingsdienstag nicht tat, war wohl der große Fehler des
       Bahnmitarbeiters. „Er hat noch einen Notruf abgesetzt, als er seinen Fehler
       bemerkt hat. Aber der ging ins Leere.“
       
       Der Mann sei durchaus erfahren gewesen, seine Ausbildung habe er schon 1997
       abgeschlossen, in seiner jetzigen Position habe er schon seit Längerem
       gearbeitet. Auch gebe es keinerlei Hinweise darauf, dass Alkohol oder
       Drogen im Spiel gewesen seien oder eine Erkrankung vorliege. „Was wir
       momentan haben, ist ein furchtbares Einzelversagen in dieser einen
       konkreten Situation“, sagt Branz.
       
       Genau eine Woche lang haben die Einsatzkräfte bei Bad Aibling mit Hochdruck
       ermittelt. Rosenheims Polizeipräsident Robert Kopp liefert die Zahlen dazu:
       Am Unglückstag seien 71 Polizeibeamte am Unfallort im Einsatz gewesen,
       später waren es im Schnitt 45. Außerdem hätten 20 Kriminalbeamte ermittelt,
       darunter zwei der Bundespolizei. Das Ganze bei meist widrigen
       Witterungsverhältnissen, abends bei Flutlicht und während der teils nicht
       ungefährlichen Bergungsarbeiten.
       
       ## Ungeklärte Einzelheiten
       
       Drei Blackboxes wurden ausgewertet, Dutzende Zeugen befragt und 95 Kisten
       mit persönlichen Gegenständen der Fahrgäste eingesammelt. Außerdem hätten
       10 speziell geschulte Mitarbeiter die Opfer und Angehörigen betreut.
       
       Die beschäftigt natürlich in besonderem Maße die Frage nach dem Warum. Hier
       sind die Ermittler nach der Aussage des Bahnmitarbeiters nun einen großen
       Schritt weiter.
       
       Aber noch immer sind viele Einzelheiten ungeklärt. So weiß man laut Kopp
       noch nicht mal, wie viele Menschen zum Zeitpunkt des Unglücks in den beiden
       Zügen gewesen seien. Man gehe von etwa 150 aus, einige Passagiere hätten
       sich aber wohl sofort von der Unglücksstelle entfernt. Sie bat Kopp, sich
       doch bitte zu melden. Auch eine genaue zeitliche Rekonstruktion der letzten
       Minuten vor dem Zusammenstoß sei noch nicht möglich, da man es mit vier
       unterschiedlich Zeiten zu tun habe: Die Uhren der Züge, des Funkverkehrs
       und der Fahrdienststelle hätten alle nicht dieselbe Zeit angezeigt.
       Dementsprechend sind die Ermittlungen trotz der Aussage des
       Fahrdienstleiters auch längst noch nicht zu Ende. So wolle man in der
       nächsten Woche beispielsweise das Unglück mit zwei Zügen nachstellen.
       
       Der Beschuldigte befindet sich nicht in Haft, Oberstaatsanwalt Giese
       zufolge liege hierfür kein Grund vor. Seine Verteidiger hätten den Mann an
       „einen sicheren Ort“ gebracht. Mehr wollten die Ermittler nicht sagen. Nur
       so viel: „Ihm geht es nicht gut.“
       
       16 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominik Baur
       
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