# taz.de -- 50 Jahre Trips-Festival in San Francisco: High wie die Koalas
       
       > 1966 wurde aus einem Undergroundspaß erstmals ein Massenspektakel – das
       > Trips-Festival. Es verhalf der Hippie-Ära zum Durchbruch.
       
 (IMG) Bild: Beim Trips-Festival trifft sich die Acid-Szene.
       
       Seit November 1965 schon karriolen Ken Kesey und seine Hippie-Gang Merry
       Pranksters durch Kalifornien und Oregon, um den „squares“ zu zeigen, was
       ein Haufen durchgeknallter Säureköpfe ist. „Acid Tests“ nennen die Merry
       Pranksters ihre schrillen öffentlichen Happenings, man kann auch ruhig
       Orgien dazu sagen, auf die nicht nur die Menschen in den Provinzen mit
       Verstörung, Unverständnis und latenter Gewalttätigkeit reagieren.
       
       Selbst Acid-Apologeten wie Timothy Leary, Richard Alpert oder Owsley
       Stanley, der als talentierter LSD-Koch für den nie versiegenden Nachschub
       sorgt, ist das zu viel Aufmerksamkeit. Noch haben die Behörden zwar keine
       Handhabe, das Gesetz, das LSD verbietet, muss erst noch verabschiedet
       werden, aber die Strafen für ein paar Gramm Marihuana sind drakonisch. Und
       man hat die Szene im Visier.
       
       „Die Acid Tests waren der epochemachende Markstein des psychedelischen
       Stils und praktisch all dessen, was man damit verbindet. Das soll nicht nur
       heißen, dass die Pranksters die ersten waren, sondern darüber hinaus auch,
       dass sich alles Weitere in einer direkten Linie aus den Acid Tests ableiten
       lässt“, konstatiert Tom Wolfe in seiner Mammutreportage „The Electric
       Kool-Aid Acid Test“, für die er Kesey und seine Mannen monatelang begleitet
       hat. Ihre Überzeugungsarbeit trägt langsam Früchte. Im Januar 1966 wird aus
       dem übersichtlichen Undergroundspaß erstmals ein Massenspektakel – das
       Trips-Festival.
       
       „Die Dinge haben sich geändert“, heißt es in der Pressemeldung, „aus
       Feierlichkeiten in kleinen, sich selbst genügenden Gruppen sind nunmehr
       große Happenings geworden, bei denen das gesamte Publikum mitwirkt. Das
       gemeinsame Tanzen aller Anwesenden ist ein Teil der Darbietungen, und alle,
       die kommen, sind aufgerufen, sich so ekstatisch wie möglich zu kleiden und
       selbst Instrumente mitzubringen (Anschlüsse für Elektronikinstrumente sind
       vorhanden).“
       
       ## Dreitägiges Freak-out-Wochenende
       
       Um die Behörden einzulullen, gibt man sich betont abstinent. Eine
       „psychedelische Erfahrung ohne Drogen“ sei das Ziel, eine bloße Simulation
       des Trips also, allein mit einer opulenten Lightshow, Film- und
       Overheadprojektoren, Livemusik, absurden Verkleidungen und nicht zuletzt
       viel Gruppendynamik.
       
       Ken Kesey wird ins Boot geholt. Und schließlich, als allen die Sache über
       den Kopf zu wachsen droht, auch Bill Graham, der gerade dabei ist, als
       Veranstalter zu reüssieren und sich mit Benefiz-Partys im Fillmore auch
       bereits einen Namen gemacht hat. Das dreitägige Freak-out-Wochenende, vom
       21. bis 23. Januar, findet in der Longshoremen’s Hall, San Francisco,
       statt. Kurz zuvor wird Kesey zum wiederholten Mal mit Marihuana geschnappt
       und vor Gericht gestellt, eine dreijährige Haftstrafe droht. Das alles ist
       zusätzliche Werbung für das Festival.
       
       Die Halle platzt dann auch aus allen Nähten, 1.700 Besucher fasst sie für
       gewöhnlich, an jedem der Abende kommt mindestens die doppelte Menge. Und
       wenn die Merry Pranksters mit von der Partie sind, wird hier natürlich
       nicht nur ein Trip simuliert. Owsley hat einmal mehr die Spendierhosen an
       und versorgt die Gemeinde großzügig, und so schwebt die ganze Bagage bald
       gut anderthalb Meter über der Erde.
       
       ## Die kiebitzende Exekutive
       
       „Hunderte von LSD-Freaks, die zum ersten Mal völlig ungeniert total
       verstrahlt in der Öffentlichkeit auftreten“, konstatiert Tom Wolfe. Aber
       die kiebitzende Exekutive glaubt einfach weiterhin treudoof dem Motto des
       Abends. „Na, was soll’s, die Kids machen sich eben halt ein LSD-Erlebnis
       ohne LSD, was ist schon dabei, und so was sieht eben so aus.“
       
       Es gibt natürlich auch Musik. Jerry Garcías Gitarre ist kaputt, also
       spielen Grateful Dead heute mal nicht, dafür jedoch Jefferson Airplane, The
       Charlatans, The Great Society mit der bezaubernden Grace Slick, The Loading
       Zone. Die lokalen Szene-Bands eben.
       
       Stars gibt es hier sowieso nicht. Das Publikum selbst ist der Star. Eine
       eklektische Masse, von allem etwas. Vaudeville-Theater, Grand Guignol,
       Science Fiction, Zirkus, Karneval in Rio. Kesey hat sich in einen goldenen
       Raumfahreranzug geworfen, Neal Cassady, als Gorilla verkleidet, jagt seiner
       Freundin Ann Murphy hinterher.
       
       ## Mr-Tausend-Hertz
       
       Einer der Pranksters wickelt sich komplett in schwarzes Isolierband ein,
       ein anderer kommt mit vollem indianischen Kriegsschmuck, einige sind bald
       ganz nackt. Von einem Balkon aus springen Gäste auf eine Art Sprungtuch und
       hüpfen dort herum, das „stroboskopische Trampolin“.
       
       Genau in der Mitte der Halle steht der Kontrollturm der Merry Pranksters,
       Soundtüftler Ken Babbs hat einen Moog-Synthesizer, Amps und sechzehn
       Lautsprecher ein Gerüst hochgewuchtet. „Ich war immer der Mr-Tausend-Hertz,
       so was Ähnliches wie ein Conférencier. Ich bin zu dem Mikrofon da oben
       raufgeklettert und hab irgendwas erzählt, und wir konnten meine Stimme im
       ganzen Saal herumschicken“, erinnert sich Babbs im Gespräch mit Robert
       Greenfield.
       
       „Kesey hatte sein Ding mehr an der Seite. Von da aus konnte er auch in ein
       Mikrofon sprechen, hatte aber außerdem noch einen Projektor, mit dem er
       handschriftliche Kommentare auf die große Leinwand hinter der Band werfen
       konnte. Er hat da also gesessen und eine Menge Zeug geschrieben, was ihm
       gerade so einfiel. Und wir haben uns hin und her unterhalten. Dabei haben
       sich die Sachen dann ziemlich vermischt.“
       
       Die urbane weiße Acid-Szene, „die bisher nur auf einer verschwiegenen
       Zelle-an-Zelle-Ebene existiert hatte“, meint Wolfe, feiert hier ihre erste
       spektakuläre Zusammenkunft und ist selbst „über die Maßen erstaunt, wie
       stark ihre eigenen Reihen inzwischen geworden waren – und sie freuten sich
       irre über den Umstand, dass sie einfach so an die Öffentlichkeit kommen
       konnten, high wie die Koalas, ohne dass ihnen der Himmel oder das Gesetz
       auf den Kopf fiel.“ Sie gehen gestärkt und voller Selbstvertrauen aus
       diesem Wochenende hervor. Die Haight-Ashbury-Ära nimmt hier ihren Anfang.
       
       11 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Schäfer
       
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