# taz.de -- Parteitag Berliner Linke: Die Linkspartei sieht rot-rot
       
       > Klaus Lederer wird Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl. Die
       > Linken sind optimistisch, neue Wählerschichten erreichen und wieder mit
       > der SPD regieren zu können.
       
 (IMG) Bild: Klaus Lederer, Parteichef und Spitzenkandidat der Berliner Linken, und Fraktionsvorsitzender Udo Wolf.
       
       Es hat geklappt, und Gegenwind gab es nur ein ganz kleines bisschen: Klaus
       Lederer ist Spitzenkandidat der Linkspartei für die Berlin-Wahl im Herbst
       2016. Am Samstag stimmte der Parteitag der Berliner Linken jedenfalls mit
       großer Mehrheit einem Antrag des Landesvorstands zu, der einen
       entsprechenden Satz enthält. So richtig gewählt werden soll und muss der
       Parteivorsitzende aber auch noch: wenn auf der Landesvertreterversammlung
       im März über die KandidatInnenliste für die Wahl abgestimmt wird.
       
       Kritik an dem zweistufigen Verfahren kam nur von den ganz linken Linken:
       Die Antikapitalistische Linke (AKL) um Lucy Redler wollte den Lederer-Satz
       streichen. Ein Antrag ohne Chance bei der Mehrheit der Delegierten, und
       ebenso erfolglos wie der Versuch der AKL, das Bekenntnis zu einer rot-roten
       oder rot-rot-grünen Koalition aus dem Antragstext, der der Vorentwurf des
       Wahlprogramms ist, zu tilgen. Und der Vorschlag der überwiegend jungen
       MarxistInnen, sich nicht auf eine Koalition mit der SPD festzulegen,
       sondern den WählerInnen zu verdeutlichen, „dass wir die richtige
       Arbeiterpartei sind“, erntete vor allem Gelächter.
       
       ## Scharfe Kritik an der SPD
       
       Dabei kann man sich schon fragen, warum der Parteivorstand Lederer auf
       diesem Weg durchsetzt. „Undemokratisch“ nennt die AKL die Vorabwahl ohne
       GegenkandidatInnen. Und der Spitzenkandidat, der in seiner Parteitagsrede
       selbst mehr direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung forderte und dabei
       auch die SPD scharf kritisierte, müsste das wohl auch so sehen.
       
       Doch Lederer sei eben – „nach wissenschaftlichen Erkenntnissen: Wir haben
       eine Studie dazu in Auftrag gegeben!“ – derjenige, der „besser als andere“
       bisher unerschlossene Milieus potenzieller Linke-WählerInnen ansprechen
       könne. So zumindest warb Udo Wolf, Fraktionsvorsitzender der Linken im
       Abgeordnetenhaus. Mit „andere“ meinte er wohl sich selbst. Tatsächlich kann
       der Jeans-und-Hoodie-Typ Lederer, Anfang 40, schwul, Jurist, vermutlich
       erfolgreicher in Milieus wildern, die enttäuscht über die Liebäugelei der
       Grünen mit der CDU sind, als der ruppiger wirkende Udo Wolf.
       
       Aufbruchstimmung und die Hoffnung, im bevorstehenden Wahlkampf neue
       WählerInnen gewinnen zu können, war spürbar auf dem Parteitag in Adlershof.
       Derzeit sehen Umfragen die Linke einen Punkt unter ihrem angestrebten
       Wahlziel von 15 Prozent. 2011 bekam die Partei nach zehn Jahren
       Regierungsbeteiligung nur noch 11,7 Prozent. Eingetreten in die rot-rote
       Koalition war sie 2001 mit 22,6 Prozent.
       
       Inhaltlich dominierten zwei Themen den Vorwahlkampf-Parteitag: Flüchtlings-
       und Bildungspolitik. Letztere war der erfolgreichste Bereich linker
       Einflussnahme in der rot-roten Regierung. Abschaffung der Haupt-,
       Einführung der Gemeinschaftsschulen: Damit drückte die Linke in ihrer
       Mitregierungszeit Berlins Bildungslandschaft ihren Stempel auf. Gegen den
       erklärten Willen der CDU, unter deren Koalitionsbeteiligung Bildungspolitik
       nun quasi nicht mehr stattfindet.
       
       ## Erfolgreiche Bildungspolitik
       
       Was der Linkspartei Hoffnung gibt, an dieses Thema und ihre damit
       verbundenen Erfolge ab Ende 2016 wieder anknüpfen zu können. Tatsächlich
       erfreuen sich etwa die von der Linkspartei eingeforderten
       Gemeinschaftsschulen großer Beliebtheit auch bei Eltern, die der Linken
       sonst kaum nahe stehen.
       
       Das derzeit die Stadt dominierende Thema Flüchtlingspolitik ist hingegen
       ein durchaus heikles Thema für die Partei. In Berlin ist sie für die
       Aufhebung der jüngsten Asylrechtseinschränkungen und gegen eine
       Einschränkung der Zugangszahlen. Gleichzeitig muss sie Teilen ihrer
       Klientel vermitteln, in Flüchtlingen nicht nur Angst machende Konkurrenz um
       Wohnungen und Arbeit zu sehen. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass die
       Partei neben oppositioneller Anklagerhetorik (“Versagen des Senats!“) in
       Sachen Flüchtlingsintegration arbeits- und stadtentwicklungspolitisch in
       die Zukunft denkt.
       
       Auf dem Parteitag war von Angst vor Flüchtlingen nichts zu spüren. Im
       Gegenteil: Thiery Danchop und Ervis Mecalla – der eine Flüchtling aus
       Kamerun, der andere aus Albanien – wurden als Neumitglieder der Partei mit
       Standing Ovations begrüßt. Beifall bekamen auch andere Gäste: Martin Delius
       und Oliver Höfinghoff von den Piraten, möglicherweise auch eine Art
       Flüchtlinge.
       
       ## Warnung vor der AfD
       
       Im parteiinternen Streit über eine frühe Koalitionsaussage versus
       eigenständiger Profilierung kam der entscheidende Hinweis auf dem Parteitag
       von einem weiteren Gast: Doro Zinke, Vorsitzendes des Landesverbands des
       deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Sie sieht vor dem Hintergrund des
       Erstarkens der AfD „tiefdunkelschwarz“ für die Stimmung in Deutschland.
       Angesichts solcher Herausforderungen von rechts möge die Linke in Sachen
       Koalitionsaussage doch „bitte nicht so fiselig sein“.
       
       22 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alke Wierth
       
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