# taz.de -- Die Wahrheit: Muttitasking
       
       > Die deutsche Mutti kann gleichzeitig kotzen und über den Einkauf von
       > morgen nachdenken und ist überhaupt unglaublich.
       
       Frauen sind angeblich begnadete Multitaskerinnen, während Männer schon mit
       Geradeausgehen und dabei Atmen Probleme haben sollen. Stimmt natürlich gar
       nicht. Ich kenne wenigsten einen Mann, der oft und gern telefoniert,
       während er Auto fährt. Andererseits ist das kein gutes Beispiel, denn das
       Wort „task“ bedeutet ja, dass es sich um eine Aufgabe handelt, und während
       „Irgendwo ankommen“ meinetwegen eine Aufgabe sein kann, wenn wir den
       Task-Level niedrig genug ansetzen, ist „Bekannte vollquatschen, weil man
       sich im Stau langweilt“ eher keine, oder jedenfalls keine, deren
       Bewältigung irgendwie zur Weltverschönerung beiträgt.
       
       Andere banale Tätigkeiten lassen sich leicht aufwerten, indem man
       gleichzeitig das Smartphone checkt. Mit einem Auge fernsehen, dabei die
       Katze streicheln, die Blumen duschen und nebenher bloß nix aus der
       Community verpassen. Früher war übrigens alles besser: Seminare anhören und
       dabei stricken. Vielleicht noch gleichzeitig rauchen! Bahnfahren mit
       Lektüre oder auf der Wiese sitzen und gleichzeitig den Sonnenuntergang
       anglotzen – das sind leider Mehrfachbeschäftigungen, die heute ganz out
       sind. Jede Frauenzeitschrift hat da Tipps, wie man es besser macht.
       
       Ein williges Opfer für die Knechtung durch Selbstoptimierung ist nämlich
       die deutsche Mutti. Mehrere Dinge gleichzeitig tun, ist quasi ihre
       Existenzberechtigung. Bügeln beim Vokabelabhören, Hintern abwischen und
       nebenher Kuchenteig umrühren, den Stromversorger wechseln und dabei Spaß am
       Sex haben. Und alles von morgens bis abends. Berufstätige Muttis machen
       darüber hinaus telefonische Termine mit dem Kinderarzt aus, während sie am
       Steuer ihre E-Mails checken. Das nennt man Muttitasking.
       
       Ich als Spitzenmutti mache zum Beispiel beim Zähneputzen Yogaübungen und
       singe am Kochtopf das Weihnachtskonzertprogramm einmal durch. Die Familie
       muss klaglos zuhören und den ganzen Schmonzes essen, was unter Umständen
       das härtere Multitasking sein könnte. Ich kann sogar, wie ich neulich
       feststellen musste, zeitgleich kotzen und über den Einkauf von morgen
       nachdenken.
       
       Andererseits kriege ich ohne Zettel überhaupt nichts mehr hin, und an
       Aufgaben denken und sie gleichzeitig leserlich notieren, ist offenbar nicht
       meine starke Seite. Statt „Nicht vergessen!“ las ich neulich aus dem
       Gekrakel oben auf der Liste „Mittagessen!“, was zwar auch wichtig ist, aber
       von mir bisher noch nie verbummelt wurde.
       
       Meine Therapeutin hätte dazu gewiss etwas zu sagen. Leider habe ich keine,
       weil ich noch keine Sekundäraufgabe gefunden habe, die ich bei der Therapie
       mit erledigen kann, und so einen Monotaskscheiß kann ich mir nicht leisten.
       Bei meinem letzten Therapieversuch habe ich gleichzeitig einen
       Rekordversuch in Heulkrämpfen gestartet, aber nur, bis ich erfuhr, dass das
       keine olympische Disziplin ist. Außerdem wäre ich neugierig, was die
       Therapeutin so nebenher tut, wenn sie was notiert, ihren Urlaub planen? Hm,
       eigentlich egal – so lange sie nicht kotzt, ist mir alles recht.
       
       11 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Fischer
       
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