# taz.de -- Urteil zum Tragen des FDJ-Sonnensymbols: Im Westen geht die Sonne auf
       
       > Das Landgericht München spricht einen Mann frei, der des Zeigens
       > verfassungswidriger Zeichen angeklagt war. Das Zeichen war das
       > FDJ-Emblem.
       
 (IMG) Bild: Im Kostümfundus eingelagert: Hemden der ehemaligen Jugendorganisation der DDR.
       
       MÜNCHEN taz | Das Landgericht München hat in zweiter Instanz ein Mitglied
       der Freien Deutschen Jugend freigesprochen. Wieder einmal ging es um die
       Frage, ob das öffentliche Zeigen der FDJ-Sonne verfassungswidrig ist oder
       nicht.
       
       Gleich zu Beginn lieferte sich die Verteidigerin einen Wortwechsel mit
       Richterin und Staatsanwalt. „Unglaublich, wie man hier in Bayern in
       Obrigkeitsmanier mit meinen Verteidigungsmitteln umgeht!“, zürnte die
       Hamburger Anwältin. Auf ihre Bitte hin hatte ihr Mandant, der 32-jährige
       Julian M., Aufkleber mit dem FDJ-Sonnensymbol zum Gericht mitgebracht.
       
       Prompt wurden die bei der Eingangskontrolle eingezogen. „Sie müssen eben
       Ihr Verteidigungsmaterial bei sich führen“, gab die Richterin zurück. Mit
       der Bemerkung, sie wolle nachher nicht die FDJ-Wapperl im Justizgebäude
       kleben sehen, reichte sie das Gewünschte zurück. Sie sagte das mit Blick
       auf die rund 20 Zuschauer aus der linken Szene. Einige, darunter auch
       längst Ergraute, trugen eine blau-gelbe Armbinde mit einem vage
       nachempfundenen FDJ-Zeichen.
       
       Der Angeklagte war im Juli 2015 vom Münchner Amtsgericht von dem Vorwurf,
       verfassungswidrige Kennzeichen verwendet zu haben, freigesprochen worden.
       Er hatte im Februar auf einer Demonstration anlässlich der
       Nato-Sicherheitskonferenz eine FDJ-Fahne hochgehalten. Weil aber die
       Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt hatte, muss sich der Historiker
       nun vor dem Landgericht verantworten.
       
       ## Absurde Rechtslage
       
       Verteidigt wurde er von Gabriele Heinecke, die auch Mitglieder des
       Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD (AB) vertritt. Der AB, eine der
       letzten noch aktiven K-Gruppen aus den 70er Jahren, hat seinen Schwerpunkt
       in Bayern. Dort beschäftigt er seit Jahrzehnten die Justiz durch das Tragen
       von FDJ-Hemden und -Emblemen.
       
       Hinter dem Prozess steckt eine absurde Rechtslage. Da ist einmal das Verbot
       der FDJ-West seit 1951, ein Relikt des Kalten Krieges. Die FDJ-Ost ist
       erlaubt, weil mit dem Einigungsvertrag alle in der DDR legalen
       Organisationen auch im wiedervereinigten Deutschland weiterexistieren
       durften. Die Zeichen beider Vereinigungen sind identisch. Wer entscheidet
       jetzt, wann es sich um die Ost- oder die West-Sonne handelt? „Wenn Frau
       Merkel hier im FDJ-Blauhemd auftauchen würde, ist das dann erlaubt, weil
       sie auf DDR-Territorium geboren wurde?“, spottete die Verteidigung.
       
       Überhaupt sei das FDJ-West-Verbot anachronistisch. „Nur weil die Alliierten
       in der jungen Bundesrepublik damals an dem alten Personal in der Justiz
       festgehalten haben, darunter viele NSDAP-Mitglieder, konnte es zu einem
       Verbot kommen, das ausgerechnet den Personenkreis verfolgt, der sich
       während des deutschen Faschismus im Widerstand befunden hatte.“
       
       ## Richterin verweist auf Meinungsfreiheit
       
       Der Angeklagte, der im FDJ-Blauhemd vor Gericht erschienen war, sagte, für
       ihn gebe es nur eine FDJ. Um aber zu beweisen, als wie wenig gefährlich
       sogar in Bayern die inzwischen empfunden werde, legte er ein Foto vor.
       Darauf er selbst mit der FDJ-Fahne in der Hand am Gedenktag des
       Bombenanschlags auf dem Oktoberfest Ende September.
       
       Nur wenige Meter vor ihm stehen der bayerische Innenminister Joachim
       Herrmann, Münchens Oberbürgermeister sowie mehrere Polizeibeamte. Dort sei
       er schließlich auch nicht festgenommen worden, so Julian M. Als die
       Verteidigerin einem als Zeugen geladenen Polizisten diverse FDJ-Aufkleber
       zeigte, wusste der so gut wie nichts zu der Organisation zu sagen.
       Sozialadäquanz sei also angebracht, meinte die Verteidigung. Das bedeutet,
       dass eigentlich strafbare Handlungen straflos bleiben, weil sie allgemein
       als unbedeutend empfunden werden.
       
       Der Staatsanwalt forderte eine Geldstrafe von 1.000 Euro. Er verwies auf
       eine Gesetzesergänzung aus den 90er Jahren, nach der auch das Zeigen von
       Symbolen verboten sei, die dem Original ähnlich sehen. Man könne Zeichen
       nicht beliebig umwidmen, sagte er. „Das Hakenkreuz ist ja auch dann
       verboten, wenn jemand behauptet, es stünde für etwas anderes als
       Rechtsextremismus.“
       
       „Sie reden am Thema vorbei!“, erwiderte die Verteidigerin. Die erwähnte
       Ergänzung sei zur Bekämpfung eines neu aufgeflammten Rechtsextremismus
       geschrieben worden. Und wenn das FDJ-Zeichen identisch mit dem der
       Westorganisation sei, die es ja physisch ohnehin nicht mehr gebe, müsste
       man im Zweifel das Gesetz zugunsten des Angeklagten auslegen. Dieser
       Argumentation folgte auch die Richterin mit dem Verweis auf die
       Meinungsfreiheit, zu der es auch gehöre, seine Haltung auf der Straße
       mittels Symbolen kundzutun. Dass die Staatsanwaltschaft aber in Berufung
       geht, ist wahrscheinlich.
       
       4 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) margarete moulin
       
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