# taz.de -- Wahl in Tansania: Frust über Armut und Korruption
> Nach über 50 Jahren an der Macht könnte die Partei des Freiheitshelden
> Julius Nyerere abgewählt werden. Doch die Strategie der Opposition birgt
> Risiken.
(IMG) Bild: Edward Lowassa, Spitzenkandidat der Opposition, bei seinem Eintreffen im südtansanischen Mbeya.
Arusha taz | Am Ende des Tages sind die Bars entlang der Hauptstraße von
Arusha voller junger Menschen. Das Bier fließt reichlich. Gebratenes Huhn
fliegt in hohem Tempo vom Grill. Junge Frauen tragen Kleider in den
Parteifarben der Opposition. Wenn der grauhaarige Präsidentschaftskandidat
Edward Lowassa oder andere Oppositionspolitiker im Fernsehen erscheinen,
gibt es Jubel und ohrenbetäubendes Hupen der Vuvuzelas.
Es herrscht große Aufregung im sonst verschlafenen Tansania. Die Wahlen am
kommenden Sonntag können historisch werden, weil es die reale Möglichkeit
gibt, dass zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit 1961 die sozialistische
Regierungspartei CCM (Partei der Revolution) verliert. „Ich wurde unter der
Herrschaft der CCM geboren und habe nicht die Absicht, darunter auch zu
sterben. Veränderung ist notwendig“, artikuliert der Student Bob Kaheta die
Meinung vieler.
Mehr und mehr der rund 50 Millionen Tansanier sind es satt, dass es trotz
guter Wachstumsraten keine Aussicht auf Verbesserung des Lebens der
Durchnittsbürger gibt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung muss nach wie
vor von höchstens einem Euro pro Tag leben, die Grenze zur absoluten Armut.
Arbeitslosigkeit ist hoch, die grassierende Korruption in der Regierung
lässt viele Tansanier der Regierungspartei und dem bisherigen Präsidenten
Jakaya Kikwete, der nicht wieder kandidiert, den Rücken kehren.
Vor zehn Jahren bekam die CCM noch 80 Prozent der Stimmen. Bei den letzten
Wahlen im Jahr 2010 waren es 60 Prozent. Jetzt wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen
erwartet. Nur die konservative Landbevölkerung, mit dem Establishment
vernetzte Geschäftsleute und ältere Menschen stehen immer noch loyal zur
Partei, die einst der afrikaweit verehrte Unabhängigkeitsheld Julius
Nyerere gründete.
Der Norden Tansanias um Arusha ist traditionell eine Hochburg der
Opposition. Mopedtaxis fahren fast alle herum mit der rot-weiß-blauen Fahne
der Chadema (Partei der Demokratie), der größten Partei der
Oppositionskoalition. Riesige Banner zeigen ihren Kandidaten Lowassa.
Lowassas Chancen sind auch deshalb gut, weil er noch zu Jahresanfang als
der kommende Präsidentschaftskandidat der CCM galt. Aber die Partei war
sich uneinig und nach viel Gerangel erhielt keiner der Favoriten die
Nominierung. Spitzenkandidat wurde der weithin unbekannte
Straßenbauminister John Magufuli. Empört liefen Lowassa und andere
CCM-Schwergewichte zur Opposition über, wo sie mit offenen Armen empfangen
wurden.
Aber es gibt Haken. Der wichtigste Slogan der Opposition lautet: „Kampf
gegen Korruption“. Aber Lowassa wurde während seiner kurzen Zeit als
Ministerpräsident mit einem gigantischen Korruptionsskandal in Verbindung
gebracht: Die US-Firma Richmon lieferte im Jahr 2006 bestellte
Stromgeneratoren nicht, doch Lowassa bezahlte sie trotzdem und versuchte,
den Vertrag zu verlängern, bis die Empörung zu groß wurde und er abtreten
musste. Heute sagt er, man habe ihn damals falsch informiert.
## „Wir behalten einander im Auge“
„Die Opposition untergräbt ihre eigene Antikorruptionsagenda“, meint dazu
Politikwissenschaftler Mike Kiishweko. „Das liefert der CCM Munition.“
Deren Kandidat Magufuli sagt, mit Lowassa hätten korrupte Elemente die
Regierungspartei verlassen. Das jüngste Mitglied des tansanischen
Parlaments ist Joshua Nassari. Er gehört zur Opposition und glaubt an
Lowassas Unschuld. Außerdem: „Wenn wir gewinnen, ist die gesamte Opposition
in der Regierung. Wir behalten einander im Auge.“
Nassari gibt Anweisungen für den Aufbau einer Bühne, von der er und Lowassa
vor einer Menschenmenge sprechen werden. Der 30-jährige Abgeordnete ist
sich seiner Wiederwahl fast sicher. Er ist nicht nur in seinem Wahlkreis
bei Arusha beliebt, sondern wird landesweit als Vertreter der Jugend
anerkannt. Auf der Veranstaltungswiese sieht Nassari in Anzug und Krawatte
ganz anders aus als die anderen jungen Menschen in Jeans und T-Shirts. Aber
viele begrüßen ihn wie einen Freund. Er ist einer von ihnen.
Nassari erklärt die Flucht von Politikern zur Opposition mit Worten des
Landesvaters. „Julius Nyerere hat selbst gesagt, dass Menschen, die
Veränderung wollen und diese nicht in der CCM finden, sie woanders suchen
sollen.“
25 Oct 2015
## AUTOREN
(DIR) Ilona Eveleens
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