# taz.de -- Woche der seelischen Gesundheit: Neue Impulse für die Psychiatrie
       
       > Die Bremer Psychatrie ist in der Woche der Seelischen Gesundheit
       > bemerkenswert selbstkritisch. Nach der Reform gilt: Es ist besser, aber
       > nicht gut.
       
 (IMG) Bild: Oft verschwiegen: Essstörungen sind auch für Jungs ein Problem.
       
       Bremen taz | Das erste Wort auf der diesjährigen [1][Woche der Seelischen
       Gesundheit] hatten die Psychiatrieerfahrenen selbst. Und es zeugt doch von
       selbstkritischem Anspruch, dass die Veranstaltungsreihe unter dem Label des
       Bremer Klinikverbundes mit der Forderung nach einer unabhängigen
       Beschwerdestelle beginnt.
       
       Nach rund 40 Jahren Psychiatriereform gilt heute: Es ist alles besser, aber
       nichts so richtig gut. Viele der auf unzählige Pflegeeinrichtungen,
       Kliniken und ambulante Versorger verteilten PatientInnen finden keinen
       verlässlichen Ansprechpartner, wenn es Probleme gibt – von Extremfällen wie
       Gewalt oder Zwangsmedikation bis zu vermeintlichen Kleinigkeiten wie
       schlechtem Essen oder einer vom Pflegepersonal verschleppten Zeitung.
       
       Gerade diese Alltagserfahrungen sind bestimmend für den Heilerfolg einer
       psychiatrischen Behandlung. Auch darum wird die unabhängige Fürsprache- und
       Beschwerdestelle für psychisch Erkrankte (UFB) neben Fachkräften mit
       medizinischer Ausbildung auch von PatientInnen und Angehörigen besetzt,
       erläutert Gerlinde Tobias. Das Konzept nach Berliner Vorbild steht bereits,
       gerade bemühen sich die InitiatorInnen um die Finanzierung.
       
       In der Tat sind bereits existierende Patientenberatungen kaum auf die
       besonderen Probleme der Psychiatrie eingestellt. Betroffene sprechen von
       Misstrauen an ihrer Zurechnungsfähigkeit. In der UFB soll hingegen gelten:
       „Wer zu uns kommt, hat erst mal Recht“, sagt Mit-Initiator Jürgen Karwath.
       
       Im weiteren Verlauf soll dann gemeinsam entschieden werden, ob entweder
       zwischen Pflegeeinrichtung und PatientIn vermittelt werden soll – oder ob
       juristische Hilfe ins Boot geholt wird.
       
       Am Klinikum Bremen Ost gibt es bereits eine Anlaufstelle für psychiatrische
       PatientInnen: Detlef Tintelott, der hier an zwei Tagen pro Woche
       ehrenamtlich als Fürsprecher arbeitet. Die Zusammenarbeit mit der Klinik
       funktioniere gut, sagt er.
       
       Er hat einen runden Tisch mit ÄrztInnen und Pflegedienstleitung ins Leben
       gerufen und unterstützt etwa Betroffene von Zwangsmedikation. Weil seine
       Arbeit aber auf diese Klinik beschränkt ist und er letztlich auf deren
       Unterstützung angewiesen bleibt, begrüßt auch Tintelott die UFB.
       
       Koordiniert wird die Woche der Seelischen Gesundheit auch von der
       [2][Kulturambulanz.] Ihr Leiter Achim Tischer erläutert, warum auch die
       Krankenhäuser von der Beteiligung Betroffener profitieren: „Das gibt neue
       Impulse in die Kliniken“, denn Professionelle im psychiatrischen System
       wüssten oft gar nichts von den Selbsthilfeinitiativen.
       
       Die Kulturambulanz mit ihren Ausstellungsräumen im Park hinter dem Klinikum
       Ost ist selbst Teil der sich öffnenden Krankenhäuser – ein Begegnungsort
       für PatientInnen, Personal und Besuch von draußen.
       
       Hier ist auch die Ausstellung „Klang meines Körpers“ zu sehen. Im Rahmen
       einer Musiktherapie haben Jugendliche ihre Essstörungen künstlerisch
       aufgearbeitet. Auffällig ist, wie die auf Schautafeln herausgearbeiteten
       Warnzeichen dem entsprechen, was gleichzeitig gesellschaftliche Norm ist:
       „Perfektionismus“ etwa, „häufige Diäten“ oder das auswendige Beherrschen
       von Nährwertetabellen.
       
       Wo Krankheit anfängt, ist die zentrale Frage der Aktionswoche.
       „Lebenskrisen zu akzeptieren und die Grenze aufzuweichen hat bereits etwas
       Entstigmatisierendes“, sagt Peter Kruckenberg von der Deutschen
       Gesellschaft für Soziale Psychiatrie, die ebenfalls zu den Veranstaltern
       zählt.
       
       9 Oct 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://aktionswoche.seelischegesundheit.net/bremen-archiv
 (DIR) [2] http://www.kulturambulanz.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan-Paul Koopmann
       
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