# taz.de -- Die Wahrheit: Unsere täglich Kartoffel gib uns heute
       
       > Für Iren ist die knuffige Knolle nicht nur ein Nahrungsmittel. Sie ist
       > eine Märtyrerin. Nichts kann die Liebe zum Erdapfel trüben, fast nichts …
       
 (IMG) Bild: Will keiner haben: von Würmern befallene Kartoffel
       
       Die Deutschen haben am Samstag ihren Einheitstag gefeiert. Ein weit
       bedeutenderes Ereignis fand bereits einen Tag zuvor in Irland statt: der
       nationale Tag der Kartoffel. Der Erdapfel ist das wichtigste Nahrungsmittel
       auf der Grünen Insel, jeder Ire und jede Irin verspeist davon 85 Kilo im
       Jahr – mehr als zweieinhalb Mal so viel wie im weltweiten Durchschnitt.
       
       In welchem anderen Land werden einem denn Pommes frites zur Pizza gereicht?
       Manchmal ist die Pizza gar mit Kartoffelscheiben belegt. Auch zur Lasagne
       gibt es Kartoffeln, denn sonst gilt das italienische Nudelgericht nicht als
       Mittagessen. Sonntags wird in 97 Prozent der Haushalte das irische
       Dreierlei serviert: Röstkartoffeln, Püree und Pommes. 2014 gaben die Iren
       165 Millionen Euro für die Grundbirnen aus, wie sie manchmal genannt
       werden. Laut einer Umfrage der Firma Keogh würden 91 Prozent der Iren
       Kartoffeln als Henkersmahlzeit wählen.
       
       Woher kommt die Besessenheit? Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die
       Kartoffelernte in vier aufeinanderfolgenden Jahren von der Kartoffelpest
       vernichtet. Die britische Regierung exportierte dennoch weiterhin Vieh,
       Getreide und andere Lebensmittel nach Großbritannien. Eine Million Menschen
       verhungerte, eine weitere Million musste auswandern. Die katholische Kirche
       soll bei dem Genozid kollaboriert haben: Die Historikerin Niamh Connolly
       erklärte, dass die Geistlichen Kartoffeln in Kissen versteckten, sie ins
       Ausland schmuggelten und dort auf Kartoffeljahrmärkten verkauften. Der
       Papst soll damals viele Fabriken, in denen Kartoffeln hergestellt wurden,
       geschlossen und sie in Kinderknäste umgewandelt haben.
       
       Seitdem wird die Kartoffel in Irland als Märtyrerin verehrt. Am Nationalen
       Kartoffeltag durften Städter sie auf dem Land ausbuddeln, Restaurants
       veranstalteten Kartoffel-Verkostungen und in Ardmore wurden Führungen durch
       eins der letzten Kartoffelbergwerke Irlands angeboten. Die Zukunft der
       Bergwerke ist durch Billig-importe aus China gefährdet.
       
       Schon die Kleinsten sollen an die Knolle herangeführt werden. In Ashbourne
       nördlich von Dublin gibt es einen Vergnügungspark, bei dem sich alles um
       die Kartoffel dreht. Der „Taytopark“ wird von der Kartoffelchipsfirma Tayto
       betrieben. Mister Tayto, ein als „Potayto“ verkleideter Mann mit blauer
       Krawatte, rotem Jackett und schwarzem Hut, fungiert als irische Mickymaus.
       
       Bei all dem werden jedoch die Suchtgefahren übersehen, warnte ein
       Nachrichtenportal aus Waterford: Jedes Jahr sterben Dutzende von Menschen
       an einer Überdosis, und so manche Ehe sei an der Sucht gescheitert. Einer
       berichtete in einer Selbsthilfegruppe, dass ihn seine Frau verlassen habe,
       weil er Eiscremetüten mit Kartoffelbrei gefüllt habe. Ein anderer habe
       seine Freundin hinausgeworfen, weil sie behauptet habe, Blumenkohlpüree
       schmecke wie Stampfkartoffeln. Auf den Nationalen Kartoffeltag am Freitag
       soll im November der Kartoffelsuchtbewusstseinsmonat folgen.
       
       4 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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