# taz.de -- Demos gegen Flüchtlinge: Nazis laufen undercover
       
       > In Boizenburg dominiert die NPD den MVgida-„Spaziergang“. Gegenprotest
       > fehlt. In Mecklenburg marschieren vielerorts „Asylkritiker“ auf.
       
 (IMG) Bild: Logos abgeschnitten: DemonstrantInnen tragen NPD-Parolen durch Boizenburg – rechtsaußen Udo Pastörs.
       
       BOIZENBURG taz | „Die Merkel muss weg!“, „Wir sind das Volk!“ tönt der
       Tross. Einzelne skandieren „Lügenpresse“ und „Merkel – Volksverräterin“.
       Über den Lautsprecherwagen gibt Andreas Theißen den Ton vor: „Sigmar
       Gabriel“ ruft er und die Menge stimmt ein „muss weg weg“, „Claudia Roth“,
       auch sie „muss weg weg“.
       
       Es ist Montagabend in Boizenburg. In der kleinen Stadt in Westmecklenburg
       ist MVgida aufmarschiert. Die fromme Hoffnung, die selbsternannte
       „Unabhängige Bürgerbewegung für Demokratie“ würde sich nach der Sommerpause
       auflösen, hat sich nicht erfüllt. In mehreren Städten des Bundeslandes ist
       sie längst wieder auf die Straße gegangen gegen die angebliche „Asylflut“
       und „Islamisierung des christlichen Abendlandes“.
       
       „Die gesamte Szene hat nur noch ein Thema Asyl und Flucht“, sagt Laura
       Schenderlein vom Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg.
       Sie nutze die politische Unsicherheit aus.
       
       Am Sonnabend hatten in der Landeshauptstadt Schwerin 600 Männern und Frauen
       an einem MVgida-Spaziergang teilgenommen – unter ihnen der
       NPD-Landtagsfraktionschef Udo Pastörs, dessen Mitarbeiter Theißen und
       Fraktionsmitarbeiter Michaeal Grewe. Unter den Slogan „Schwerin wehrt sich“
       wird weiter für Aktionen geworben.
       
       Bereits am 16. September hatten etwa 110 bekennende Rechtsextreme und
       „Asylkritiker“ unter dem Motto „Wismar wehrt sich“ im Stadtteil Friedenshof
       demonstriert. An der Strecke bepöbelten sie Journalisten und
       Flüchtlingsunterstützer. Torsten Schramke, der MVgida-Aufmärsche in
       Schwerin verantwortet, heizte die Stimmung mit David Bühring an.
       
       In Boizenburg lief der MVgida-Zug begleitet von der Polizei durch fast
       leere Straßen. Kein Protest war sichtbar, keine Antinazi-Parole zu hören.
       Am Rande der Route begrüßten einzelne Passanten Mitmarschierende und
       entschuldigten sich dafür, dass sie sich nicht einreihten.
       
       Theißen hatte die „lieben Freunde“ bei einbrechender Dunkelheit auf dem
       Marktplatz begrüßt. Unter Applaus rief er, dass die Kriegsflüchtlinge
       Wirtschaftsflüchtlinge seien. In die Runde blickend, sagte er weiter, dass
       zwar in Schwerin am 19. September doppelt so viele besorgte Menschen für
       ihre Zukunft, Heimat und Volk auf die Straße gegangen seien. 300 Teilnehmer
       seien für Boizenburg aber ein großer Erfolg.
       
       Die NPD war bemüht, nicht gleich mit ihrem Logo sichtbar den Spaziergang zu
       bestimmen. Keine Parteifahne wehte im Wind. Die Partei beschnitt sich für
       den Schein einer vermeintlich unparteiischen Veranstaltung selbst. Plakate
       wie „Asylflut stoppen“ und „Es ist Zeit zu rebellieren“, die junge Frauen
       hochhielten, hatten ein unübliches Format. Die Stellen, wo sonst der
       Parteiname zu sehen gewesen wäre, waren abgeschnitten.
       
       In der Stadt mit rund 10.000 Einwohnern schien diese Zurückhaltung nicht
       nötig. Freundlich bis herzlich begrüßten sich die vermeintlichen Retter und
       Retterinnen des Abendlandes. Da wurde Theißen herzlich die Hand geschüttelt
       und dem NPD-Fraktionsmitarbeiter Grewe kräftig auf die Schulter geklopft.
       Berührungsängste mit der NPD – hier nicht.
       
       Die „Qualitätsmedien“, schimpfte Theißen, würden „Jagd“ auf die Kritiker
       des „Asylwahnsinns“ und diejenigen machen, die vor einem „Austausch der
       Bevölkerung“ warnten. Die Stadt sei durch das Erstaufnahmelager im nahen
       Ort Horst besonders von dem Problem der vielen „Asylanten“ betroffen, sagte
       er.
       
       Horst ist keine zehn Autominuten von Boizenburg entfernt. Mitten im
       Nirgendwo liegt die Erstaufnahmeeinrichtung in der zur Zeit mehr als 600
       Männer, Frauen und Kinder untergebracht sind. Aus Sorge vor Übergriffen
       hatte der Flüchtlingsrat Hamburg sich zum Termin des MVgida-Spaziergangs
       mit Unterstützern zu der Einrichtung aufgemacht.
       
       Am 26. September marschieren die Rechtsextremen wieder in Wismar. Weitere
       Termine sind für die Region sind angekündigt.
       
       22 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
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