# taz.de -- 315. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Plädoyer – Freispruch
       
       > FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka ist „kein „Terrorist, kein
       > Kriegsherr, sondern Politiker“, erklärt seine Verteidigerin im
       > Abschlussplädoyer.
       
 (IMG) Bild: 4. Mai 2011: die gefesselten Hände von Ignace Murwanashyaka.
       
       Stuttgart taz | Freispruch für Ignace Murwanashyaka: Das fordert die
       Verteidigerin des vor dem OLG Stuttgart angeklagten Präsidenten der im
       Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur
       Befreiung Ruandas) in ihrem Schlussplädoyer.
       
       Nachdem die Vertreter des Generalbundesanwalts beim Plädoyer der Anklage am
       15. Juli acht Stunden gebraucht hatten, um ihre Forderung nach fünffacher
       lebenslanger Haft zu begründen, nimmt sich Rechtsanwältin Ricarda Lang am
       3. August gerade mal eine halbe Stunde Zeit, um die Anklage der
       Verantwortung für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
       nach dem Völkerstrafgesetzbuch sowie Rädelsführerschaft einer
       terroristischen Vereinigung zurückzuweisen.
       
       Der 5. Strafsenat des OLG Stuttgart habe in über vierjähriger Verhandlung
       bereits 11 der 16 Anklagepunkte gegen Murwanashyaka fallengelassen und
       zuletzt in einem rechtlichen Hinweis eine Verurteilung lediglich wegen
       „Beihilfe für Kriegsverbrechen“ in Aussicht gestellt, resümiert Lang.
       „Gehen Sie nun noch den letzten Schritt und sprechen Sie den Angeklagten
       frei“, fordert die Verteidigerin.
       
       Es gehe nicht darum, ein „moralisches“ Urteil zu fällen, erinnert die in
       Terrorismusverfahren erfahrene Rechtsanwältin. Vertreter der Vereinten
       Nationen und der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hätten vor
       Gericht die „Wahrheit der Herrschenden, der Sieger, der Schwarmintelligenz“
       dargelegt - „sie wissen immer, wer die Guten und wer die Bösen sind“ - aber
       „in einem Strafverfahren darf diese Wahrheit, die allein von
       geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen geleitet ist, keine Rolle
       spielen.“
       
       Zu einer Verurteilung wegen Verantwortung für Kriegsverbrechen als
       militärischer Befehlshaber unter §4 des Völkerstrafgesetzbuchs VStGB, wie
       es die Anklage möchte (“Ein militärischer Befehlshaber oder ziviler
       Vorgesetzter, der es unterlässt, seinen Untergebenen daran zu hindern, eine
       Tat nach diesem Gesetz zu begehen, wird wie ein Täter der von dem
       Untergebenen begangenen Tat bestraft“), gebe es keinen Anlass, so Lang.
       
       ## Oberbefehlshaber der FOCA
       
       §4 VStGB fordere „vorsätzliche unterlassene Verbrechensverhinderung durch
       den Vorgesetzten“. Dafür müsse erwiesen sein, dass Völkerstraftaten
       begangen wurden; dass der Vorgesetzte tatsächlich der Vorgesetzte des
       Täters war; und dass der Vorgesetzte verhindert habe, dass diese Taten
       nicht begangen werden. Nichts davon sei der Fall.
       
       Der Zivilpolitiker Ignace Murwanashyaka sei als Präsident der FDLR zwar
       Oberbefehlshaber des militärischen Flügels FOCA (Forces Combattantes
       Abacunguzi), aber seine „konkrete Funktion“ sei „nicht geklärt“: Ehemalige
       FOCA-Soldaten hätten vor Gericht ausgesagt, sie würden nur von Militärs
       Befehle annehmen.
       
       Der in Deutschland lebende FDLR-Präsident habe nicht über die „faktisch
       ausübbare Macht“ verfügt, seine im Kongo kämpfenden Soldaten an irgendetwas
       zu hindern. Es sei ihm bekannt gewesen, „dass er keine Befehlsgewalt
       hatte“; seine gegenteiligen Äußerungen waren „rein propagandistischer
       Natur“, damit er ernstgenommen wird. „Wir kennen das von vielen
       Politikern.“
       
       Es sei sowieso nicht erwiesen, dass Verbrechen an der Zivilbevölkerung zur
       Strategie der FDLR gehört hätten – eine solche Strategie sei im obersten
       FDLR-Führungsgremium CD (Comité Directoire) niemals kommuniziert oder zur
       Abstimmung gestellt worden, so Lang. Die Militärs in der FDLR, angefangen
       mit dem obersten Kommandeur im Kongo, General Sylvestre Mudacumura, würden
       sich von den FDLR-Politikern in Europa wie Murwanashyaka nichts sagen
       lassen und sich über diese „despektierlich geäußert“. Murwanashyaka habe
       als Präsident immer gute Beziehungen mit der kongolesischen
       Zivilbevölkerung und Einhaltung der FDLR-Gesetze gefordert.
       
       Den möglichen Vorwurf der „Beihilfe zur Kriegsverbrechen“ - den auch die
       Anklage für unsinnig hält, angesichts der Stellung des Angeklagten – hält
       Lang für unsinnig. Die einzig möglichen Beihilfehandlungen des Präsidenten
       wären die Bereitstellung von Telefoneinheiten für
       Thuraya-Satellitentelefone sowie das Verfassen von Pressemitteilungen
       gewesen. Aber: „FOCA brauchte weder Thuraya-Einheiten noch
       Presseerklärungen, um Straftaten zu begehen.“
       
       Dem Vorwurf der Rädelsführerschaft einer terroristischen Vereinigung im
       Ausland tritt Lang ebenfalls entgegen: damit die FDLR als „terroristische
       Vereinigung“ bezeichnet werden könne, müsse erwiesen sein, dass ihr „Zweck
       auf das Begehen von Straftaten“ ausgerichtet ist. Es reiche nicht, dass
       Straftaten verübt worden, sondern nötig ist die Feststellung, „dass das
       Ziel der FDLR war, Verbrechen nach dem VStGB zu verüben“.
       
       ## Freispruch gefordert
       
       Einzelne Taten einzelner Kämpfer oder Einheiten seien aber nicht der
       Organisation als Ganzes anzulasten. Sowieso sei nicht zweifelsfrei geklärt,
       ob die FDLR überhaupt jemals unbewaffnete Zivilisten getötet habe,
       behauptet Lang.
       
       „Ziel und Zweck“ der FDLR, so Lang, „war Anerkennung durch das neue
       ruandische Regime als Oppositionspartei und die Verfolgung sämtlicher
       Straftaten, die 1994 begangen wurden.“ Präsident Murwanashyaka „ist weder
       Terrorist noch Kriegsherr. Er ist Politiker, der eine politische Opposition
       vertritt.“ Was mögliche Verbrechen der FDLR angeht, wisse man letztendlich
       „nichts“, und daher: „Mein Mandant ist freizusprechen.“
       
       Falls nicht, hält es Ricarda Lang mit Fidel Castro. „Sie können meinen
       Mandanten verurteilen – die Geschichte wird uns recht geben. Mein Mandant
       wird rehabilitiert werden.“
       
       4 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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