# taz.de -- Nachhaltige Entwicklungsziele der UNO: Noch 15 Jahre bis zur guten Welt
       
       > Die Millenniumsziele der UNO werden nicht erreicht. Nun hat der
       > Staatenbund seine neuen „nachhaltigen Entwicklungsziele“ verabschiedet.
       
 (IMG) Bild: Hunger und Armut gibt es auch nach der Frist der Millenniumsziele noch
       
       Berlin taz | Zweieinhalb Jahre haben sie verhandelt, am Ende ging es um
       Kleinigkeiten wie: Sollen die Inselstaaten in Unterpunkt 13.b extra erwähnt
       werden oder nicht? In dem Paragrafen geht es um das Ziel,
       Entwicklungsländern dabei zu helfen, sich an den Klimawandel anzupassen.
       
       13.b ist Teil eines Papiers, das nichts Geringeres als eine wesentlich
       bessere Welt als heute verspricht, und zwar bis zum Jahr 2030. Am Sonntag
       verabschiedeten Vertreter der 193 Staaten der Vereinten Nationen diese
       neuen, jetzt „nachhaltig“ genannten Entwicklungsziele der Weltgemeinschaft,
       17 an der Zahl, aufgeteilt in 169 Unterziele. Die Agenda bricht mit der
       alten Logik von Entwicklungspolitik – hier die reichen Lehrmeister aus dem
       Norden, dort die Schüler aus dem armen Süden.
       
       Laut der Ziele müssen alle Staaten anders handeln und wirtschaften, um etwa
       Armut und Hunger zu beseitigen oder die Klimakrise zu lösen. Es geht um
       Grundlegendes wie Zugang zu sauberem Wasser und einer vernünftigen
       Toilette, genauso wie um nachhaltigen Konsum oder einen fairen Welthandel.
       
       „Wir brechen gemeinsam zu dieser großen Reise auf und versprechen, dass
       niemand zurückbleiben soll“, heißt es etwas pathetisch in der Präambel. Die
       Inselstaaten haben es es übrigens nicht in 13.b geschafft, dafür in viele
       andere Ziele.
       
       Können derartige Forderungen auf 29 Seiten die Welt verändern? Was bringt
       dieses Werk, das Ende September während der Feierlichkeiten zum 70.
       Geburtstag der Vereinten Nationen im Beisein der Staats- und
       Regierungschefs der Welt verabschiedet formal abgesegnet werden soll?
       
       ## Millenniumsziele fast und ungleich geschafft
       
       Bereits im Jahr 2000 hatten die UN die Vorgänger der jetzigen Agenda, die
       sogenannten Millennium-Entwicklungsziele, verabschiedet. Sie versprachen
       etwa, bis 2015 die Zahl der Hungernden zu halbieren oder die weltweite
       Kindersterblichkeit um zwei Drittel zu senken. Beides ist fast geschafft
       worden.
       
       Allein der in den Zielen propagierte Kampf gegen Tuberkulose hat laut UN 37
       Millionen Menschen das Leben gerettet. Allerdings sind die Erfolge extrem
       ungleich verteilt: In Subsahara-Afrika leben weiterhin fast 40 Prozent der
       Menschen in extremer Armut, hauptsächlich in Ostasien sind dank des
       Wirtschaftswachstum Hunderte Millionen Menschen aus extremer Armut befreit
       worden – jedoch bei gleichzeitig gravierenden ökologischen Problemen.
       
       Entwicklungsorganisationen kritisierten oft die Widersprüche in den alten
       Zielen: Was bringt eine neue Fabrik, die Menschen ein höheres Einkommen als
       1,25 Dollar beschert (was sie per Definition aus der Armut befreit), wenn
       für den Bau der Fabrik Bauern von ihren Ländern vertrieben werden?
       
       Die neuen Entwicklungsziele versuchen solche Widersprüche zu lösen.
       Wachstum ja, nur eben „nachhaltig“, mehr Welthandel, nur eben „fair“, mehr
       Energie für alle, nur wahlweise „modern“ oder „erneuerbar“.
       
       Dass darin Widersprüche eher formuliert als gelöst werden, darauf machte
       kürzlich etwa Klaus Töpfer aufmerksam, Exekutivdirektor des Institute for
       Advanced Sustainability Studies in Potsdam: „Die 17 SDGs sind dadurch eben
       nicht konsistent. Sie stellen viel mehr Anspruch an Biomasse und Böden, als
       wir tatsächlich zur Verfügung haben“, sagt er. SDGs steht für Sustainable
       Development Goals, nachhaltige Entwicklungsziele.
       
       ## Weltweit motivieren und inspirieren
       
       Zudem werden die Ziele keinerlei juristisch bindende Wirkung haben. Sie
       sind im Prinzip eine globale Absichtserklärung. Wäre das anders, hätten sie
       sofort massive Auswirkung, wenn sie am 1. Januar 2016 in Kraft treten. Ein
       Ziel ist etwa, dass sämtliche Exportsubventionen in der Landwirtschaft
       abgeschafft werden sollen – was besonders afrikanischen Ländern helfen
       würde, die unter mit Milliarden Euro bezuschussten Agrarimporten aus der EU
       leiden.
       
       Einzig: Die EU wird einen Teufel tun, ihre Subventionen abzubauen. Momentan
       passiert in Brüssel in Sachen neuer Entwicklungsziele nicht viel, außer
       dass der zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans seine Generaldirektionen
       Berichte erstellen lässt, was für Auswirkungen eine Umsetzung hätte.
       
       Den ersten Härtetest jedenfalls haben die reichen Länder kürzlich nicht
       bestanden: Auf einer UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis
       Abeba haben die Industrieländer eine wirkliche Neuordnung bei den globalen
       Finanzströmen verhindert. Was die Ziele deshalb vorerst vor allem sind:
       eine Art globaler Maßstab für eine gerechtere Welt, der sogar weltweit
       statistisch erfasst wird – und in jedem einzelnen Land immer wieder
       eingefordert werden kann und muss.
       
       Das World Ressources Institute, ein Thinktank in Washington, brachte es
       kürzlich so auf den Punkt: Die nachhaltigen Entwicklungsziele werden ohne
       Zweifel weltweit motivieren und inspirieren. „Aber ein warmer Wind wird uns
       nicht bis 2030 tragen.“
       
       3 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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