# taz.de -- Merkel und Gabriel zu Griechenland: Kein Kompromisswille erkennbar
       
       > Während Gabriel klare Worte findet, sendet Merkel widersprüchliche
       > Signale. Denn Griechenlands Scheitern wäre auch ihr Scheitern.
       
 (IMG) Bild: „Die Griechen sind ja noch unsere Freunde“ – Angela Merkel, die Chefin der passiv-aggressiven Diplomatie.
       
       BERLIN taz | Die Kanzlerin neigt in ihren Reden oft zu einer gewissen
       Vagheit. Als sie am Montag im Kanzleramt vor die Presse tritt, eine
       Dreiviertelstunde später als geplant, neben sich der Vizekanzler, wählt sie
       klare Worte. Die Währungsunion stehe angesichts der Entscheidung der
       griechischen Regierung vor einer „entscheidenden Herausforderung.“ Die
       EU-Institutionen seien mit ihrem großzügigen Angebot auf die Griechen
       zugegangen. „Europa kann nur funktionieren, wenn es kompromissfähig ist.“
       
       Damit ist klar, wer aus Merkels Sicht die Schuld für das Scheitern der
       Verhandlungen trägt: die linke Syriza-Regierung unter Premier Alexis
       Tsipras. Jener hatte die Verhandlungen mit der Euro-Gruppe am Wochenende
       abgebrochen, eine Volksabstimmung angekündigt und den griechischen
       BürgerInnen per Fernsehansprache ein Nein zu dem Kompromiss empfohlen.
       
       Dieser überraschende Zug führte am Montag in Berlin zu hektischer
       Krisendiplomatie. Merkel lud am Mittag zu einem parteiübergreifenden
       Gipfeltreffen ins Kanzleramt. Sie besprach mit Wirtschaftsminister Sigmar
       Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD), Finanzminister
       Wolfgang Schäuble und den Fraktions- und Parteivorsitzenden aller Parteien
       die Lage. Merkel tut, was sie tun muss in einer Situation, in der erstmals
       in der EU-Geschichte ein Staat ausscheiden könnte. Sie sammelt Truppen,
       schwört ein, ihre Anhänger wie ihre Kritiker – und verteilt Verantwortung
       für das, was nun kommen könnte.
       
       Am Dienstag um Mitternacht läuft die Frist für das zweite Hilfsprogramm
       aus. Die ausstehende Tranche in Milliardenhöhe braucht Griechenland
       dringend, um Forderungen von Gläubigern wie dem IWF zu bedienen. Es sei
       denn, das überschuldete Land kratzt noch Geld zusammen, um sich über die
       nächste Woche zu retten. Am Sonntag sollen dann alle wahlberechtigten
       Griechen über den Kurs Athens in der Europapolitik abstimmen. Das
       Kompromisspaket annehmen? Den Euro behalten? Oder lieber raus aus der
       Währungszone? Wie genau die Frage lauten wird, die Tsipras seinem Volk
       vorlegen will, ist offen.
       
       ## „Ja oder Nein zum Verbleib“
       
       In Berlin wird die Abstimmung als endgültige Positionierung zum Euro
       verstanden. Das macht SPD-Chef Gabriel klar, der nach Merkel redet, die
       Stimme ruhig, die Worte schneidend. Griechenlands Regierung verfolge eine
       Ideologie, die die Stabilität der Eurozone insgesamt in Frage stelle. Wenn
       die EU-Institutionen und die EU-Finanzminister diesem Druck gefolgt wären,
       wäre der Wirtschaftsraum in Gefahr geraten. Gabriels Fazit zum anstehenden
       Referendum lautet: „Im Kern geht es um die Frage: Ja oder Nein zum Verbleib
       in der Eurozone.“
       
       Während Gabriel minutenlang redet, schaut Merkel unbewegt, ihre Finger
       spielen mit einem Stift. Vielleicht geht Gabriel ihr rhetorisch zu weit,
       jedenfalls sendet sie bei der ersten passenden Reporterfrage beruhigende
       Signale. Sie sei gespalten bei dieser Frage, sagt sie. Eine Volksabstimmung
       sei natürlich legitim. Einerseits habe ihr Ausgang natürlich etwas mit der
       Zukunft Griechenlands im Euro zu tun. Andererseits ahne sie, dass die
       Bevölkerung sich selbst ein Urteil bilden wolle – ohne Druck. „Keiner will
       von außen das Abstimmungsverhalten mündiger Bürger eines stolzen Volkes
       beeinflussen.“
       
       Das stimmt natürlich so nicht. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker,
       der wie Merkel zu den Konservativen gehört, wirbt offen für ein Ja der
       Griechen zu Europa. Ebenso Martin Schulz, Sozialdemokrat und
       EU-Parlamentspräsident. Und Gabriel macht klar, was die Griechen bekommen
       hätten, wenn ihre Regierung den Kompromiss zum zweiten Hilfsprogramm
       angenommen hätten: In dem Fall hätte man über Milliardeninvestitionen und
       ein drittes Hilfsprogramm reden können. In Wirklichkeit läuft er also
       längst, der Wahlkampf vor der entscheidenden Abstimmung. Die Linksregierung
       Griechenlands gegen die wichtigsten Stimmen der EU.
       
       ## Viele Griechen wollen bleiben
       
       Merkel weiß, dass es bei alldem auch um den Erfolg ihrer Politik geht. Um
       das also, was irgendwann in den Geschichtsbüchern stehen wird. Denn die
       europäische Krise und der Umgang mit ihr war stets das bestimmende Thema
       ihrer Kanzlerschaft. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, diesen von ihr
       oft gesagten Satz wiederholt sie auch im Kanzleramt wieder.
       
       Schiede Griechenland sang- und klanglos aus, wäre das auch Merkels
       Scheitern. Auch wenn sich die Bundesregierung große Mühe gibt, den Griechen
       die Schuld zuzuschieben. Auch deshalb mühte sich Merkel stets, Optimismus
       auszustrahlen. Letzte Woche betonte sie noch: „Wo ein Wille ist, ist auch
       ein Weg.“
       
       Dieser Weg könnte nun so aussehen: Falls eine Mehrheit der Griechen am
       Sonntag dafür stimmt, dass ihr Land in der Eurozone bleiben soll, hätte
       Tsipras ein Problem. Schließlich hat dieser offiziell das Nein empfohlen.
       Würde er zurücktreten, könnte eine Nachfolgeregierung mit der EU neu
       verhandeln. Ganz unwahrscheinlich ist dieses Szenario nicht. In Umfragen
       spricht sich eine Mehrheit der Griechen für den Verbleib im Euro aus.
       
       29 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
 (DIR) Ulrich Schulte
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) Sigmar Gabriel
 (DIR) Griechenland
 (DIR) Währungsunion
 (DIR) Griechenland
 (DIR) Wehrmacht
 (DIR) Griechenland-Hilfe
 (DIR) Europäische Union
 (DIR) Griechenland-Hilfe
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
 (DIR) Griechenland
 (DIR) Griechenland
 (DIR) Griechenland
 (DIR) Griechenland
 (DIR) Griechenland
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Währungsunion und Griechenland: Angst ist stärker als Utopie
       
       Als die Währungsunion den Ossis die D-Mark brachte, wollten viele ihr Geld
       retten. Das ist menschlich und in Griechenland kaum anders.
       
 (DIR) Faktencheck Griechenland: Rotzfrech gelogen
       
       Nach dem Scheitern der Verhandlungen wurde Erstaunliches behauptet, vor
       allem von der EU. Manches stimmt schlicht nicht.
       
 (DIR) NS-Verbrechen in Griechenland: Kärtchen gegen das Vergessen
       
       Die Deutschen haben in der Zeit der Besatzung im Zweiten Weltkrieg Massaker
       auf Kreta verübt. Ein Künstler versucht, daran zu erinnern.
       
 (DIR) Sven Giegold über Griechenland-Krise: „Wo ist Frau Merkel jetzt?“
       
       Der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold erklärt, wie er als Grieche handeln
       würde und was die Kanzlerin lieber tut, als Europa zu retten.
       
 (DIR) Kommentar zur EU-Krise: Nicht Griechenland ist das Problem
       
       Wer auf eine offene Debatte über die Euro-Rettung für die schwächeren
       Mitglieder hoffte, wurde bitter enttäuscht. Nichts dergleichen ist
       passiert.
       
 (DIR) Kein Geld von Griechenland an den IWF: „Nein“ zur Zahlung, „Ja“ zum Euro
       
       Griechenland hat angekündigt, eine für Dienstag fällige Zahlung an den IWF
       nicht zu begleichen. In Athen demonstrierten tausende Anhänger der
       Regierung.
       
 (DIR) Sahra Wagenknecht über Griechenland: „Wie Antibiotika und Rattengift“
       
       Die Linken-Politikerin Wagenknecht fordert eine andere Griechenlandpolitik.
       Sie steht hinter der Syriza-Regierung und setzt auf neue Verhandlungen.
       
 (DIR) Debatte Griechenland und die EU: Häusliche Gewalt
       
       Der Umgang mit Griechenland gleicht dem alltäglichen Kleinfamiliendrama.
       Europa kuscht, Tante Lagarde mahnt, die Welt ist entsetzt.
       
 (DIR) Bankenschließung in Griechenland: Schon vor der Pleite ist das Geld weg
       
       Rentner erhalten keinen Cent Bargeld, die Buchhalterin kann keine Gehälter
       überweisen: Es herrscht Stillstand in Athen.
       
 (DIR) Kommentar Krise in Griechenland: Guter Bulle, böser Bulle
       
       Beim Statement zu Griechenland hatten Kanzlerin und Vize klar verteilte
       Rollen. Der Regierung ist nur noch die öffentliche Inszenierung geblieben.
       
 (DIR) Deutsche Wirtschaft und Griechenland: Noch wird geliefert
       
       Kein Crash an den Börsen, kein Aufschrei der Exporteure – doch das kann
       noch kommen. Die deutsche Wirtschaft hat den Grexit mental schon vollzogen.
       
 (DIR) Krise in Griechenland: Banken bleiben dicht
       
       Griechische Banken bleiben bis mindestens nach dem Referendum geschlossen.
       Der Regierung zufolge sind die Guthaben aber gesichert.
       
 (DIR) Pro & Contra Referendum Griechenland: Demokratie oder Irrsinn?
       
       In Griechenland soll das Volk abstimmen, ob es sparen will. Ist das eine
       Selbstverständlichkeit oder kompletter Wahnsinn?
       
 (DIR) Krise zwischen der EU und Griechenland: Offener Bruch
       
       Brüssel greift Athen an, Athen greift Brüssel an. Wie geht es weiter? Die
       Volksbefragung in Griechenland dürfte keine große Rolle spielen.
       
 (DIR) Parlament in Griechenland: Die Volksbefragung kommt
       
       Die Gespräche mit der Eurogruppe sind am Ende, das Parlament in Athen
       stimmte dennoch für ein Referendum über das Sparprogramm. Die EZB tagt
       heute.