# taz.de -- Chefdirigent der Berliner Philharmoniker: Der große Schweiger aus Omsk
       
       > Kirill Petrenko wird ab 2018 Nachfolger von Simon Rattle. Der neue
       > Dirigent ist sagenumwoben, vor allem wegen seiner Operinszenierungen.
       
 (IMG) Bild: Bald wird es deutlich mehr Agenturfotos von ihm geben: Kirill Petrenko dirigiert 2006 in der Komischen Oper.
       
       BERLIN taz | Wie anders es alles aussah, wie gelöst die fünf Herren der
       Berliner Philharmoniker und ihre Pressesprecherin am Montag mittag die
       Treppen im Foyer ihres Konzerthauses hinunterstiegen, fast -tänzelten. Ganz
       anders als am 11. Mai, als das Orchester bis in die Dämmerung hinein getagt
       hatte und danach als geknickter – und von manchen Interpretatoren als
       heillos zerstrittener – Haufen dargestellt wurde. Weil sie es [1][nicht
       geschafft hatten], ihren künftigen Chefdirigenten zu wählen, als Nachfolger
       für Sir Simon Rattle, der 2018 abtritt.
       
       Nun aber: Am Sonntag haben sie erneut beisammen gesessen und nach drei
       Stunden ihre Wahl getroffen, mit großer Mehrheit: Kirill Petrenko soll ihr
       neuer Chef werden, derzeit noch Generalmusikdirektor der Bayerischen
       Staatsoper in München, zur Zeit im Bergwerk Bayreuth probend für die
       Wagner-Festspiele. Petrenko hat, nachdem ihn der Anruf von
       Orchestervorstand Peter Riegelbauer ereilt hatte, ohne Zögern sein Ja-Wort
       gegeben. Er umarme das Orchester, habe er gesagt, um auf der
       Pressekonferenz noch etwas mehr verlesen zu lassen: Er fühle Euphorie und
       große Freude, Ehrfurcht und Zweifel, wisse um die Verantwortung und hohe
       Erwartungen.
       
       Momente des künstlerischen Glücks erhoffe er sich. Erleichterung auf allen
       Seiten also, in den Gesichtern zu sehen, aus wohlgewählten Worten
       herauszuhören. Petrenko, dieser sagenumwobene Dirigent, 1972 im sibirischen
       Omsk geboren, dort Klavier gelernt und als junger Mann mit seinen Eltern
       nach Vorarlberg in Österreich umgezogen, wo der Vater Orchestermusiker war.
       Ab 2001 Debuts an praktisch allen wichtigen Opernhäusern, von 2002 bis 2007
       fest als Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin, seit 2013 in
       München.
       
       Sein Wagner – nicht nur der – ist legendär, sein Umgang mit den Musikern
       gekennzeichnet von gemeinsamer Suche. Er befinde sich, hieß es einmal über
       ihn, stets mehr mit den Musikern im Stück, als dass er sie von außen
       anleitete.
       
       ## Eingeladen und abgesagt
       
       Und dennoch kommen Fragen auf: Ist Petrenko der richtige? Einer, der
       bislang vor allem Opern dirigiert hat und bei den Philharmonikern erst
       dreimal gastierte, einer auf den ein – allein medial konstruierter –
       Schatten fiel, weil er im Dezember 2014 für drei Konzerte eingeladen war
       und erkrankt absagte. Da hieß es bei all den Spekulierern, die über Monate
       kaum etwas anderes taten, als sämtliche Spitzendirigenten hoch- oder
       niederzuschreiben, Petrenko sei „aus dem Rennen“, weil er der Belastung am
       Pult dieses Orchesters wohl nicht standhalte. Das war alles aus der Luft
       gegriffen, und die Philharmoniker haben es mindestens stirnrunzelnd
       verfolgt.
       
       Ulrich Knörzer, ebenfalls Orchestervorstand, hat es fast als lang
       gewachsene Sehnsucht geschildert, Petrenko eines Tages als Chef haben zu
       wollen. Schon nach seinem ersten Konzert mit den Philharmonikern 2006
       hätten sie nicht überlegt, ob sie ihn erneut einladen, sondern wann. Dass
       er nun bald als ihr Chef kommt, dürfte eine glückliche Entscheidung sein.
       
       Petrenko, ein großer Schweiger, der seit Jahren keine Interviews gibt und
       tief eintaucht in seine Arbeit. Spannend wird vor allem, wie die Berliner,
       die so sehr öffentlichkeitswirksam agieren, sich darauf einlassen und wie
       diese Personalie auch sie verändern wird.
       
       22 Jun 2015
       
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