# taz.de -- ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #7: Blockwertung reloaded
       
       > Abstoßende Weltverbesserungsschnulzen. Belohnt wurde in der ersten
       > ESC-Qualifikationsrunde hauptsächlich die Nachbarschaft zu Russland.
       
 (IMG) Bild: Tränen der Enttäuschung.
       
       Kurz vor 23 Uhr, als das zehnte Land vorgelesen wurde, das aus den 16
       Semifinalisten ins Grand Final des ESC am Samstag gehen würde, waren
       [1][vier Finnen am Boden zerstört]. Toni, der Schlagzeuger, der während der
       Tage von Wien unentwegt freundlich winkte, vergrub sich in den Armen einer
       Bekannten vom finnischen Fernsehen YLE und weinte viele Tränen der
       Enttäuschung.
       
       Es war im Wortsinn ergreifend: [2][Vier Punkmusiker], die in ihrer Heimat
       bei der Vorentscheidung die Herzen eroberten, die nicht wie Kalkül der
       Popindustrie aussahen und ebenso wenig wie ein Implantat der pädagogischen
       Inklusionsszenen, heulten entsetzlich ehrlich.
       
       Nein, die 20 Jurys und Televoting-Communities erbarmten sich ihrer nicht,
       hatten kein Herz für das leidenschaftliche Schrummeln und Trommeln und
       Singen dieser Band, die sowieso gut ist, aber als Projekt von körperlich
       Behinderten auch keine Pop-Empathie weckte. Sie müssen jetzt nach Hause
       reisen, Kari, Samo, Pertti und Toni.
       
       Das wäre noch verkraftbar – Demokraten müssen das! – wenn nicht zugleich
       eine Riege von zehn Liedern sich qualifiziert hätte, die überwiegend dieses
       eine ästhetische Kriterium eint: Sie erbrachten ein Ruder an
       Weltverbesserungsschnulzen, an Pseudofriedensliederei, dass es nur so
       abstoßend war. Nichts gegen die Künstler im Einzelnen, aber sowohl [3][die
       Russin] Polina und [4][ihr verlogener Beitrag] „Million Voices“ als auch
       die säuselnd [5][pseudopolitischen Armenier] oder die [6][ungarische
       Ausgabe] der deutschen Nicole („Ein bisschen Frieden“), die mit „Wars For
       Nothing“ auch eine Art kirchentagskompatible Wimmerei ablieferte. Die
       [7][rumänische Band] Voltaj kam gleichfalls durch – mit einer
       Sozialbotschaft, die die Delegation aus Bukarest absolut ernst genommen
       wissen wollte: Dass viele Kinder in Osteuropa elternlos aufwachsen müssen,
       weil ihre Eltern zur Arbeit in den Westen reisen müssen.
       
       ## Osteuropäisch dominierte WählerInnen
       
       Belohnt wurde in der ersten Qualifikationsrunde jedoch hauptsächlich die
       gefühlte oder konkrete Nachbarschaft zu Russland – es war ein Stück
       Wiederkehr des Ostblockvotings. Erfrischende oder ausgereifte Popmusik wie
       von [8][vier dänischen Jungs] oder der [9][Niederländerin Trijntje
       Oosterhuis] hatte keine Chance. Nur der [10][Belgier Loїc Nottet] kam
       durch. Sein absolut modernes Stück – eine Mixtur aus Elektro-Ausdruckstanz
       in gleißend weiß-schwarzem Bühnenbild – konnte die osteuropäisch
       dominierten WählerInnen und Juries auf seine Seite ziehen.
       
       Er verzichtete auf Windmaschine, grotesken Pomp und lieferte sich nicht
       stereotypen Inszenierungen aus. Anders als die [11][Griechin Maria Elena
       Kiriakou] und die [12][Albanerin Elhaida Dani], die beide mehr ihre
       Stimmkraft vorführten als eine mitreißende Melodie.
       
       [13][Mazedonien], [14][Weißrussland] und [15][Moldau] flogen auch raus –
       bei ihnen half auch die Nähe zu Moskau nicht. Die Idee des Pop ist auch
       Zuspitzung einer Idee, nicht nur sammelsurischer Mist.
       
       20 May 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Pertti-Kurikan-Nimipaeivaet-Aina-mun-pitaeae,finnland436.html
 (DIR) [2] /Kolumne-Genderwahn-in-Wien-3/!160017/
 (DIR) [3] /Kolumne-Genderwahn-in-Wien-6/!160138/
 (DIR) [4] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Polina-Gagarina-A-Million-Voices,russland672.html
 (DIR) [5] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Genealogy-Face-The-Shadow,armenien418.html
 (DIR) [6] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Boggie-Wars-For-Nothing,ungarn424.html
 (DIR) [7] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Voltaj-De-la-capat,rumaenien342.html
 (DIR) [8] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Voltaj-De-la-capat,rumaenien342.html
 (DIR) [9] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Trijntje-Oosterhuis-Walk-Along,niederlande558.html
 (DIR) [10] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Loic-Nottet-Rhythm-Inside,belgien356.html
 (DIR) [11] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Maria-Elena-Kiriakou-One-Last-Breath,griechenland740.html
 (DIR) [12] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Elhaida-Dani-Im-Alive,albanien294.html
 (DIR) [13] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Daniel-Kajmakoski-Autumn-Leaves,mazedonien234.html
 (DIR) [14] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Uzari-Maimuna-Time,weissrussland278.html
 (DIR) [15] http://www.eurovision.de/videos/Erstes-Halbfinale-Eduard-Romanyuta-I-Want-Your-Love,moldau278.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) ESC 2015
 (DIR) Russland
 (DIR) Finnland
 (DIR) Down-Syndrom
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Schwerpunkt Eurovision Song Contest
 (DIR) Wien
 (DIR) Homophobie
 (DIR) Punk
 (DIR) Ingeborg-Bachmann-Preis
 (DIR) Straßenverkehr
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne Down: Direkt, anklagend, ordinär
       
       Die lässigsten Punks der Welt: Die finnische Band Pertti Kurikan
       Nimipäivät.
       
 (DIR) Eurovision Song Contest: Grand Final
       
       27 Länder nehmen in Wien am 60. Eurovision Song Contest teil. Unser Autor
       weiß, wer die besten Chancen hat – geordnet nach Startplätzen.
       
 (DIR) ESC-Kolumne Genderwahl in Wien #10: Politische Fakten zum Finale
       
       Dem ESC wird nachgesagt, er sei unpoltisch. Stimmt nicht. Da reicht schon
       ein Blick auf Geschichte, Mitgliedschaften und Realitäten der einzelnen
       Länder.
       
 (DIR) ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #9: Im Kamerafuttersilo
       
       Ein „Anti-Buh-Programm“ soll beim ESC in Wien Unmutsbekundungen
       herausfiltern. Leider wird das wohl auch funktionieren.
       
 (DIR) ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #8: Aufmarsch der Verzweifelten
       
       Trachten, Zackigkeit und Verzweiflung: Was eine Kundgebung für die
       Förderung von Marschmusik mit den Klängen des ESC zu tun hat.
       
 (DIR) ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #6: Ein Lied kann eine Lüge sein
       
       War da nicht was mit der Krim? Die russische Interpretin Polina tritt beim
       ESC mit „Million Voices“ an – einem süßlichen Friedenslied.
       
 (DIR) ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #5: Die Antifigur zum Hippietum
       
       Beim ESC wird für die Qualifikation generalgeprobt. Bereits im Finale:
       Australien. Der Debütant präsentiert sich routiniert und wie aus dem Ei
       gepellt.
       
 (DIR) ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #4: Schwul, Schwuler, ESC
       
       Der Eurovision Song Contest hat den Ruf, zur Verschwulung des Kontinents
       beizutragen – eine tolle Veranstaltung, die auch immer mehr Lesben
       begeistert.
       
 (DIR) ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #3: Punk und der Rest ist Schrott
       
       Die finnische Punkband Pertti Kurikan Nimipäivät gilt als ein Favorit bei
       diesem ESC. Ihr Lied ist feine ätzende Kritik an klassischer
       Behindertenpädagogik.
       
 (DIR) ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #2: Rubinowitz würdigt die Nullpunkter
       
       Der ESC hat einige Künstler mit null Punkten zurückgelassen. Tex Rubinowitz
       widmet ihnen eine Ausstellung und ein Konzert.
       
 (DIR) ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #1: Gut für die Verkehrssicherheit
       
       Kurz vorm 60. Eurovision Song Contest landen wir in Wien und stehen erfreut
       vor genderpolitisch korrekten Ampelpersonen.