# taz.de -- Kolumne Down: Direkt, anklagend, ordinär
       
       > Die lässigsten Punks der Welt: Die finnische Band Pertti Kurikan
       > Nimipäivät.
       
 (IMG) Bild: Kein Alkohol, keine Groupies. Es wurde eine Tüte mit Sonnenblumenkernen herumgereicht.
       
       Es gibt Geschichten, die sind mehr als ein Job. Es sind Themen, die man
       jahrelang im Blick hat, entweder weil das eigene Interesse so groß ist oder
       weil es einen persönlichen Bezug gibt. Solch eine Geschichte war die
       finnische Punkband Pertti Kurikan Nimipäivät für mich, die im Mai für ihr
       Land beim Eurovision Song Contest antrat. Zwar schieden die Musiker schon
       im Halbfinale aus, aber was solls – ihre Sichtbarkeit vor einem
       Millionenpublikum war entscheidend.
       
       Irgendwann und irgendwie war ich auf die Jungs aufmerksam geworden und
       wollte diese unbedingt porträtieren. Zum einen war ich als Teenager selbst
       Punk, zum anderen aber, weil alle Musiker geistig behindert sind und
       dennoch die erfolgreichste Punkband des Landes waren. Inklusion, von der
       wir in Deutschland nur träumen können.
       
       Im November 2013 war es dann so weit, für eine Reportage über die Band
       reiste ich nach Helsinki. Einen Samstagabend lang durfte ich den
       Gitarristen Pertti Kurikka, Bassist Sami Helle, Drummer Toni Välitalo und
       der Sänger Kari Aalto in ihrem Tourbus zu einem Konzert begleiten.
       Gemeinsam mit Kalle Pajaama, dem Gründer und Manager der Band, stiegen wir
       in den Tourbus und fuhren nach Jyväskylä, einer 133.000-Einwohner-Stadt,
       drei Autostunden von Helsinki entfernt, zu einem Konzert.
       
       Schnell war klar, dass die Musiker sich überhaupt nicht für mich
       interessierten. Es wurde mein Liebesleben abgefragt, dann schnallten sie
       sich alle an, hörten Musik mit Kopfhörern oder telefonierten mit ihren
       Freundinnen oder Eltern. Kein Alkohol, keine Groupies. Es wurde eine Tüte
       mit Sonnenblumenkernen herumgereicht. Für mich waren sie schon zu diesem
       Zeitpunkt die lässigsten Punks der Welt.
       
       ## Das System ist ihr Feind
       
       In ihren Songs geht es um Respekt, Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung.
       Wohlmeinende Sozialpädagogen, die jeden Song beklatschen, sind der Horror
       für sie. Das System ist ihr Feind. Bei ihren Konzerten fordern sie immer
       wieder Gleichberechtigung. Ihre Texte sind nicht besonders kompliziert, sie
       sind direkt, anklagend, ordinär. Typisch Punk eben. „Sä et oo normaali“
       (“Du bist nicht normal“) und „Läski-Kari“ (“Fetter Kari“) heißen zwei ihrer
       Lieder.
       
       Beim Konzert in Jyväskylä vor etwa 200 Zuschauern kotzten sie sich so
       richtig aus. Der Bass dröhnte, der Sänger Kari schaute wütend in die Menge:
       „Yeah, ich hasse alle Politiker“, schrie er. Dann streckte er den
       Zeigefinger in Richtung Publikum und drückte ab. Der Schlagzeuger Pertti
       drosch auf die Trommeln, hart, schnell, dröhnend. Der Gitarrist Pertti
       stieg ein und rammt seine Akkorde. „Wir hier oben sind Menschen, wir
       möchten nicht nur in Heimen leben, wir wollen uns unsere Jobs aussuchen“,
       schrie Kari und steckte sich den Finger in den Hals.
       
       Irgendwann morgens fiel ich müde in mein Hotelbett. Glücklich, endliche
       diese Geschichte erlebt zu haben, dankbar, als Journalistin solch
       aufregende Menschen treffen zu dürfen. Schlagzeuger Toni, der das
       Downsyndrom hat, gab mir zum Abschied noch einen zarten Kuss auf die Wange.
       
       17 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cigdem Akyol
       
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