# taz.de -- Springer-Klage abgeschmettert: Die Dutschke-Straße kommt
> Nach vier Jahren ist sie endlich legalisiert: die von der taz initiierte
> Rudi-Dutschke-Straße. Und die Vorfahrt vor der Axel-Springer-Straße
> bleibt auch.
(IMG) Bild: Bald nicht bloß aus Pappe: Die Rudi-Dutschke-Straße trifft auf die Axel-Springer-Straße.
40 Jahre nach dem Attentat auf Rudi Dutschke wird erstmals in Deutschland
eine Straße nach dem Studentenführer benannt. Das Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg beendete am Montag den juristischen Streit um die
Umbenennung der Berliner Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße: Die
Umbenennung sei rechtskräftig, erklärte das Gericht. Damit ist die Klage
einer Anwohnergemeinschaft, zu der auch der Axel Springer Verlag gehört,
endgültig abgeschmettert.
Das Gericht bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Das Verwaltungsgericht
hatte im Mai 2007 entschieden, dass die Namensänderung für einen Teil der
Straße in Berlin-Kreuzberg nicht willkürlich sei und auch keine Grundrechte
der Anlieger verletze. Eine Berufung lehnte das Verwaltungsgericht ab. Der
Antrag auf Zulassung einer Berufung durch die von der Axel Springer AG
angeführten Anwohnergemeinschaft vor dem Oberverwaltungsgericht war die
letzte Möglichkeit, die bereits beschlossene Umbenennung zu verhindern. Die
Rudi-Dutschke-Straße trifft auf die Axel-Springer-Straße. Die Axel Springer
AG wollte sich am Montag zu dem Urteil nicht äußern.
Zum 25. Todestag von Rudi Dutschke hatte die taz Ende 2004 vorgeschlagen,
die Kochstraße nach dem Studentenführer zu benennen. Die
Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg hatte die Initiative
aufgegriffen und die Umbenennung mit den Stimmen von Grünen und Linkspartei
beschlossen. Zwar hatte die CDU versucht, die Dutschke-Ehrung durch ein
Bürgerbegehren zu verhindern. Doch bei einem Bürgerentscheid im Januar 2007
stimmten 57 Prozent der Wähler aus dem Berliner Bezirk
Friedrichshain-Kreuzberg für Dutschke. Seither stand der Umbenennung nur
noch die Klage der Anwohnerinitiative im Weg.
Die Umbenennung sei "nicht zu beanstanden", erklärte jetzt das
Oberverwaltungsgericht. Sie zeichne die 40 Jahre zurückliegende
zeitgeschichtliche Situation nach, auf die sowohl Dutschke als einer der
Protagonisten der Studentenbewegung und als einer der Initiatoren der
Kampagne "Enteignet Springer" als auch Springer mit seiner Presse Einfluss
genommen hätten, erklärte das Gericht. Die Klägergemeinschaft habe laut
Gericht in der Umbenennung die Billigung von vor 40 Jahren begangener
Straftaten gesehen und betrachte sie als Diskreditierung und daher als
Verstoß gegen das Gebot staatlicher Neutralität. Dieser Argumentation ist
das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt. Vielmehr erklärte das Gericht:
Dass die damaligen exponierten Kontrahenten im politischen Meinungskampf
als Namensgeber von aufeinander stoßenden Straßen weiterlebten, könne aus
objektiver Sicht als Ausdruck der Meinungs- und Informationsfreiheit
verstanden werden und lasse verschiedene, auch versöhnliche Deutungen zu.
Das Bestehen solcher Interpretationsmöglichkeiten schließe einen Verstoß
gegen das Gebot staatlicher Neutralität und das Willkürverbot aus.
Petra Pau, Vizepräsidentin des deutschen Bundestags, begrüßte das Urteil,
weil die Dutschke-Straße "zum Nachdenken über die gemeinsame Geschichte der
Bundesrepublik anregt". Zudem unterstütze das Urteil den Souverän in seiner
Entscheidung, sagte die Linkspartei-Politikerin, nämlich die Bürger, die
sich bei einem Volksentscheid für die Dutschke-Straße ausgesprochen haben.
Katrin Göring-Eckardt, ebenfalls Vizepräsidentin des Bundestages, erklärte:
"Rudi Dutschke war wie die gesamte Studentenbewegung wichtig für die
Demokratisierung Westdeutschlands. Allein, dass es in Zukunft die
Weg-Kurzbeschreibung Rudi-Dutschke/Ecke Axel-Springer gibt, ist doch ein
schönes Symbol - eine bleibende Erinnerung an die Konfrontationen von
damals und an das, was daraus geworden ist."
Das CDU-Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, Kurt Wansner, gratulierte:
"Das ist schön für die taz. Für uns ist der Streit seit dem Bürgerentscheid
erledigt. Wir nehmen Bürgenentscheide ernst." Wansner hatte das
Bürgerbegehren gegen die Dutschke-Straße angeführt - und war gescheitert.
Der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Friedbert Pflüger wollte sich nicht
äußern.
"Ich möchte in der Rudi-Dutschke-Straße 1 wohnen", sagte Grünen-Politiker
Hans-Christian Ströbele. Hermann Scheer, SPD-Bundestagsabgeordneter, sagte,
es sei "überfällig, dass man über 1968 differenzierter diskutiert". Es sei
richtig, dass dafür die Kochstraße umbenannt werde. "Nicht wegen der taz,
sondern wegen des Springer-Verlags. Das ist ein kulturelles
Versöhnungszeichen", sagte Scheer.
Das Attentat auf Rudi Dutschke geschah am 11. April 1968. Daraufhin
protestierte die Studentenbewegung vor dem Gebäude des Axel Springer
Verlags in der Kochstraße - und zündeten Lieferwägen des Springer Verlags
an. Bild-Chef Kai Diekmann sollte sein 68er-Buch überarbeiten und beginnen
mit einem Kapitel 'An meinen neuen Nachbarn Rudi Dutschke'", erklärte der
EU-Spitzenpolitiker der Grünen, Daniel Cohn-Bendit.
Helge Malchow, Kiwi-Verleger und Herausgeber der Dutschke-Biografie von
Gretchen Dutschke sowie der Dutschke-Tagebücher, sagte: "Rudi Dutschke ist
eine umstrittene, aber bedeutsame Figur der Zeitgeschichte, die seit 1968
der Geschichte der Bundesrepublik eine Reihe von positiven Impulsen gegeben
hat. Ich halte es für angemessen und richtig, dass diese
Straßennamensänderung vorgenommen worden ist. Straßen sollen nicht nur nach
Idolen benannt werden, sondern auch nach Personen, in denen sich das
Bewußtsein vielen Menschen spiegelt." (Az.: OVG 1 N 63.07)
21 Apr 2008
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