# taz.de -- Stadtentwicklung: Sarrazin boykottiert Baugruppen
       
       > Eigentlich war die bevorzugte Vergabe von Grundstücken an Baugruppen
       > beschlossene Sache. Der Finanzsenator will das verhindern. Er pocht auf
       > EU-Recht und will den Zuschlag für das Höchstgebot.
       
 (IMG) Bild: Bau auf, bau auf: Baugruppen können schon mal in die Hände spucken
       
       Für Ingeborg Junge-Reyer (SPD) war es das Weihnachtsgeschenk an bauwillige
       Familien ohne viel Geld. Im Dezember 2007 kündigte die
       Stadtentwicklungssenatorin an, fünf Grundstücke an Baugruppen vergeben zu
       wollen - und zwar nicht im üblichen Bieterverfahren, bei dem der
       Höchstbietende den Zuschlag bekommt. Vielmehr sollten "verstärkt
       stadtentwicklungs-, wohnungspolitische und kulturwirtschaftliche Belange
       berücksichtigt werden". Im Klartext: Der Verkaufspreis sollte den
       Verkehrswert nicht überschreiten.
       
       Doch nun ist das Prestigeprojekt der Senatorin ins Stocken geraten. Der
       Grund: Das Landgericht Düsseldorf hat vor kurzem ein ähnliches Verfahren
       gestoppt, weil es nicht dem EU-Vergaberecht entsprochen habe.
       
       Für Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) offenbar ein willkommener Anlass,
       das Baugruppenthema auf den Prüfstand zu stellen. Nach Informationen der
       taz will der Finanzsenator keine Direktvergabe an Baugruppen, sondern die
       Grundstücke europaweit ausschreiben - und damit das Bieterverfahren durch
       die Hintertür wieder einführen. Statt Baugruppen, die sich zusammentun, um
       ihren Traum vom gemeinsamen Wohnen in Eigenregie zu verwirklichen, kämen
       dann wieder verstärkt Investoren zum Zuge.
       
       Konkret geht es um fünf Grundstücke, die der Liegenschaftsfonds (Lifo) ab
       Juni vermarkten will. Laut Lifo-Sprecherin Irene Dähne handelt es sich
       dabei um die Kastanienallee 21/Ecke Kirchstraße 69 in Pankow, die
       Mühsamstraße 74 in Friedrichshain, die Ackerstraße 1 in Mitte, die
       Moschischstraße/Ecke Kiefholzstraße in Treptow-Köpenick sowie die
       Mendelstraße 27 in Pankow. "Für sämtliche Grundstücke", so Dähne, "werden
       derzeit Exposees erarbeitet."
       
       Hinter den Kulissen aber knirscht es gewaltig. Zwar wollen die
       Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Finanzen sowie der
       Liegenschaftsfonds für den 6. Juni zu einer gemeinsamen Pressekonferenz
       einladen. Dort soll dann, so Dähne, "der Startgong für das neue
       Vergabeverfahren gegeben werden".
       
       Nach Informationen der taz ist bislang aber unklar, ob die Pressekonferenz
       überhaupt stattfinden wird. Junge-Reyers Verwaltung arbeitet derzeit mit
       Hochdruck an einem Kriterienkatalog, der die Vergabe an Baugruppen auch zu
       einem Festpreis rechtfertigen würde. Ob es aber bis zum geplanten Termin zu
       einer Einigung mit Sarrazin kommt, steht in den Sternen.
       
       Im Hause Sarrazin hält man sich zu dem Thema bedeckt. Eine Auskunft gab es
       am Mittwoch nicht. Eine Sprecherin von Stadtentwicklungssenatorin
       Junge-Reyer dagegen bekräftigte, es bleibe bei der Pressekonferenz am 6.
       Juni. Für die Grünen erneuerte der baupolitische Sprecher Andreas Otto
       seinen Vorschlag, Baugruppen auch zu Gegenleistungen zu verpflichten. "Wenn
       die sagen, wir geben dem Land etwas zurück, indem wir zum Beispiel ein
       soziales Projekt unterbringen, lässt sich besser rechtfertigen, warum sie
       gegenüber Mitbewerbern bevorzugt behandelt werden."
       
       14 May 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Stadtentwicklung I: Auch Kleinvieh macht Mist
       
       Der für den Verkauf von Landesimmobilien zuständige Liegenschaftsfonds
       macht Rekordeinnahmen. Und verspricht: Die lukrativen Grundstücke um den
       Hauptbahnhof kommen 2008 unter den Hammer.
       
 (DIR) Baugemeinschaften in der Berliner Innenstadt: Gruppenweise unter ein Dach
       
       Baugruppen schaffen individuelle Wohnungen. Interessenten benötigen
       Mitstreiter, Grundkapital und viel Ausdauer. Zwölf Tipps für den Weg ins
       gemeinsame Haus.
       
 (DIR) Kommentar: Senat fördert Baugruppen
       
       Nach jahrelanger Debatte entschließt sich der Senat, Baugemeinschaften zu
       unterstützen. Der Wiedereinstieg in die Wohnbauförderung ist radikal und
       überfällig.
       
 (DIR) Eigenheime: Senat baut Baugruppen auf
       
       Nach langem Tauziehen einigen sich die Senatoren für Stadtentwicklung und
       Finanzen: Baugruppen müssen nur noch den Verkehrswert eines Grundstücks
       bezahlen.