# taz.de -- Nach Verhaftung von Kongos Oppositionsführer: Opposition profillos
       
       > Jean-Pierre Bemba sollte die Führung der Opposition im Kongo übernehmen.
       > Mit seiner überraschenden Festnahme gefährdet der Internationale
       > Strafgerichtshof Kongos Stabilisierung.
       
 (IMG) Bild: Bembas Verhaftung am 24.4. war kein Aprilscherz zur Unzeit.
       
       Viele Kongolesen dachten zunächst an einen Aprilscherz zur Unzeit. Die
       Festnahme des kongolesischen Oppositionsführers Jean-Pierre Bemba in
       Brüssel am Abend des 24. April, auf Grundlage eines frischen Haftbefehls
       des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, erschien offensichtlich
       deplaziert angesichts der kriselnden Verhältnisse im Kongo, bei deren
       Stabilisierung Bemba eine Schlüsselrolle zukommt. Der Führer der einstigen
       Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) bekam bei Kongos
       Präsidentschaftswahl 2006 42 Prozent der Stimmen, und seine MLC ist die
       größte parlamentarische Oppositionspartei. Bemba, seit 2007 Mitglied des
       gewählten Senats, gilt als Modell einer erfolgreichen Verwandlung vom
       Kriegsführer zum zivilen Politiker.
       
       Für diese Woche, so hatten letzte Woche Zeitungen spekuliert, war Bembas
       Rückkehr in die Heimat vorgesehen, nach über einem Jahr im Exil. "JP Bemba
       in Kinshasa am 27. Mai", titelte am vergangenen Mittwoch das
       regierungstreue Blatt LAvenir; eine andere Zeitung gab den 28. Mai an. Im
       April 2007 hatte Bemba sein Heimatland verlassen müssen, nach blutigen
       Kämpfen mit hunderten Toten zwischen seiner Garde und der Regierungsarmee
       mitten in Kongos Hauptstadt Kinshasa Ende März. Bemba ließ sich im
       portugiesischen Faro nieder, und alsbald begannen indirekte Verhandlungen
       mit Kongos Regierung über Sicherheitsgarantien für seine Rückkehr.
       Regelmäßig suchten ihn dafür internationale Diplomaten auf, auch Mitglieder
       der belgischen Regierung schauten bei ihm vorbei. Bembas
       Sicherheitsbedenken sind durchaus begründet: Zahlreiche MLC-Aktivisten, vor
       allem Militärs, sind seit den Wahlen im Kongo getötet worden oder in der
       Haft gestorben.
       
       Die MLC, ohne ihren charismatischen Chef Bemba eher profillos, hatte sich
       letzte Woche darauf geeinigt, ihn zum parlamentarischen Oppositionsführer
       zu ernennen. Das hätte eine überfällige Stärkung der noch sehr schwachen
       parlamentarischen Demokratie in Kinshasa bedeutet. Seit Monaten macht sich
       Kongos Regierung nur noch negativ bemerkbar: Niederlagen gegen Rebellen im
       Osten des Landes, Repression im Westen, Korruptionsskandale,
       Reformblockaden, Willkür gegen politische Gegner. MLC-Aktivisten
       spekulierten bereits über einen neuen Triumphzug Bembas durch Kinshasa, so
       wie kurz vor den Wahlen, bei denen Bemba in Kinshasa haushoch gesiegt
       hatte.
       
       Daraus wird nun nichts, und das lässt viele Kongolesen an der
       Ernsthaftigkeit der internationalen Demokratisierungsbemühungen im Kongo
       zweifeln. Mit großem Aufwand Bemba als Präsidentschaftskandidaten zu
       schützen und als zivilen Oppositionsführer aufzubauen, nur um ihn dann zu
       verhaften, wenn er kurz davor steht, dies auch tun zu können - das nützt
       niemandem im Kongo außer Präsident Joseph Kabila, dessen ärgster
       Widersacher nun ausgeschaltet ist.
       
       "Die MLC ruft das gesamte kongolesische Volk auf, mobilzumachen, um unsere
       junge Demokratie zu retten", erklärte MLC-Generalsekretär François Mwamba
       am Montag. Am gestrigen Dienstag demonstrierten mehrere tausend Menschen
       vor dem Parlamentsgebäude in Kinshasa. Die nordwestkongolesische Provinz
       Équateur, Bembas Heimat, befindet sich auf Initiative der Provinzregierung
       im Generalstreik. In der Provinzhauptstadt Mbandaka wurden UN-Fahrzeuge mit
       Steinen beworfen, in der Großstadt Gemena schoss die Polizei gestern auf
       Demonstranten, die Jagd auf Weiße und Bürger der Zentralafrikanischen
       Republik machten.
       
       Die Familie Bemba rief hingegen zur "Gelassenheit" auf. Senatspräsident
       Kengo wa Dondo, vom Rang her zweiter Mann im Staat und Oppositionsmitglied,
       erklärte, aus seiner Sicht sei Bemba weiterhin Senator; damit genießt er im
       Kongo Immunität.
       
       Kommentatoren weisen darauf hin, dass unter dem Vorwurf Den Haags, Bemba
       sei für Verbrechen seiner Soldaten strafrechtlich verantwortlich, ziemlich
       viele Politiker des Kongo ins Gefängnis wandern müssten. Die
       Menschenrechtsorganisation "Congo Pax" der ehemaligen
       Präsidentschaftskandidatin Marie-Thérèse Nlandu erklärte: "Was auch immer
       man Bemba vorwirft: Im Kongo laufen Kriegsverbrecher frei herum, und manche
       regieren das Land."
       
       28 May 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Internationaler Strafgerichtshof
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Prozess gegen Ex-Vize des Kongo: Anwälte verhaftet
       
       Der Internationale Strafgerichtshof greift zu ungewöhnlichen Mitteln. Er
       verhaftet den Chefverteidiger des angeklagten Kongolesen Bemba.
       
 (DIR) Die Vorwürfe des Strafgerichtshofs: Kriegsverbrechen von Bembas Soldaten
       
       Die Verhaftung des kongolesischen Oppositionsführers Bemba gründet auf
       Inkaufnahme von Kriegsverbrechen seiner Soldaten in Kongos Nachbarland, der
       Zentralafrikanischen Republik.
       
 (DIR) Kongolesischer Politiker über Bemba-Verhaftung: "Demonstrieren im ganzen Land"
       
       Nach der Verhaftung des designierten Oppositionsführers Jean-Pierre Bemba
       in Belgien will die kongolesische Opposition demonstrieren, sagt Thomas
       Luhaka.