# taz.de -- 68er Ausstellung: Keine leichte Schau
       
       > Sie strotzt vor mutigen Thesen, bekennt sich aber letztlich zu keiner
       > davon: Die Ausstellung "Manson 1969" in der Hamburger Kunsthalle kommt
       > seltsam überfrachtet und unschlüssig daher.
       
 (IMG) Bild: Kampf in privaten und politischen Gefilden: Elmar Hess "Cold War".
       
       Sie haben gesagt, dass sie keinen roten Faden für ihre Ausstellung wollen.
       Dass sie als Kuratoren der Hamburger Schau "Manson 1969" vielmehr Türen zur
       Reflexion öffnen werden - über das, was 1969 geschah. Also über
       Verbindungen zwischen den Morden der Manson-Kommune, dem friedlichen
       Woodstock-Festival und dem von Altamont ein paar Monate später, auf dem ein
       "Hells Angels"-Mitglied einen Besucher erstach. Über das Umkippen
       friedlicher Hippie-Kultur in die Gewalttätigkeit. Auch die 1970 gegründete
       RAF wird in die Schau hineingezogen. Dabei klingt der explizite "Verzicht"
       der Kuratoren auf Stringenz, als handele es sich dabei um einen Luxus, den
       allenfalls verstreute Konservative noch einfordern.
       
       Aber das ist natürlich nicht wahr: Sowohl Ausstellungsmacher als auch
       Besucher erhoffen sich etwas: Information, Erkenntnisgewinn, ästhetisches
       oder intellektuelles Vergnügen, biographisch bedingte Sentimentalität - was
       auch immer. Denn niemand mag auf einem "Markt der Möglichkeiten"
       umherstapfen, der einen bunten Strauß an Thesen anbietet, ohne sich zu
       irgendeiner zu bekennen.
       
       So unverbindlich, wie sie tut, kommt die Hamburger Schau zunächst auch gar
       nicht daher: Der Parcours beginnt mit einem Paukenschlag. Das Video
       "Hula-Hoop" der Israelitin Sigalit Landau empfängt einen brüsk; eine Nackte
       tanzt darauf mit einem Stacheldraht-Reifen Hula-Hoop. Eine Einstimmung auf
       die Pole Sinnlichkeit und Tod, passend zum Triptychon "'69", dessen
       zentrales Foto den Kommunengründer Manson zeigt, der Anhängerinnen zu
       sieben Morden in Hollywood angestiftet haben soll. Davor steht eine
       Installation von Teresa Margolles. Im Minutentakt tropft aus einem Kanister
       Leichenfett auf den Boden. Die Assoziationen sind klar: Freizügigkeit und
       Gewalttätigkeit als Facetten der Hippie-Bewegung, aus der auch Manson
       erwuchs, werden in eine Linie gestellt.
       
       Suggestiv ist dieser Beginn, verspricht den Zusammenhang paralleler
       Ereignisse zu erhellen. Zu diesem Zeitpunkt empfindet man Elmar Hess
       folgende, aus Lippenstift, Zigarren und nachgestellten Mao- und
       Che-Guevara-Fotos gefertigten Arbeiten zum Kalten Krieg noch nicht als
       Abweg. Sondern man freut sich, dass das große politische Panorama jener
       Zeit aufgefächert wird.
       
       Die zweite Komponente der 69er folgt sofort: Karin Missy Paule berichtet
       per DVD über ihr Kommunen-Herkommen; erfrischend klar werden Politisches
       und Privates verbunden. Dann aber bricht die historische und politische
       Logik: Jäh tauchen Stefan Micheels Fotos des Meinhof-Grabes auf, als sei
       die RAF direkt aus der Kommunenbewegung oder dem Kalten Krieg erwachsen.
       Astrid Prolls 1969 in Paris entstandene Fotos von Ensslin und Baader
       folgen. Die Aufnahmen sind so professionell wie dekorativ, und man fragt
       sich, warum die Schau plötzlich über die Medialisierung der RAF-Gründer
       spricht statt über Politik.
       
       Wie eine mumifizierte Reminiszenz wirkt auch Peter Friedls Neon-Logo der
       "Neuen Straßenverkehrsordnung", eine Anspielung auf das heimliche
       RAF-Programm von 1971. Vermutlich hat man darauf spekuliert, dass der
       Slogan, in den Ent-Politisierungsfilter Museum gesteckt, zum harm- und
       folgenlosen Wortspiel mutiert. Oder ist dies ein gewollt dämonisches Zitat?
       Zum Ambiente passen würde diese Lesart, tönt doch aus der Ecke Bruce
       Naumanns Video "Tuned D.E.A.D.", ein dissonanter Violin-Akkord. Spiel mir
       das Lied vom Tod, sagt dieser Raum. Revolution und Tod gehören zusammen.
       Aber diese Information ist nicht neu. Und führten die RAF-Parolen
       versehentlich zum Tod, oder war ihnen der Tod von vornherein inhärent? Die
       hier kombinierten Artefakte lassen es offen.
       
       Was aber soll aber mitten in diese Überlegungen hinein George Grosz "John,
       der Frauenmörder" sowie Meister Franckes "Christus als Schmerzensmann" von
       1435? Zwar sind die Bezüge zu Manson klar; Mord und die Selbststilisierung
       Mansons als reinkarnierter Christus und Satan klingen an. Doch die
       Verbindung hinkt, denn die ursprüngliche Ikonografie lautet anders: Die
       mittelalterlichen Schmerzensmann-Bilder sollten die Identifikation mit dem
       leidenden Christus befördern. Soll man sich in der Hamburger Schau folglich
       in Manson einfühlen, der andere morden ließ und sich bis heute unschuldig
       fühlt?
       
       Gewagte Assoziationen allesamt, recht beliebig außerdem, denn die Schau
       hält keins der angebotenen Themen durch: Weder Gewalt noch Schmerz noch Tod
       sind Spuren, denen die Ausstellung verlässlich folgt. Auch fokussiert sie
       nicht die Paranoia des rassistischen, dem Satanskult frönenden, mit
       Hakenkreuzen provozierenden Manson. Und sie wirft nur flüchtig die Frage
       auf, wieso die Friedfertigkeit der Flower-Power-Bewegung in Gewalt
       umschlug. Anhand der Installation Lutz Dammbecks zum Beispiel, der eine
       kybernetische Maschine baute, in der Mäuse Alu-Würfel in Unordnung bringen
       sollen. Die Frage dahinter: Lässt sich das Verhalten von Lebewesen steuern,
       und wo setzt Gewalt an. Eine vage Verbindung zu Manson, der die
       Hollywood-Mörderinnen ferngesteuert haben soll in einer Zeit, in der auch
       die CIA systematisch mit der Wirkung von Drogen auf menschliches Verhalten
       experimentiert haben soll. Auch wäre zu eruieren, ob auch die
       Manson-Kommune Objekt solcher Experimente war, wie manche glauben. Aber die
       Ausstellung bleibt im Ungefähren. Sie folgert nichts aus ihren eigenen
       Thesen, als habe sie mittendrin den Mut verloren.
       
       Zudem tritt neben solche soziologischen "großen Würfe" immer wieder eine
       Kleinteiligkeit, die als Zoom gedacht sein mag, so aber nicht funktioniert.
       Die naiven Rechtfertigungen der Manson-Anhängerinnen hat etwa Susanne Klein
       auf ihrer DVD konterkariert, auf der imitierte Manson-Girlies über die
       "Notwendigkeit des Tötens" sprechen. Auch hat sie Quilts mit dem Porträt
       der Täterin Susan Atkins genäht. Sie ähneln jenen, die Atkins inzwischen
       wohltätig im Gefängnis näht.
       
       Das ist eine interessante Assoziation - aber worauf will man hinaus? Und
       was haben Till Gerhards Porträts der Manson-Family und Douglas Gordons
       Rockstar-Porträts gemeinsam - abgesehen davon, dass sie die Atmosphäre
       jener Jahre einzufangen suchen? Und wo ist - abgesehen von einer ohnehin in
       der Kunsthalle installierten Kienholz-Arbeit - das Thema Vietnam geblieben,
       das damals weit wichtiger war als Manson? Nein, man hat es nicht leicht mit
       dieser Schau, die wirkt, als hätten einen die Kuratoren zwar in ihre
       Recherche-Werkstatt, nicht aber in deren Resultate schauen lassen.
       
       Ein bisschen wach wird man in einer fernen Ecke allerdings doch: bei Thomas
       Kunzmanns Video "killer powered by pop", das RAF und Manson verschmelzt:
       Wie in einer Endlosschleife folgen Ensslin-, Baader- Buback- und
       Manson-Fotos aufeinander, unterbrochen von Listen der Ermordeten. Das alles
       untermalt ein 70er-Jahre-Soundtrack, als sei all dies so harmlos wie
       unvermeidlich gewesen. Zwar soll die Arbeit "keine Relativierung, keine
       Verharmlosung, keine Vertuschung" sein, so der Untertitel. Auch im
       Katalogtext wird dies betont. Aber man misstraut den Bekenntnissen. Denn es
       scheint, als wüssten Künstler und Kuratoren durchaus, dass dieser Arbeit -
       so medienkritisch sie gemeint sein mag - die klare Brechung fehlt und dass
       sie auch umgekehrt gelesen werden kann: Als gewollt lässiges Aufgreifen
       eines brisanten Themas und als Spiel mit dem Entsetzen des Betrachters, das
       aber nirgends hinführt. Oder - vielleicht doch. In die Diskussion über die
       Kluft zwischen Ethik und Ästhetik zum Beispiel. Solchen Diskurs
       anzustacheln: Das ist das eigentliche Verdienst dieser Schau.
       
       4 Feb 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Petra Schellen
 (DIR) Petra Schellen
       
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