# taz.de -- DNA-Ermittlungspanne in Heilbronn: Jagd auf ein Phantom
       
       > Eine der seltsamsten Kriminalgeschichten ist teils aufgeklärt: DNA-Spuren
       > der vemeintlichen Täterin stammten wohl von Wattestäbchen - und führten
       > die Ermittler jahrelang in die Irre.
       
 (IMG) Bild: Ein Flop für die Spurensicherung? Die Polizei überprüft die Wattestäbchen.
       
       STUTTGART taz Die Täterin schien brutal zu sein, unfassbar, nie gab es
       Zeugen. Sie hinterließ nichts, außer winzige Hautreste. Das erste Mal auf
       einer Tasse, als sie 1993 in Idar-Oberstein einen 63-jährigen Mann tötete.
       Die Spur fand sich nach einem weiteren Mord 2001 auf einer Küchenschublade
       in Freiburg im Breisgau, später auf einer Spielzeugpistole in der
       französischen Stadt Arbois, nach einem Überfall auf einen Edelsteinhändler.
       Die DNA der "unbekannten weiblichen Person" (UwP) wurde in den letzten
       Jahren über 40-mal an verschiedenen Tatorten entdeckt. Im April 2007
       erschoss die UwP ohne ersichtlichen Grund eine Polizistin im
       baden-württembergischen Heilbronn, als die Beamtin in ihrem Streifenwagen
       gerade Pause machte. Ihr Kollege überlebt knapp - das "Phantom von
       Heilbronn" war geboren.
       
       Einzig es gab die UwP wohl nie. Die DNA-Spur stammt wohl von der
       Mitarbeiterin einer Firma, die sterile Wattestäbchen herstellt, wie sie in
       Laboren oder eben auch bei der Spurensicherung verwendet werden.
       [1][Stern.de] hatte über entsprechende Ermittlungen bei der Polizei
       berichtet. Bereits im Sommer 2007 wurden Kriminalisten zunehmend skeptisch.
       Dass eine kaltblütige Profikillerin mit einer Jugendbande im Saarland
       Computer aus einer Realschule raubt, mochten sie nicht glauben. In dem
       entsprechenden Fall waren DNA-Spuren des Phantoms auf einer Cola-Dose
       aufgetaucht, die vor dem Sekretariat der Schule stand. Endgültig
       unglaubwürdig wurde die Geschichte, als Genmaterial des Phantoms auf
       Fingerabdrücken gefunden wurde, die ein Asylbewerber im Saarland in einem
       Mordfall abgeben musste.
       
       Auch österreichische Ermittler hatten längst Zweifel angemeldet. Dort soll
       das Phantom 16 Einbrüche auf dem Kerbholz haben. Nachdem am 28. September
       2008 in Linz ein junger Bosnier von fünf Männern in einer Disco
       niedergeschlagen und getötet worden war, fand sich auf seinem Finger die
       DNA der angeblichen Verbrecherin. Die Ermittler untersuchten das gesamte
       Umfeld der Tat. Dann war klar, dass es sich um eine Verunreinigung
       gehandelt haben muss. Gleiches galt für 8 der 16 Einbrüche, für die bereits
       Täter verurteilt waren, ohne dass es neben der DNA einen Hinweis auf das
       Phantom gab.
       
       Reinhard Schmid, Leiter des Erkennungsdienstes im Bundeskriminalamt Wien,
       teilte der taz mit, es habe anschließend einen Abgleich aller bei der
       Spurensicherung verwendeten Materialien gegeben: Handschuhe, Schutzanzüge,
       die DNA aller beteiligten Beamten und Labormitarbeiter wurden überprüft.
       Schließlich verglich man in enger Kooperation mit den deutschen Ermittlern
       die Inventarlisten der Spurensicherungen. Einzige Übereinstimmung: Die
       Wattestäbchen kamen vom gleichen Hersteller. Dazu passt auch, dass in
       Bayern nie eine Spur der angeblichen Täterin zu finden war - dort verwendet
       die Polizei Wattestäbchen eines anderen Herstellers.
       
       In Österreich hat das Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen
       Universität Innsbruck die Proben ausgewertet. Dessen Direktor Richard
       Scheithauer sagte der taz, es habe sich stets um "minimale Kontaminationen"
       gehandelt. Sie bestanden aus wenigen Hautzellen, niemals handelte es sich
       um eine "schöne" Spur. "Schön" wäre möglichst viel DNA-Material, etwa
       Speichel an einem Zigarettenstummel oder deutliche Hautabschürfungen. Dann
       würden ein paar Hautzellen, die bei der Produktion die Wattestäbchen
       verunreinigten, nicht weiter auffallen. Oder sie wären leichter als
       Kontamination zu erkennen.
       
       Die Indizien sprechen also für eine Kontamination. Entsprechend bezeichnete
       Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll das Rätsel um das Phantom als
       gelöst. Sein Kollege im Innenressort, Heribert Rech, sagte dagegen, man
       müsse zunächst das Ergebnis der Ermittlungsbehörden abwarten. Momentan
       werden bei dem Hersteller der Wattestäbchen sowie bei den Zulieferern
       DNA-Profile der Mitarbeiter erstellt.
       
       Reinhard Schmid sagte der taz, es sei durchaus möglich, dass die Polizei
       über längere Zeit hinweg Stäbchen aus einer Bestellung verwendet habe:
       Üblicherweise würden größere Mengen bestellt, eingelagert und Stück für
       Stück an verschiedenen Tatorten eingesetzt.
       
       Nun könnte eine Debatte über die Verlässlichkeit von Gentests entbrennen.
       Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) stellt die mögliche Panne
       die DNA-Analysen nicht grundsätzlich infrage. Auch ein Sprecher der
       Staatsanwaltschaft in Heilbronn schloss aus, dass Unschuldige verurteilt
       würden. DNA-Spuren an einem Tatort seien der erste Schritt in einer
       Ermittlung. Erst dann folgt die Frage nach Motiven, Alibi und Tathergang,
       wobei trotz DNA-Spuren die Ermittlungsbehörden in der Beweispflicht
       gegenüber dem Verdächtigen stünden.
       
       Fragwürdig bleibt auch, wie viel Ressourcen der Polizei auf eine falsche
       Spur angesetzt wurden. Erst zu Beginn des Jahres hatte das
       Landeskriminalamt Baden-Württemberg die Ermittlungen im Polizistenmord von
       Heilbronn von der dortigen Polizei übernommen - die Beamten hatten 16.000
       Überstunden angehäuft und waren überlastet. "Wir haben immer gesagt, dass
       es mehrere Ermittlungsansätze gibt und die DNA-Spur nur einer davon ist.
       Wir müssen nicht bei null anfangen", sagte ein Sprecher der
       Staatsanwaltschaft Heilbronn.
       
       26 Mar 2009
       
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