# taz.de -- Jung verzichtet aufs Bombodrom: Bürger besiegen Bundeswehr
> Die juristischen Kämpfe ums Bombodrom in Brandenburg sind zuende.
> Verteidigungsminister Jung räumt seine Niederlage ein und verzichtet auf
> den Luft-Boden-Schießplatz.
(IMG) Bild: Die Proteste haben sich gelohnt: Bomben und Düsenjets sind gestrichen.
BERLIN taz | Es wird in Deutschland keinen neuen Übungsplatz für die
Luftwaffe geben. Der Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und der
Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, verkündeten am
Donnerstag das Aus für den Luft-Boden-Schießplatz Kyritz-Ruppiner Heide bei
Wittstock – auch "Bombodrom" genannt.
Er sei zu dem Schluss gekommen, "dass eine Realisierung des Übungsplatzes
nicht mehr möglich ist", sagte Jung. Damit kommt der seit 1992 dauernde
Streit zwischen der Bundeswehr und den Anwohnern in Brandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern sowie sämtlichen dort ansässigen Politikern aller
Parteien zu einem Ende.
Zuletzt hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im März der
Bundeswehr die Nutzung des Platzes untersagt. Unter anderem warfen die
Richter der Bundeswehr schwere Planungsfehler vor. Jung erklärte nun, dass
er mit seiner Entscheidung "weder dem Urteil noch den Kritikern inhaltlich
recht" gebe. Vielmehr seien seine Motive pragmatischer und politischer
Natur.
Es gebe Zweifel an den Erfolgsaussichten einer Revision vor der
nächsthöheren Instanz. Weitere Prozesse würden wieder Jahre dauern, "in
denen wir den Platz nicht nutzen können." Schließlich habe der Bundestag
letzte Woche in einer Petitionsentscheidung seine Haltung geändert und sich
gegen den Schießplatz ausgesprochen.
Seit dem Urteil im Frühjahr rechneten Verteidigungspolitiker wie Aktivisten
schon damit, dass Jung die Pläne aufgeben werde. Die Frage sei nur, wie
Jung dabei noch das Gesicht wahren könne, hieß es. Und doch verschlug es am
Donnerstag Jens-Peter Golde, dem Bürgermeister von Neuruppin und
Vorstandsvorsitzenden der Bürgerinitiative Pro Heide, die Sprache, als er
vom Verzicht erfuhr. "Jetzt wird mir erst mal schwindlig", sagte er - und
brauchte ein paar Sekunden, um sich zu fangen.
Bei den Bürgerinitiativen herrschte sofort ganz ungetrübte Freude. "Es ist
unglaublich, dass es endlich so weit ist, nach so langer Zeit", sagte
Benedikt Schirge, Sprecher der Bürgerinitiative Freie Heide. Nach 17 Jahren
Widerstand, über 100 Protestwanderungen und 27 gewonnen Verfahren seien die
Aktivisten an ihrem Ziel. "Man muss erst mal realisieren, dass etwas, wofür
man jahrelang gekämpft hat, in einer halben Stunde über die Bühne geht",
sagte Golde mit Blick auf die kurzfristig anberaumte und kurz gehaltene
Pressekonferenz des Verteidigungsministers.
Zufrieden zeigte sich auch der Verteidigungsexperte der Grünen, Winfried
Nachtwei: "Das ist ein Riesen-Langstreckenerfolg der breitesten
Bürgerbewegung im vereinten Deutschland. Der Minister hat Realismus und
Klugheit im Amt gezeigt - im Unterschied zu seinen Vorgängern." Nachtwei
ist überzeugt, dass die Luftwaffe überhaupt gar keinen neuen Übungsplatz
braucht: "Bislang ging es ja auch ohne."
Die Bundeswehr sieht das freilich anders. Generalinspekteur Schneiderhan
betonte: "Die Einsatzbereitschaft der Luftwaffe hat höchsten Stellenwert."
Es müsse möglich sein, "das Zusammenspiel von Fliegerleitoffizieren und
Piloten" zu trainieren. Der Fliegerleitoffizier zeigt dabei dem Piloten
genau, wohin er schießen oder bomben soll.
Schneiderhan sagte, er trage Jungs Entscheidung nur unter der Bedingung
mit, dass die Schießplätze Siegenburg in Bayern und Nordhorn in
Niedersachsen "dauerhaft erhalten" blieben. Jung ergänzte, die Belastung
dieser beiden Orte - deren Abgeordnete ebenfalls murren - werde nicht
erhöht. Stattdessen werde die Luftwaffe "Ausgleich im europäischen und
nichteuropäischen Ausland suchen". Dies koste Geld und belaste das
Personal. Doch fänden 45 Prozent der Flugübungen schon im Ausland statt.
"Es gibt bereits vertragliche Vereinbarungen", sagte Jung. Konkreter wurde
er nicht.
Die Luftwaffe erklärte, es sei noch nicht absehbar, wohin der "Schieß- und
Bombenabwurfbetrieb" nun ausweichen könne - infrage kämen dafür alle
möglichen Nato-Länder. Die zurzeit genutzten Gegenden etwa vor Sardinien
seien jedenfalls nicht geeignet. Ganz sicher aber werde nicht in
Afghanistan geübt - "absoluter Schwachsinn", sagte der Luftwaffensprecher
dazu. Dafür, ein solches Gerücht in die Welt zu setzen, "fehlt mir
jegliches Verständnis."
Der Neuruppiner Unternehmer Golde hofft nun auf ein kleines
Wirtschaftswunder für die Region: "Banken werden nun mit den Grundstücken
ganz anders arbeiten können", sagte er. Kredite etwa für Hotels würden eher
bewilligt, wenn nicht die Gefahr bestehe, dass in wenigen Jahren
Tiefflieger über die Region donnern. "Auf den Immobilienmarkt wird sich die
Entscheidung sehr positiv auswirken."
Aktivist Schirge äußerte sich zu Zukunftsplänen nur vorsichtig. "Was mit
den Traditionen passiert, werden wir sehen", sagte er. Natürlich hätten die
Menschen, die an den Protesten beteiligt waren, auch noch andere
Engagements. Der nächste Termin für die Bewegung bleibt aber der kommende
Sonntag: Aus der geplanten Protestwanderung soll eine Freudenwanderung
werden. Denn, so Schirge: "Freude muss man teilen."
9 Jul 2009
## AUTOREN
(DIR) S. Bergt
(DIR) U. Winkelmann
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