# taz.de -- Piratenpartei in der "Jungen Freiheit": Die Freiheit, die wir meinen
       
       > Andreas Popp, Vize-Chef der Piraten, hat der rechtskonservativen „Jungen
       > Freiheit“ ein Interview gegeben. Politisch war das instinktlos,
       > ideologisch problematisch.
       
 (IMG) Bild: Die Piratenpartei: Klar Schiff machen.
       
       Zum zweiten Mal in kurzer Zeit fällt die Piratenpartei durch mangelnde
       Distanz zum rechten Rand auf: Im Juli 2009, kurz nach dem Bundesparteitag
       der Piraten, ging der Fall "Bodo Thiesen" durch die Medien. Jetzt hat der
       stellvertretende Parteichef Andreas Popp der rechtslastigen "Jungen
       Freiheit" ein Interview gegeben, inzwischen hat sich Popp von dem Gespräch
       distanziert.
       
       Dennoch ist das Ganze problematisch, gilt doch die "Junge Freiheit" vielen
       Rechtsextremismusforschern als Sprachrohr der "Neuen Rechten". Auch hat
       Popp in dem Interview Position für Bodo Thiesen bezogen. Thiesen war früher
       mehrmals mit kruden Thesen zum "Dritten Reich" aufgefallen.
       
       Im Netz schrieb er: "Meine Ansichten über die Deutsche Geschichte
       entsprechen sicherlich nicht der allgemeinen Lehrmeinung. […] Ob nun die
       Juden (und die nichtjüdischen Opfer, die ich in Folge nicht jedes Mal
       separat aufzählen werde) in Auschwitz vergast wurden oder auf anderem Wege
       getötet wurden, spielt für die Entscheidung, jedes Menschenleben unabhängig
       von der Hautfarbe, Religion usw. schützen zu müssen, keine Rolle. Sie
       spielt auch keine Rolle in der Bewertung, ob die Judenverfolgung ein
       Verbrechen war, oder nicht."
       
       Obwohl dies den Anwesenden auf dem Bundesparteitag der Piratenpartei
       bekannt war – es gab eine Nachfrage zum Thema, Thiesens Antwort wurde mit
       lautem Beifall quittiert – wählten die Piraten Thiesen zum „Ersatzrichter“
       im Schiedsgericht der Partei. Nachdem die Causa Thiesen in den Medien
       hochkochte, distanzierte sich der Bundesvorstand der Partei, erkannte ihm
       befristet bis September 2010 die Berechtigung, für Ämter zu kandidieren, ab
       und startete ein Parteiausschlussverfahren.
       
       Die Piratenpartei verwahrte sich damals dagegen, eine nach rechts offene
       Flanke zu haben und sprach von Äußerungen "eines einzelnen Mitglieds".
       Jetzt allerdings hat Piraten-Bundesvorstandsmitglied Andreas Popp der
       „Jungen Freiheit“ ein Interview zum Thema Netzpolitik gegeben. Zu Thiesen
       sagte Parteivize Popp im JF-Interview, der sei kein Rechtsextremer,
       "sondern jemand der gerne provoziert, um sich wichtig zu machen."
       
       Bis vor einigen Jahren wurde die "Junge Freiheit" noch vom
       Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg
       beobachtet, in den 90er Jahren warb man mit dem Slogan "Jedes Abo eine
       konservative Revolution". Zwar finden sich in letzter Zeit in der „Jungen
       Freiheit“ durchaus auch kritische Bemerkungen zur NPD – gleichwohl, spiele
       sie immer noch eine relevante Rolle als "Bewegungsunternehmerin" im rechten
       Spektrum, sagt der Rechtsextremismusexperte Wolfgang Gessenharter.
       
       Der emeretierte Politologe Gessenharter hat sich eingehend mit der „Jungen
       Freiheit“ auseinandergesetzt und wundert sich, dass die Piratenpartei sich
       für ein solches Interview hergibt. Auch wenn sich die Rechtspostille heute
       nicht mehr proaktiv auf die konservative Revolution und ihren Vordenker
       Carl Schmitt beziehe, so sei der Schmittismus der "Jungen Freiheit" doch
       weiterhin nachzuweisen. Dieser manifestiere sich in Formulierungen wie
       "Eine schlüssige Beweisführung der Menschenrechte aber gibt es bis heute
       nicht." So gelesen in einer Ausgabe im Jahr 2007. Und weiter "Ihre
       naturrechtliche Begründung mit der ‚Gleichheit’ aller Menschen ist kaum
       überzeugend, weil die Menschen von Natur eher verschieden sind."
       
       Auch dieser weichgespülte Schmittismus ist mit den Grund- und
       Menschenrechten nicht vereinbar. Carl Schmitt, einst Vordenker der Nazis,
       bezeichnete die Grundrechte als "Eselsrechte" – das Parlament schimpfte er
       "Schwatzbude". Schmitts Denken gilt als "antidemokratisch,
       antiparlamentarisch und antiliberal". Die "Junge Freiheit" schrieb mal "Wer
       mit dem Grundgesetz unter dem Kopfkissen schläft, braucht Carl Schmitt
       nicht." Die Vertreter der konservativen Revolution in der Weimarer Republik
       vertraten die Werte "gegen Aufklärung, Demokratie, Individualismus,
       Humanismus und Menschenrechte".
       
       Da wundert es nicht, dass der NPD-Vorsitzende Udo Voigt seine
       demokratiefeindlichen Aussagen ("Ziel ist, die BRD abzuwickeln") zum besten
       geben kann, der französische Neurechten-Vordenker Alain de Benoist schreibt
       regelmäßig in der JF, auch die sich im Spektrum zwischen Rechtsextremismus
       und Rechtspopulismus bewegenden "Bürgerbewegungen" ProKöln und ProNRW
       bekommen in der "Jungen Freiheit" ein – wohlmeinendes – Forum.
       
       Gleichzeitig schmückt sich die "Junge Freiheit" auf ihrer Internetseite mit
       zahlreichen Interviewpartnern aus dem linken und dem liberalen Lager, was
       ihr etwas Schillerndes gibt und die Einordnung schwieriger macht. "Die
       meisten Prominenten geben der 'Jungen Freiheit' Interviews, weil sie nicht
       wissen, was das für ein Blatt ist", sagt Simone Rafael von der
       Amadeu-Antonio-Stiftung. Das führe zu einer Normalisierung im Umgang mit
       der extremen Rechten. Auch heute noch diene die Junge Freiheit als
       Feigenblatt der Rechten im demokratischen Spektrum, „Rassismus und Hass
       schwingen jedoch unterschwellig immer mit."
       
       Wolfgang Bosbach (CDU) steht nicht unter Linksextremismusverdacht –
       gleichwohl lehnt er es kategorisch ab, mit der "Jungen Freiheit" zu
       sprechen. Das Blatt habe versucht, ihn "für ihre Zwecke einzuspannen". Auch
       andere berichten das: Die seien sehr höflich am Telefon, "unheimlich nett"
       und das Interview müsse ja nicht in der Redaktion stattfinden, da passiere
       es schnell schonmal, dass man nicht merkt, mit wem man spricht. Manche
       distanzieren sich im Nachhinein auch, wenn sie gemerkt haben, mit wem sie
       da gesprochen haben – so wie Franz von Hammerstein von der Aktion
       Sühnezeichen.
       
       So ist es auch Andreas Popp ergangen. In seinem Blog [1][distanzierte er
       sich] von dem Interview mit der "Jungen Freiheit" und entschuldigt sich.
       Nun ist es an der Zeit, die Scherben aufzukehren - denn die Nachricht ist
       im Netz und bleibt dort auch erst einmal. Über Mailinglisten, bei Facebook
       und Twitter wird die Nachricht von dem Piraten-Interview in der "Jungen
       Freiheit" weiterverbreitet.
       
       Abermals ist es der Piratenpartei passiert, unsensibel gegenüber
       rechtslastigen Argumentationen gewesen zu sein. Unklar ist, ob nun eine
       ernsthafte Debatte folgt. Bei [2][Spreeblick] kommentiert Frédéric Valin:
       "Es ist noch ein weiter Weg für die Piraten. Sie sollten mal anfangen, die
       Segel zu stellen."
       
       15 Sep 2009
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://andipopp.wordpress.com/2009/09/14/zum-interview-mit-der-jungen-freiheit/
 (DIR) [2] http://www.spreeblick.com/2009/09/15/piraten-auf-kurssuche/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Seeliger
       
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