# taz.de -- Frauenvollversammlung der Berliner Grünen: Männer dürfen auch was sagen
       
       > Einmal jährlich tagt die Frauenvollversammlung der Grünen. In diesem Jahr
       > sind erstmals Männer zugelassen, um über Genderpolitik zu reden.
       
 (IMG) Bild: Den Sonntags-Club gibt es seit den 80ern. Helene Morgenstern Lu ist seit 2018 dabei
       
       Nein, gestrickt wird nicht. Auf der Frauenvollversammlung der Grünen ist
       keine Frau im Selfmade-Strickpulli-Look zu erspähen. 70 Frauen treffen sich
       an diesem Freitagabend in der Jerusalemkirche, viele umarmen sich zur
       Begrüßung, und dann wird gewartet, denn Renate Künast ist ein paar Minuten
       zu spät.
       
       Mit dickem Schal tritt sie ans grün ummantelte Pult, dann prasseln Zahlen
       auf die Zuhörerinnen hinab: 54,4 Prozent Frauenanteil in der
       Bundestagsfraktion der Grünen, nur 19 bei CDU/CSU, 2,5 Prozent Frauen in
       deutschen Aufsichtsräten. "Wir haben mit Merkel und Co. eine
       gleichstellungspolitische Mogelpackung bekommen", ruft Künast in den Saal.
       Am Ende klatscht die Frauenriege kräftig.
       
       An diesem Abend gibt es eine Premiere. Die ist männlich und sitzt in Form
       von drei Parteigenossen versprengt unter den Zuhörerinnen. Zum ersten Mal
       ist das andere Geschlecht auf der jährlich stattfindenden Berliner
       Frauenvollversammlung zugelassen. Der Grund: Im März hatten Grüne zum
       Frauentag ihre Geschlechtsgenossen aufgefordert, sich aktiv für
       Gleichberechtigung einzusetzen. "Genderpolitik ist jedermanns Sache" hieß
       der Aufruf; darüber soll auf der Vollversammlung diskutiert werden. Cem
       Özdemir hatte unterschrieben und spricht per Videobotschaft: Etwas
       verwackelt lobt er die Frauenquote der Partei und sich selbst für das neue
       Männerbild, das er verkörpere.
       
       Derweil hat sich die Diskussionsrunde auf dem Podium eingefunden: Volker
       Ratzmann und Ramona Pop, die sich den Fraktionsvorsitz teilen, Deborah
       Ruggieri von Attac und Daniel Gollasch vom queeren Sonntagsclub. Ratzmann
       hat die Frauen auf seiner Seite, als er erzählt, dass er sich auf dem
       Flughafen total bescheuert vorkomme, wenn er sein Kind nur auf der
       Frauentoilette wickeln dürfe. "Der weiß wenigstens, wovon er spricht",
       raunt eine Frau ihrer Nachbarin zu.
       
       Als die Moderatorin fordert, Cem Özdemir solle sich auf dem nächsten
       Wahlplakat mit Schürze und Kochlöffel präsentieren, ruft eine Zuhörerin:
       "Was soll denn der Scheiß jetzt?", und auch Ratzmann verdreht die Augen.
       "Wir brauchen neue Rollenbilder und keine Umkehrungen", fordert er. Und als
       alle dann darüber nachdenken, wie denn nun solche neuen Frauen- und
       Männerbilder aussehen könnten, bemängelt Daniel Gollasch vom Sonntagsclub
       das dualistische Geschlechterbild seiner Partei. "Es gibt viele, etwa
       transidente Menschen, die sich in den Kategorien Mann und Frau nicht
       wiederfinden." Damit scheinen alle ein bisschen überfordert zu sein.
       
       In zweieinhalb Stunden Diskussion wird viel beklagt und gefordert. Eine der
       Zuhörerinnen bringt es auf den Punkt: "Ich mache seit 30 Jahre
       feministische Politik, und damals haben wir das alles auch schon gesagt.
       Schöne Absichten, aber da ist nichts Konkretes, wie ihr etwas ändern
       wollt." Am Ende muss über eine Resolution abgestimmt werden. Darin wird dem
       Senat vorgeworfen, das Landesgleichstellungsgesetz zu brechen, das eine
       paritätische Besetzung der Leitungsfunktionen in den landeseigenen
       Betrieben vorschreibt. Anlass für die Resolution sind der frei gewordene
       BVG-Vorstandsposten und die Befürchtung der Grünen, dass auch dieser wieder
       mit einem Mann besetzt werde. Alle winken den Antrag durch. Dann gibts
       Rotwein. KATHLEEN FIETZ
       
       23 Nov 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kathleen Fietz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
       
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