# taz.de -- Klimagipfel-Verhaftungen: Lauschangriff auf die "Lümmel"
       
       > Die dänische Polizei steht wegen abgehörter Telefongespräche zwischen
       > Aktivisten und Journalisten in der Kritik. Das dürfte ein politisches wie
       > rechtliches Nachspiel geben.
       
 (IMG) Bild: Keine Clownerie: Die dänische Polizei verstößt gegen die Presse- und Informationsfreiheit.
       
       STOCKHOLM taz | Nach der vorangegangenen Entlassung anderer im Umfeld des
       Kopenhagener Klimagipfels festgenommener AktivistInnen setzte die dänische
       Justiz am Dienstagnachmittag auch zwei in U-Haft genommene Sprecherinnen
       der ”Climate Justice Action” (CJA) wieder auf freien Fuß. Tannie Nybroe und
       Stine Gry Jonassen waren am 16. Dezember während der ”Reclaim
       Power”-Aktion, die das Ziel verfolgte ins Bella-Zentrum einzudringen,
       verhaftet worden. ”Unsere Festnahme war ein Versuch, die CJA und andere
       kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen”, erklärte Jonassen.
       
       Der Hintergrund der Festnahme der beiden CJA-Sprecherinnen hat mittlerweile
       heftige Kritik ausgelöst und dürfte ein politisches wie gerichtliches
       Nachspiel haben. Die Polizei legte zur Begründung der Anordnung einer
       Untersuchungshaft als Beweis nämlich abgehörte Telefonate vor, die beide
       Frauen mit Journalisten der Tageszeitungen PolitikenMetroXpress geführt
       hatten. Bei solchen Abhöraktionen zufällig mitgeschnittene Telefonate mit
       Journalisten waren in der Vergangenheit ähnlich wie Gespräche mit
       Rechtsanwälten oder Geistlichen von der Staatsanwaltschaft nicht als
       Beweismittel in gerichtliche Verfahren eingebracht worden. ”Mir ist kein
       einziger solcher Fall von früher bekannt”, betont Oluf Jørgensen,
       Medienjurist an der dänischen ”Medie- og Journalisthøjskole” (Medien- und
       Journalistenhochschule): ”Das ist ein sehr ernster Angriff auf die
       Pressefreiheit und den Schutz von Informationsquellen.” Der gesetzlich
       verankerte Quellenschutz werde mit einer solchen Praxis umgangen.
       
       Diese Kritik teilt der dänische Journalistenverband und die Chefredaktion
       von Politiken. ”Wir können die Polizei nicht daran hindern, Verdächtige
       abzuhören”, sagt Anders Krab-Johansen, Nachrichtenchef bei Politiken: ”Aber
       Journalisten muss ihr Recht auf vertrauliche Gespräche garantiert bleiben.”
       Werde das jetzige Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft zulässige
       Praxis, könne kein Journalist mehr mit einem Informanten telefonisch oder
       per Email kommunizieren. ”Es soll ja sicher sein, Journalisten zu
       informieren”, kritisiert auch Mogens Blicher Bjerregård, Vorsitzender des
       Journalistenverbands, und warnt: ”Wir befinden uns da auf einer
       abschüssigen Bahn.”
       
       Doch es gibt auch grundsätzliche Zweifel, ob die fraglichen Abhöraktionen
       überhaupt zulässig waren. ”Die Polizei hat hier mit falschen Karten
       gespielt”, sagt Rechtsanwalt Jakob Arrevad, der einen
       ”Greenpeace”-Aktivisten vertritt: Nach dem Strafprozessrecht hätte eine
       solche Abhöraktion nur bei Verdacht einer mit mehr als sechs Jahren Haft
       strafbedrohten Tat zur Anwendung kommen dürfen. Hier sei aber allenfalls
       von 30 Tagen Haft nach dem ”Lümmelgesetz” auszugehen gewesen. Und selbst
       wenn man theoretisch andere Strafvorwürfe konstruiere, erreiche man niemals
       den erforderlichen Strafrahmen.
       
       Das Big-Brother Schreckensszenario in George Orwells ”1984” sei nun nicht
       nur Wirklichkeit geworden, sondern was in Dänemark geschehe, übersteige
       sogar Orwells Phantasie, kritisiert selbst "Konservativ Ungdom" (KU), der
       Jugendverband der regierenden konservativen Partei in einer Erklärung.
       KU-Vorsitzender Rune Christensen: ”Diese Abhöraktion ging viel zu weit”,
       schließlich habe man es nur mit zwei Sprecherinnen einer Klima-Gruppe und
       ”nicht mit gefährlichen Al-Qaida-Terroristen” zu tun gehabt.
       
       Nicht nur die Abhöraktion dürfte ein gerichtliches Nachspiel haben. Mehrere
       Rechtshilfegruppen haben mittlerweile Strafanzeigen wegen der verschiedenen
       Massenfestnahmen in Verbindung mit Demonstrationen oder Happenings im
       Umfeld des Klimagipfels gestellt oder bereiten solche vor. ”Wir werden bis
       zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gehen”, erklärte ein Anwalt der
       Rechtshilfeorganisation ”Krim” gegenüber der Zeitung Arbejderen.
       
       23 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
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