# taz.de -- US-Soldaten auf Haiti: Die erhoffte Besetzung
       
       > "Besser US-Soldaten in Haiti als Hunger." Die Menschen in der zerstörten
       > Hauptstadt begrüßen die US-Militärintervention. Ihrer eigenen Regierung
       > trauen sie nicht.
       
 (IMG) Bild: US-Soldaten sind am Flughafen der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince gelandet.
       
       Wer hilft, ist willkommen. Und da macht es keinen Unterschied, ob er aus
       den USA kommt oder aus Europa. "Hauptsache, sie bringen uns Hilfe", sagt
       Morantus Rony. Der Gelegenheitsarbeiter hat beim Beben seine kleine Hütte
       verloren und lebt jetzt auf der Straße vor dem Haus. Aber er hat einen der
       heiß begehrten Jobs. Der 32-jährige Familienvater fährt einen
       Wassertankwagen. "Ich warte auf sie mit offenen Armen", sagt er über die
       US-Soldaten, die im Anmarsch sind. "Sie hätten schon längst da sein müssen.
       Aber egal wann, Hauptsache, sie kommen endlich und helfen uns. Besser
       US-Soldaten in Haiti als Hunger."
       
       Auch Excès Bruno, ein 32 Jahre alter Anstreicher auf dem Weg zu seiner
       Arbeit, findet die massive US-Truppenentsendung gut: "Das ist wie eine
       Besetzung, aber wir brauchen Hilfe, wir brauchen Essen, wir brauchen
       Wasser, und von der Regierung haben wir schon lange nichts mehr zu
       erwarten", sagt er. "Wenn die Amerikaner kommen, gibt es endlich mehr
       Sicherheit. Ich habe Angst vor Gewalt. Und die Regierung kann den Schutz
       davor schon lange nicht mehr garantieren. Nachher verliere ich auch noch
       das wenige, was ich am Leibe trage."
       
       5.800 Soldaten hat die US-Regierung inzwischen mobilisiert. Manche haben
       die Kontrolle über den Flughafen in Port-au-Prince übernommen. Dazu werden
       7.500 weitere Militärs zur logistischen Unterstützung und die 82.
       Lufttransportkompanie mit 1.000 Mann nach Haiti kommen. Der spanische
       Außenminister Miguel Angel Moratinos kündigte auf der Sitzung des
       EU-Ministerrats die Entsendung paramilitärisch ausgebildeter Militärs an.
       "Es gibt einen dringenden Bedarf an mehr Sicherheit, um die Verteilung der
       internationalen Hilfsgüter zu ermöglichen", begründete Moratinos die
       Entscheidung des EU-Rats.
       
       Auf mehr Sicherheit für sich und seine Familie wartet Fitzgerald Zimma
       schon seit Jahren. "Die Regierung hat es nie geschafft, uns vor Kriminellen
       zu schützen. Jetzt machen es hoffentlich die Marines", sagt der 22 Jahre
       alte Kellner im Zentrum von Port-au-Prince.
       
       Einige haitianische Polizisten schaffen hier Sicherheit auf ihre Weise. Vor
       dem Zentralfriedhof liegen drei Personen in einer riesigen Blutlache:
       erschossen. Vor der Mauer liegt eine vierte Person mit einem Riesenloch von
       einer Pumpgun in der Brust. "Die Polizei hat sie erschossen, es waren
       Ausbrecher aus dem Zentralgefängnis, die geplündert haben", erzählt eine
       Frau. Das Pumpgun-Opfer bewegt sich noch und bittet um Hilfe.
       
       In einem anderen Viertel sind zwei dominikanische Helfer bei der Verteilung
       von Lebensmitteln verwundet worden. Aber Unsicherheit ist im zerstörten
       Port-au-Prince die Ausnahme, nicht die Regel. Meist kümmern sich die Leute
       selbst um ihr Viertel, das sind sie gewohnt.
       
       "Das ist mein Revier, hier sorge ich für Sicherheit", sagt Rico Motambo im
       Stadtviertel Petrus, während seine Mutter von einem Arzt medizinisch
       versorgt wird. "Wir haben Schüsse gehört, aber eigentlich ist es noch
       friedlich. Doch wer weiß, wie das wird, wenn wir nicht bald was zu essen
       bekommen."
       
       Im Vorort Berthé, Teil der Vorstadt Pétionville auf den Bergen östlich von
       Port-au-Prince, sind kaum Schäden zu sehen, und es gibt keine
       Sicherheitskräfte. Seit gestern sieht man zum ersten Mal in Pétionville
       wieder UN-Patrouillen, aber sie begleiten lediglich Wassertransporte.
       
       Im Viertel Delmas hat die Deutsche Welthungerhilfe eine große
       Wasserverteilungsaktion gestartet, mit 11.000 Litern an der größten
       katholischen Schule von Delmas. Sie betont in einer Erklärung, sie lasse
       sich dabei von der haitianischen Polizei schützen. Dieser Schutz ist
       ausgesprochen unauffällig. Denn die Leute sind ungeheuer diszipliniert. Sie
       stehen brav Schlange mit ihren Eimern, niemand drängt sich vor. Alle
       verstehen, dass dies eine riesige und bis dahin nicht gekannte Katastrophe
       ist und dass jetzt alle gleichermaßen Hilfe benötigen.
       
       Wer kann, versucht weiterhin, das Land zu verlassen. Vor der kanadischen
       Botschaft stehen 300 bis 400 Menschen Schlange: Sie warten auf ein Visum in
       ein traditionelles Aufnahmeland für haitianische Emigranten. Schwer
       bewaffnete kanadische Soldaten halten die Menschenmenge in Schach, aber das
       scheint gar nicht nötig zu sein. In umgekehrter Richtung erreichen jetzt
       Menschen aus weiter entfernten Orten, wo die Schäden noch größer sein
       dürften, die Hauptstadt auf der Suche nach Hilfe.
       
       19 Jan 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hans-Ulrich Dillmann
       
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