# taz.de -- Geochemiker zu Bohrinsel-Unfall: "Die Ausbeutung der Meere nimmt zu"
       
       > Der Geochemiker Lorenz Schwark sagt: Die Sicherheitsstandars für
       > Bohrinseln sind strikt genug. Doch in Zukunft muss man immer tiefer
       > tauchen. Da ist es dunkel – Lecks zu beheben wird komplizierter.
       
 (IMG) Bild: Maunsell Sea Forts: Erbaut im Zweiten Weltkrieg, um Großbritannien zu verteidigen.
       
       taz: Herr Schwark, 159 Tonnen Rohöl laufen derzeit täglich in den Golf von
       Mexiko. Ist das eine gefährliche Menge? 
       
       Lorenz Schwark: Nein, glücklicherweise ist das bis jetzt sehr wenig. Das Öl
       wird sich wohl im Golf verteilen und teils an der Meeresoberfläche
       verdampfen, teils auf dem Meeresboden abgebaut. Allerdings war die bislang
       schlimmste Katastrophe der maritimen Ölförderung 1979 ganz ähnlich
       gelagert. Damals waren im Golf von Mexiko 500.000 Tonnen Öl ins Meer
       gelaufen, nachdem die Plattform Ixtoc-1 sank. Das Leck konnte zehn Monate
       lang nicht gestopft werden. Das hatte schwerwiegende ökologische Folgen,
       Muschelbänke, Schildkröten, Vögel und Fische haben massiv gelitten. Das
       könnte natürlich auch hier drohen.
       
       Experten gehen davon aus, das Loch monatelang nicht schließen zu können.
       Lässt sich eine Katastrophe verhindern? 
       
       Neben Entlastungsbohrungen, die den Druck abschwächen und es ermöglichen,
       das Bohrloch mit Zement zu füllen, könnte eine Metallglocke über den
       Bereich gesenkt und das austretende Öl abgesaugt werden.
       
       Sind die Sicherheitsstandards zu niedrig? 
       
       Nein, die Sicherheitsmaßnahmen sind strikt. Das resultiert auch aus der
       Tatsache, dass die Investitionssummen für Ölplattformen sehr hoch sind, ab
       500 Millionen Dollar aufwärts. Keine Leasingfirma würde das finanzieren,
       wenn die Risiken nicht so niedrig wie möglich gehalten würden.
       
       Wer legt die Sicherheitsstandards fest? 
       
       Zum einen haben die Betreiberfirmen wie Transocean eigene Standards.
       Außerdem greifen nach internationalem Seerecht innerhalb von 370 Kilometern
       die Bestimmungen der Länder, vor deren Küsten Öl gefördert wird. Außerhalb
       dieser Zonen ist das Wasser meist so tief, das es kaum Aktivitäten gibt.
       Problematisch sind allerdings weniger mangelhafte Bestimmungen als ihre
       Überwachung. Die funktioniert in den USA gut, in anderen Staaten hingegen
       nicht so. Im Einzelfall lassen sich fehlende Kontrollen allerdings schwer
       nachweisen.
       
       Ist die Förderung oder der Schiffstransport von Öl gefährlicher? 
       
       Die Förderung, weil größere Mengen austreten können, wenn Sie einmal ein
       Loch in den Meeresboden gebohrt und eine Lagerstätte erreicht haben. Zwar
       sind Schiffe gefährdeter, doch können Sie immer nur begrenzte Mengen
       freisetzen.
       
       Es wird immer mehr Öl im Meer gefördert. Wie gefährlich ist das? 
       
       Gigantische Lagerstätten werden derzeit vor allem in der Tiefsee gefunden,
       ab 2.000 Metern. Dort nimmt die Ausbeutung dramatisch zu, vor allem vor den
       Küsten Brasiliens und Westafrikas. Zugleich birgt sie große technische
       Herausforderungen: Dort können Sie nur mit Robotern arbeiten, so tief kann
       kein Mensch tauchen. Außerdem ist es dort dunkel - Lecks können nur schwer
       behoben werden. Das ist ein massives Problem.
       
       Erwarten Sie dort größere Unfälle? 
       
       Statistisch ist das einfach: Je mehr Aktivitäten es gibt, desto größer ist
       auch die Zahl der möglichen Unfälle.
       
       Das heißt? 
       
       Die Umweltprobleme, die die Erdölforderung an Land etwa in Russland
       verursacht, sind viel größer. Dort gehen rund 20 Prozent des geförderten
       Öls aufgrund von Unfällen und Sabotage verloren. Und etwa 30 Prozent der
       Gase, die bei der Förderung als Nebenprodukt austreten, werden einfach
       abgefackelt. Meist ist das äußerst klimaschädliches Methan. Das sind
       Mengen, die umfassen nahezu die Pkw-Flotte Westeuropas. Das sollte man mit
       dem Unfall im Golf von Mexiko ins Verhältnis setzen.
       
       28 Apr 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Holdinghausen
       
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