# taz.de -- Eine kleine Geschichte des Containers: Kein Rappeln in der Kiste
       
       > Mehr als 90 Prozent aller Waren werden in Containern transportiert. Mit
       > der Krise geriet auch der Containerverkehr ins Stocken. Eine Geschichte
       > über die wichtigste Box unserer Zeit.
       
 (IMG) Bild: Beim Container gilt: Die Uniformität ist seine Existenzbedingung.
       
       Alles sieht aus wie immer. Container stapeln sich turmhoch und bunt entlang
       der Häfen. Auf Schiffen vor den Anlegestellen und weit in die Kaianlagen
       hinein. Kräne überragen das Ganze. Die gleiche Szenerie in Hamburg,
       Hongkong oder Barcelona. Man kennt diese Bilder aus den Fernsehnachrichten
       und den Wirtschaftsteilen der Zeitungen. Die riesigen Behälter stehen für
       internationalen Warenhandel, illustrieren weltweite Exporttrends, kurz: Sie
       sind Symbol der Globalisierung. Jeder sechs Meter lang, 2,44 Meter breit,
       2,60 Meter hoch, aus Stahl: Sie stehen für die Containerisierung der Welt.
       
       Ja, alles sieht aus wie immer, doch in den Containerhäfen ist derzeit
       nichts wie immer. Die Fracht liegt teilweise seit Monaten in den
       Schiffsbäuchen, weil die Kunden kein Geld haben, sie auszulösen, viele der
       Container sind auch einfach leer. Und zwar immer mehr. Allein in China
       waren es Anfang des Jahres 160.000 Stück. Im Vergleich zum Vorjahr sind die
       Transportraten weltweit um 15 Prozent gesunken, die Preiskurven krachten
       mit Wucht nach rechts unten. Es sei die bislang größte Krise der Branche,
       heißt es. Auch jetzt spiegelt sich die Situation der globalen Wirtschaft in
       den Containern. Sie sind gestrandet, ins Stocken geraten. Sie sind Symbol
       der Globalisierung - und gleichzeitig ihr Symptom.
       
       Damit hätte wahrlich niemand gerechnet, als die Box erfunden wurde.
       Logistik hieß noch schlicht Transport, als der US-amerikanische Spediteur
       Malcolm McLean 1956 auf die clevere Idee kam, seine Fracht in jenen Boxen
       vom Land übers Wasser aufs Land zu transportieren, statt alles jedes Mal
       entladen und wieder aufladen zu müssen. Er war 43, es war die Zeit, als
       Herren noch Hüte trugen, im deutschen Fernsehen lief damals noch nicht
       einmal Werbung. Wann genau der Container selbst erfunden wurde, ist
       umstritten.
       
       So gründete die Internationale Handelskammer bereits 1933 das "Bureau
       International des Containers" in Paris, das bis heute die Interessen der
       Branche vertritt. Der Aufmachertext der ersten Ausgabe der
       Verbandszeitschrift klärte erst einmal auf: "Was ist ein Behälter" lautete
       die Schlagzeile, darunter ein Foto von einer Art Bauwagen am Haken, hoch
       über einem Hafenbecken schwebend. Auch wenn sich in den USA und Europa
       parallel ähnliche Transportprinzipien entwickelten: Es war McLean, der
       erkannte, dass sich uniforme Behältnisse standardisiert befördern lassen
       würden und man so eine Menge Zeit und somit auch Geld sparen könnte. 58
       Kisten packte er an einem diesigen Apriltag auf die "Ideal X", die Fahrt
       des allerersten Container-Frachtschiffs ging von New York ins texanische
       Houston. Das war der Beginn der "Just in time"-Lieferung, der Anfang vom
       Ende großer Lagerhallen. Die Meere, Schienen und Straßen wurden zum
       ortlosen Warendepot.
       
       Das Ganze hätte genauso gut scheitern können. Denn, klar: Dieses Prinzip
       funktioniert nur, wenn an allen Verladestationen die gleichen Vorrichtungen
       paratstehen, um die Stahlboxen vom Lkw aufs Schiff, auf die Schiene und
       zurück auf den Lkw zu hieven. Mit der "Macht einer Naturerscheinung" habe
       sich diese Transportweise durchgesetzt, schreibt der Kulturwissenschaftler
       Alexander Klose in seinem jüngst erschienenen Buch "Das Containerprinzip".
       War die "Ideal X" gerade einmal knapp 160 Meter lang, messen die größten
       ihrer Art heute knapp 400 Meter.
       
       Am meisten Cargo fasst derzeit die "MSC Daniela": 14.000 Standardcontainer
       von 20 Fuß Länge, der üblichen Maßeinheit, auch abgekürzt als TEU für
       "Twenty-foot equivalent unit". 2008 waren weltweit 525 Millionen TEU
       unterwegs. Vor zwanzig Jahren war es gerade einmal ein Sechstel. Diese Box,
       erklärt Klose, hat "unser Denken verändert". Und, ganz unaufdringlich,
       unseren Alltag. Selbst der Erdbeerjoghurt im Kühlregal ist aus Einzelteilen
       aus allen Ecken der Welt zusammengerührt. Wir alle sind umgeben von den
       immer gleichen Containerspuren.
       
       Und in der Tat: Der Container steht wie sonst kaum ein Ding für die
       zunehmende Homogenisierung der Welt. Bei weltweit vertretenen Marken wie
       McDonalds, Coca-Cola oder etwa Ikea gibt es hier und da regionale
       Unterschiede, die Zutaten sind anders, der Geschmack, die Auswahl sind
       nicht identisch. Doch beim Container gilt: Die Uniformität ist seine
       Existenzbedingung. Er ist von vorneherein darauf ausgelegt, international
       absolut kompatibel zu sein. Er passt immer, egal wohin er kommt. Wer ihn
       transportiert, ihn entgegennimmt, weiterbefördert, hat Kräne,
       Sattelschlepper, Waggons auf exakt jene Maße abgestimmt, runter, rauf,
       zack, zack. Die Liberalisierung der Weltwirtschaft war streng genommen nur
       dank dieses Systems möglich. Geschätzte 90 Prozent aller Waren werden heute
       so befördert.
       
       Diese Stahlkiste ist ein Modul, eine Einheit. Ein Transportmittel im
       Wortsinn - ein Medium. Es befördert Inhalt von einem Ort zum anderen.
       Allerdings ist dieses Medium das direkte Gegenteil von anderen Formen der
       Kommunikation; in der Containersprache gibt es nur absolutes Verstehen, es
       fehlen Missverständnisse, falsche Interpretationen, irgendetwas zwischen
       den Zeilen gibt es nicht. Reibungslos eben. Fast.
       
       Denn auch wenn das Medium, der Inhaltstransporter, problemlos überall
       andocken kann, in Empfang genommen wird, als das erkannt wird, was es ist,
       so gibt es doch eine markante Leerstelle: den Inhalt selbst. Völlig zu
       Recht spricht der Kulturwissenschaftler Klose daher von der "Blackbox des
       Transports", stellt einen Vergleich her zur sagenhaften Büchse der Pandora,
       der "großen Behälterfigur abendländischen Denkens". Was drin ist, merkt man
       erst hinterher.
       
       Dieses Zusammenspiel macht es so leicht, diese Stahlkiste als Bild für
       etwas so Abstraktes wie die Globalisierung einzusetzen. Auf der einen Seite
       ist der Container zu einer Ikone geronnen, die überall und sofort von allen
       wiedererkennbar ist. Auf der anderen Seite aber: Geheimniskrämerei. Von
       außen ein Kasten, so simpel und schnörkellos wie ein Legostein, und innen,
       tja, das Innenleben bleibt rätselhaft. Was sich hinter den gestanzten
       Stahlwänden verbirgt, ist letztlich so unfassbar und unbestimmt wie das
       Wesen einer globalisierten Weltgesellschaft.
       
       Kein Wunder stürzten sich die Küstenbewohner in Cornwall alle an den
       Strand, als dort vor fast drei Jahren Container an den Strand gespült
       worden waren, weil die "MSC Napoli" auf Grund gelaufen war. Es ging weniger
       ums Plündern, schien es, als darum, den Inhalt endlich zu sehen.
       
       Und jetzt sind sie dank der Krise zu wahren Leerstellen geworden, bloße
       Hülsen, ohne Ladung. Das war zuvor undenkbar - Container waren voll, ihr
       Wesen ist immerhin, etwas zu beinhalten. Doch die in den Häfen der Welt
       gestrandeten Stahlkisten werden fortan zu mehr taugen als zum Sinnbild des
       florierenden Globalhandels.
       
       Wer Container als Symbol abdruckt, wird nun immer beide Interpretationen
       mitliefern: den Aufschwung und die Krise. Denn ob etwas drin ist, sieht man
       schließlich nicht. Dass es weltumspannende Netzwerke gibt, davon zeugt
       allein ihre Existenz, stählern und berechenbar.
       
       Vielleicht sang Phillip Boa deshalb einst eine Hymne auf "Container Love",
       die Liebe zu einem Container. Nichts ist verlässlicher als die Kiste
       selbst. Du bekommst nur, was du siehst, und unkaputtbar sind sie obendrein.
       
       7 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Haeming
       
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