# taz.de -- Bedrohte US-Küste: Mit dem Öl kommt die Laichzeit
> Im Golf von Mexiko haben die Einsatzkräfte mit der Entlastungsbohrung am
> Meeresgrund begonnen. Das Ökosystem schwebt ohnehin in höchster Gefahr –
> und das auch noch in der Laichzeit.
(IMG) Bild: Warten auf den Ölteppich: Für die Vögel von Breton Island im US-Bundesstaat Louisiana hat die Brutzeit begonnen.
BERLIN taz | Die Einsatzkräfte im Golf von Mexiko kämpfen weiterhin
fieberhaft gegen die Ölpest. BP hat nach eigenen Angaben inzwischen
allerdings mit der angekündigten Entlastungsbohrung begonnen. Damit soll
der Druck im bisherigen Bohrloch gesenkt werden, um es anschließend mit
einer Spachtelmasse zu verschließen.
Die ganze Aktion wird einige Zeit in Anspruch nehmen: der Ölkonzern rechnet
mit drei Monaten. Experten sehen darin allerdings die einzige Möglichkeit,
die Situation im Golf von Mexiko dauerhaft in den Griff zu bekommen.
Außerdem sollte am Dienstag versucht werden, die erste von drei
Abdeckglocken zur Unfallstelle zu bringen. Mit Hilfe dieser großen Kuppeln
können nach Schätzungen von BP etwa 85 Prozent des ausströmenden Öls
aufgefangen und an die Oberfläche gepumpt werden. Dort wird ein Bohrschiff
das Gemisch aus Wasser, Öl und Gas aufnehmen.
"Wir hoffen, dass das gesamte System innerhalb einer Woche funktioniert",
sagte der US-Geschäftsführer von BP, Doug Suttles.
An der Küste fürchten Bewohner und Naturschützer gleichermaßen die Ankunft
der ersten Ölklumpen, die Strände und Naturschutzgebiete verseuchen werden.
Neben den vielen heimischen Arten sind auch Tiere in Gefahr, die im Golf
von Mexiko ihre Laich- und Brutplätze haben.
Britta König vom WWF-Zentrum für Meeresschutz sagte der taz, dass
beispielsweise die Blauflossenthunfische besonders betroffen seien. "Das
ist ohnehin schon ein kleiner, gefährdeter Bestand, der in den letzten 30
Jahren um mehr als 80 Prozent zurückgegangen ist", erklärte König.
Die Tiere kommen in ihrer Laichzeit von April bis Juni ganz gezielt in den
Golf von Mexiko. Ihre empfindlichen Fischeier haben gegen den Ölteppich
keine Chance und die Fische selbst sterben an den Giftstoffen des Öls oder
ersticken, weil ihre Kiemen verklebt werden.
Auch verschiedene Meeresschildkröten steuern momentan direkt auf die
Gefahrenstelle zu. Sie nähern sich vom offenen Meer der Küste und müssen im
Ölteppich zum Aufatmen an die Oberfläche.
"Beim Auftauchen überzieht ein Ölfilm ihre Nasenlöcher, sodass die
Luftzufuhr begrenzt wird", sagte König. Zudem könne das Öl die inneren
Atmungsorgane schädigen.
Die Ölpest bedroht nun auch in besonderem Maße die Küste Floridas mit ihren
Korallenriffen, weil sich der Wind gedreht hat. Meteorologen erwarteten
allerdings auch ruhigeres Wetter. Dadurch steigen die Chancen, größere
Teile des Ölteppichs mit Hilfe der kilometerlangen Barrieren daran zu
hindern, sich weiter der Küste zu nähern.
Außerdem könnte erneut versucht werden, Teile des Ölteppichs auf dem Meer
abzufackeln. Das Verfahren ist allerdings umstritten, weil Schadstoffe
teilweise im Wasser bleiben oder in die Luft gelangen.
5 May 2010
## AUTOREN
(DIR) Jens Klein
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Untersuchungen zur Ölpest: "Für Aufklärung viel zu früh"
Was verursachte die Katastrophe an der Ölbohrinsel im Golf von Mexiko?
Kommissionen in den USA versuchen, das herauszufinden. Die staatlichen
Kontrolleure sehen dabei nicht gut aus.
(DIR) Ölkatastrophe im Atlantik: "Sie wollen keine Bilder haben"
Erstmals Proteste gegen den Bohrinsel-Betreiber BP: In New Orleans gehen
mehrere hundert Menschen auf die Straße - weil der Ölkonzern kaum
freiwillige Helfer an die Küste lässt.
(DIR) Ölkatastrophe im Atlantik: BP verspricht hohe Entschädigungen
Vor dem US-Senat beschuldigen sich die mutmaßlichen Verursacher der Ölpest
im Golf von Mexiko gegenseitig. BP verspricht umfangreichen Schadensersatz.
(DIR) Ölpest: Experiment gescheitert
BP bricht den Versuch ab, einen Deckel über das Bohrloch zu stülpen. Bald
könnte noch bis zu zehnmal so viel Erdöl ausströmen, hat ein
Konzernsprecher dem US-Kongress erklärt.
(DIR) Golf von Mexiko: BP dichtet erstes Leck der Bohrinsel ab
BP setzt inzwischen Chemikalien gegen den gigantischen Ölteppich ein. Und
die Öffentlichkeit streitet darüber, welche Lehren aus der Katastrophe
gezogen werden können.
(DIR) Kommentar Obama: Opfer des eigenen Opportunismus
Als konsequenter Umweltschützer kann der US-Präsident sich jetzt nicht mehr
verkaufen. Ab noch hat Obama die Chance, die Krise zu seinen Gunsten zu
wenden.
(DIR) Obama sichtet die Ölpest: "BP wird die Rechnung zahlen"
Schlechtes Wetter erschwert die Bekämpfung der Ölpest im Golf von Mexiko.
Obama macht sich ein Bild vor Ort und spricht von einer "möglicherweise
noch nie dagewesenen Naturkatastrophe".
(DIR) Ölpest 1.500 Meter unterm Meer: Wie bitte schließt man ein Bohrloch?
Insgesamt 76 Schiffe sammeln inzwischen das Öl am Golf von Mexiko ein, ein
schwieriger Kampf gegen die Elemente. Doch noch viel schwerer ist es, das
Bohrloch endlich zu verschließen.
(DIR) Geochemiker zu Bohrinsel-Unfall: "Die Ausbeutung der Meere nimmt zu"
Der Geochemiker Lorenz Schwark sagt: Die Sicherheitsstandars für Bohrinseln
sind strikt genug. Doch in Zukunft muss man immer tiefer tauchen. Da ist es
dunkel – Lecks zu beheben wird komplizierter.