# taz.de -- Portugal setzt auf erneuerbare Energien: Mit Ökostrom aus der Krise
> Obwohl sie massiv sparen muss, investiert Portugals Regierung in
> erneuerbare Energien. Und steckt sich ehrgeizige Ziele für ein Land, das
> tief in der Krise steckt.
(IMG) Bild: Das kleine Portugal ist längst einer der Großen in Sachen erneuerbarer Energien - allen voran bei der Windenergie.
MADRID taz Portugal tritt die Flucht nach vorn an. Die Regierung in
Lissabon hat erneuerbare Energien als Motor für die Krisenbewältigung
auserkoren. "Portugal wird bei dieser weltweiten Revolution nicht außen vor
bleiben", beteuert der sozialistische Ministerpräsident José Sócrates. Bis
2020 werde Wirtschaft und Regierung insgesamt 32 Milliarden Euro in
erneuerbare Energien investieren. Acht neue Wasserkraftwerke mit einer
Gesamtleistung von 1.300 MW sollen entstehen, und die Windenergie soll die
installierte Leistung bis 2020 auf 8.500 Megawatt mehr als verdoppeln.
Es sind ehrgeizige Ziele für ein Land, das tief in der Krise steckt. Das
Haushaltsdefizit liegt derzeit bei 9,3 Prozent des BIP. Die
Staatsverschuldung dürfte in diesem Jahr von 76,6 Prozent des BIP auf über
85 Prozent steigen. Jeder zehnte Portugiese ist arbeitslos. Ein Sparplan
soll das Haushaltsdefizit bis 2013 auf 2,8 Prozent senken. Dazu werden die
Gehälter von Beamten und öffentlichen Angestellten 2010 eingefroren,
öffentliche Betriebe privatisiert, Sozialausgaben gekürzt und die Steuern
für Besserverdienende angehoben. Nur die erneuerbare Energien bleiben beim
Sparen außen vor.
Mit deren Ausbau verfolgt die Regierung Sócrates zwei Ziele. Zum einen soll
das Land von teuren Öl- und Gasimporten unabhängiger werden. Zum anderen
sollen bis 2020 zusätzliche 121.000 Menschen in einer Branche Arbeit
finden, die bereits heute mehr als 35.000 direkt und indirekt beschäftigt.
Das kleine Portugal mit seinen etwas mehr als 10 Millionen Einwohnern ist
nämlich längst einer der Großen in Sachen erneuerbarer Energien - allen
voran bei der Windenergie. In absoluten Zahlen liegt das Land hier mit
3.535 MW zwar nur auf Platz 6 in Europa. Doch relativ zu Bevölkerung und
Energieverbrauch liegt Portugal hinter Dänemark auf Platz 2 und hat damit
selbst Spanien und Deutschland abgehängt.
Die Daten des portugiesischen Netzbetreibers Ren zeigen, dass im
vergangenen Jahr 15,03 Prozent des landesweiten Stromverbrauchs mit
Windkraft gedeckt wurden. Rechnet man weitere erneuerbare Quellen hinzu,
kommt Portugal auf einen Anteil von 35,9 Prozent erneuerbaren Strom.
Laut einer Studie, die die Branchenverbänden ausarbeiteten, könnten 2020
rund 82 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden.
Das rechnet sich langfristig. Allein bis 2015 würde Portugal dadurch 13
Milliarden Euro an Energieimporten einsparen.
Portugal gehört zu den Ländern in der EU, die ihre Ziele für Erneuerbare
und Klimaschutz bis 2020 erfüllen. 31 Prozent seines Endenergiebedarfs soll
das Land danach aus erneuerbaren Quellen zu decken. "Portugal verfügt über
die Voraussetzungen, diesen Wert zu überschreiten", heißt es in einem
Regierungsbericht vom Dezember.
Maßgeblich werden hierzu Wasser- und Windkraft beitragen. Die Windenergie
erlebte in den letzten Jahren einen regelrechten Boom. 2004 waren nur etwas
mehr als 500 MW in Portugal installiert. Zum Jahresende 2009 drehten
bereits 3.535 MW. Allein im vergangenen Jahr gingen 673 MW ans Netz, eine
Zuwachsrate von 23,5 Prozent. 2010 werden nach Schätzungen aus der Branche
abermals 500 bis 600 MW hinzukommen.
14 Jun 2010
## AUTOREN
(DIR) Reiner Wandler
## TAGS
(DIR) Portugal
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Parlamentswahl in Portugal: Regierung verliert absolute Mehrheit
In Portugal bleibt die Partei von Regierungschef Coelho stärkste Kraft. Sie
wird es aber schwer haben, sein Sparprogramm fortzusetzen.
(DIR) Stadt plant Steuer auf Windkraftanlagen: Wind ums Rad
Luckau will mehr Geld von Betreibern von Windrädern. Andere Orte könnten
nachziehen. Die Grünen befürchten, dass der Ausbau von Windkraftanlangen
dadurch behindert wird.
(DIR) Wie Frauen vom Atomstrom loskommen: Ökostrom für Anfänger
Mehr Frauen als Männer sind gegen Atomkraft. Sind sie also schuld, wenn
Haushalte nicht zu Ökostrom wechseln? Über ein Forschungsprojekt und
Stromwechselparties.
(DIR) Kommentar Ökostrom: Rechnung ohne Folgekosten
Der Marktpreis täuscht. Er verschweigt, dass Kohle- und Atomstrom über
Jahrzehnte mit knapp 600 Milliarden Euro gefördert wurden. Und er berechnet
nicht die Folgekosten.