# taz.de -- Pakistans politische Zukunft: Das Wasser und die Demokratie
       
       > Noch ringen die Helfer in Pakistan mit den Folgen der Überschwemmung.
       > Doch schon kämpfen demokratische Kräfte, Armee und Radikale um die
       > politische Hoheit.
       
 (IMG) Bild: Flüchtlinge in Pakistan warten auf Versorgung.
       
       ISLAMABAD taz | Die vielen Hilfsakteure in Pakistan streiten sich. Doch
       manche glauben, dass am Ende doch die demokratisch gewählte Regierung die
       Flut besiegen kann.
       
       Bald ein Monat ist seit Beginn der pakistanischen Flutkatastrophe
       vergangen. Doch noch immer ist die Flut mächtiger als alle Hilfe. Die Zahl
       der mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Medikamenten unterversorgten
       Flutopfer umfasst Millionen und steigt nach Schätzung des Roten Kreuzes in
       Pakistan weiterhin täglich an. "Die Zahl der hungernden Menschen, die keine
       Hilfe erreicht, ist riesig. Weil die Fluten jetzt im Süden besonders
       bevölkerungsreiche Gegenden erreichen, müssen wir annehmen, dass die Zahl
       der Hungernden weiter steigt", sagt Michael OBrien, Sprecher des
       Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, in Islamabad (ICRC). OBrien ist
       seit sieben Jahren vor Ort verantwortlich für humanitäre Einsätze des Rotes
       Kreuzes in Pakistan und Afghanistan. Er zählt zu den wenigen westlichen
       Experten für die Region in diesem Bereich.
       
       Die trüben Nachrichten bringen aber auch einen Vorteil mit sich: Noch gibt
       es keine Selbstgewissheit unter den Akteuren. "Wir haben bisher nichts
       erreicht", sagt der führende pakistanische Regierungspolitiker Hasham Baber
       angesichts der sich immer noch ausweitenden humanitären Katastrophe. Alle
       an den Hilfsaktionen Beteiligten stehen mit dem Rücken zur Wand. "Es fehlt
       an allem: Geld, Hilfsgütern und Verteilungsmechanismen", sagt OBrien.
       Regierung und Opposition in Islamabad, aber auch das pakistanische Militär
       und die internationalen Hilfsorganisationen stehen unter enormen
       Bewährungsdruck. Noch hat keiner "auch nur einen Penny" gegen die Flut
       gewonnen, sagt Baber. Der ehemalige Militär ist stellvertretender
       Generalsekretär der Awami-Partei (ANP).
       
       Die ANP zählt zum demokratischen Establishment des Landes, regiert als
       Koalitionspartner von Präsident Asif Ali Zardani und führt die von der Flut
       stark betroffene Provinz Khyber Pathunkhwa (KP). Umso mehr stand die Partei
       zuletzt in der Kritik. Flutopfer und Medien warfen ihr Versagen in der
       Provinz KP vor. "Niemand wollte uns unsere Hilflosigkeit zugestehen", sagt
       Baber zu der Kritik. Der langjährige, durch viele Regierungsämter
       gewanderte Politiker sieht sich als Verfechter des Aufbaus demokratischer
       Institutionen in Pakistan. Er bittet jeden darum, diese nicht zu
       überfordern. Pakistan habe in den 63 Jahren seines Bestehens 33 Jahre
       Militärdiktatur erlebt, sagt Baber im Gespräch in seiner Privatwohnung in
       Islamabad. Die Polizei und die zivile Regierungsbürokratie seien deshalb
       äußerst schwach. In Notsituationen könnten die demokratischen Kräfte nicht
       auf tragfähige staatliche Strukturen bauen. Der Nutznießer sei auch jetzt
       wieder die Armee. "Die Motive der Armee sind unklar", sagt Baber. Aus
       seiner Sicht fördert die Armee derzeit Kritik an der demokratischen
       Regierung und macht Präsident Zardari zum Sündenbock. "Deshalb muss man
       Zardari nicht als Person, aber sein Amt verteidigen", sagt Baber.
       
       Doch auch die mächtige pakistanische Armee hat den Kampf gegen die Flut
       noch nicht gewonnen. "Die Armee hat am Anfang viel mit ihren Hubschraubern
       getan", sagt OBrien. Doch jetzt gehe es darum, ein tragfähiges,
       landesweites Verteilungsnetz für die eintreffenden Hilfsgüter zu
       organisieren. "Die Armee kann das nicht, sie kann nur sichere Bedingungen
       schaffen, damit die Vereinten Nationen und andere Organisationen ihre Hilfe
       schneller zu den Leuten bringen", sagt OBrien.
       
       Genau hier liegen aber die Fallgruben für die vielen Helfer. Denn keiner
       will wirklich mit dem anderen zusammenarbeiten. Das Rote Kreuz verfügt in
       Pakistan über sechs Lastwagen. Die haben in den letzten Wochen 400
       Lkw-Ladungen Lebensmittel ausgefahren. Das Rote Kreuz würde jedoch nie auf
       die Idee kommen, die eigenen Lebensmittel einfach von Regierungs- oder
       Armeelastwagen ausfahren zu lassen. Das würde den Spendenregeln des Roten
       Kreuzes widersprechen, dazu fehlt es einfach an Vertrauen.
       
       Glaubwürdigkeitsproblem der Regierung 
       
       Der gleiche politische Vertrauensmangel behindert die demokratischen Kräfte
       in Islamabad bei ihren Hilfsaktionen. Vor einer Woche schien der Druck der
       Katastrophe noch groß genug, um Regierung und Opposition zur Bildung einer
       gemeinsamen Flutkontrollkommission zu bewegen. Da die PPP Zardaris in
       Islamabad die Regierungskoalition führt und die PML(N) von
       Oppositionsführer Nawib Sharif mit Punjab den größten von der Flut
       betroffenen Bundesstaat regiert, sahen viele Beobachter in der
       parteiübergreifenden Zusammenarbeit das Gebot der Stunde. Doch diese kam
       nie zustande.
       
       Ende vergangener Woche setzte die Regierung eigenhändig eine
       Kontrollkommission aus Technokraten ein, die nun über die Transparenz der
       Hilfsleistungen wachen soll. Die Opposition fühlt sich seither übergangen
       und schießt zurück. "Sogar die Vereinten Nationen sagen, dass die Regierung
       ein Glaubwürdigkeitsproblem hat", sagt Siddiq-ul-Farooq, PML(N)-Sprecher in
       Islamabad.
       
       Ul-Farooq will beim Gespräch in der Parteizentrale zwar staatstragend
       klingen, doch im Grunde schildert er nur eindringlich, wie effektiv seine
       Partei in Punjab helfe, während Präsident Zardari die Flutopfer "komplett
       ignoriere". Schon warnen Beobachter, dass das kleinteilige Gezänk den
       Gegnern der pakistanischen Demokratie nutzen könnte. Nicht nur die Armee,
       auch radikale islamische Gruppen konkurrieren mit zum Teil beträchtlichen
       Hilfsleistungen um die Gunst der von der Flut Betroffenen.
       
       Der ANP-Politiker Baber aber findet die Befürchtungen übertrieben. Noch
       sieht er große Chancen, dass sich die demokratischen Kräfte in Pakistan
       bewähren. "Wir werden den verbotenen islamischen Gruppen bei der Hilfe
       keine Chance lassen", sagt Baber.
       
       Wenn es jetzt mit der internationalen Hilfe gelänge, die größten Ängste der
       Bevölkerung vor Hunger und Krankheit auszuräumen, sagt der
       Regierungspolitiker, könne die zivile Regierung am Ende vielleicht doch
       noch als der große Sieger über die Flut dastehen.
       
       22 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Blume
       
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