# taz.de -- Diskussion um Atomabgabe: Die Anzeigen-Amigos sollen zahlen
       
       > Die CDU will zeigen, dass sie wenig beeindruckt von der Kampagne der
       > Energiekonzerne ist - und kündigt neben der Brennelemente-Steuer noch
       > eine zusätzliche Abgabe an.
       
 (IMG) Bild: Zum Thema Atom hat fast jeder CDU/CSU-Ministerpräsident eine andere Meinung.
       
       BERLIN taz | Einknicken? Vor einer Anzeigenkampagne der deutschen
       Großkonzerne? Vor den Amigos, die mit Exkanzler Gerhard Schröder Rotwein
       tranken und dessen Atomausstieg gleichwohl schluckten?
       
       Das fehlte noch.
       
       CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zögert ein wenig am Montag im Berliner
       Konrad-Adenauer-Haus nach der Sitzung der Parteigremien. Die
       Brennelementesteuer von 2,3 Milliarden Euro werden die deutschen
       Stromkonzerne zahlen müssen, für die Haushaltssanierung, das ist seit der
       Sparklausur Anfang Juni jedenfalls die Linie der Bundesregierung. Aber wird
       es darüber hinaus einen Beitrag der Branche geben als Gegenleistung für
       längere Laufzeiten, zu verwenden für den Ausbau der erneuerbaren Energien?
       
       Erst auf mehrfache Nachfrage sagt Gröhe den Satz, der zunächst so eindeutig
       klingt. "Es wird einen weiteren Beitrag geben müssen - auch über die
       Brennelementesteuer hinaus." Knapp drei Stunden später kommt aus der
       Parteizentrale dann ein halbes Dementi. Gemeint seien damit "eigene
       Investitionen der entsprechenden Unternehmen" in erneuerbare Energien,
       schiebt Gröhe nun hinterher. Keineswegs eine neue Abgabe.
       
       Das Hin und Her ist symptomatisch für den Atomstreit in der CDU, in dem es
       längst nicht mehr zwei klare Fronten gibt. Jeder ficht für die eigenen,
       ganz speziellen Interessen. Am Vormittag hatte der neue Regierungssprecher
       Steffen Seibert die Frage nach weiteren Abgaben noch offengelassen. Aber
       Seibert spricht ja auch für die Regierung, nicht nur für die CDU. Und
       FDP-Chef Guido Westerwelle hatte sich zunächst ablehnend geäußert. Lieber
       als die Steuer wäre ihm ohnehin eine Verhandlungslösung, ein Deal nach dem
       Muster: Je länger die Laufzeiten, desto mehr Geld zahlen die Konzerne.
       
       Sicher war am Montag nur: Die CDU und ihre Chefin Angela Merkel wollen fürs
       Erste jeden Anschein vermeiden, als seien sie von der Annonce beeindruckt,
       mit der die Konzernchefs am Wochenende in fast allen großen Zeitungen für
       längere Laufzeiten und geringere Abgaben warben.
       
       So richtig vehement fechten derzeit nur noch Mappus und seine Parteifreunde
       aus Baden-Württemberg dafür, die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um
       erheblich mehr als zehn Jahre zu verlängern. Sie tun es dafür umso lauter.
       Ob Mappus selbst, seine Umweltministerin Tanja Gönner, der Energiepolitiker
       Thomas Bareiß oder der Chef der baden-württembergischen CDU-Abgeordneten im
       Bundestag, Thomas Strobl: sie alle lassen keine Gelegenheit aus, sich über
       die Zögerlichkeit Merkels und ihres Umweltministers Norbert Röttgen zu
       empören.
       
       Zu dieser Riege zählt auch der Berliner Unionsfraktionschef Volker Kauder,
       der aus Tuttlingen stammt und über das Thema auch seine persönliche Fehde
       mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen austrägt. Das Interesse von
       Finanzminister Wolfgang Schäuble, der ebenfalls aus Baden-Württemberg
       kommt, lässt sich schlichter zusammenfassen: Er will jene 2,3 Milliarden
       Euro jährlich einnehmen, die mit der Brennelementesteuer hereinkommen
       sollen. Egal wie die Laufzeitdebatte ausgeht.
       
       Erstaunlich ruhig ist es derzeit in Hessen, wo Atomfreund Roland Koch das
       Amt des Regierungschefs aufgibt und die zuständige Ministerin Silke
       Lautenschläger gleichfalls ihren Abschied nimmt. Die Nachfolger müssen sich
       erst sortieren. Auch die Bayern sind ausnahmsweise etwas leiser. Anders als
       Mappus hält es Seehofer offenbar nicht für angeraten, sein Image im
       naturverbundenen Freistaat allzu eng mit dem Thema zu verknüpfen.
       
       Jenseits von Stuttgart, Wiesbaden und München haben die Landespolitiker der
       Union kein Interesse an einem neuen Kulturkampf ums Atom. Der neue
       niedersächsische Ministerpräsident David McAllister verweigert sich
       beharrlich Mappus Werben, sich bei den Atomfreunden einzureihen.
       Niedersachsen besitzt zwar Atomkraftwerke, doch erhofft sich das küstennahe
       Land einen Aufschwung durch die Windenergie. Das geplante Endlager in
       Gorleben und das marode Atomlager in der Asse belasten das Thema
       zusätzlich.
       
       Ähnliches gilt für den schleswig-holsteinischen Regierungschef Peter Harry
       Carstensen, dessen Land mit Krümmel, Brunsbüttel und Brokdorf über drei
       besonders pannenanfällige Reaktoren verfügt. Der neue Hamburger
       Bürgermeister Christoph Ahlhaus und der saarländische Ministerpräsident
       Peter Müller müssen sowieso gegen längere Laufzeiten sein, weil sie mit den
       Grünen koalieren.
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel will vor allem eines, sie will die Verfassung
       nicht brechen. Jenseits der für Freitag erwarteten Energieszenarien und
       ihrer politischen Bewertung wird es deshalb vor allem auf darauf ankommen,
       wie Innen- und Justizministerium eine juristische Frage bewerten: Welche
       Laufzeitverlängerung ist ohne die Zustimmung des Bundesrats möglich? Nach
       Medienberichten kommt das Innenministerium auf gut zehn Jahre, das
       Justizministerium nur auf etwas mehr als zwei Jahre. Da gibt es noch
       Spielraum zur Interpretation. Aber auf eine Verlängerung, die das
       Verfassungsgericht ziemlich sicher kassiert, wird sich Merkel kaum
       einlassen. Egal was die Stromkonzerne per Annonce mitteilen.
       
       23 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) R. Bollmann
 (DIR) H. Gersmann
       
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