# taz.de -- Rebellenüberfall im Kongo: Vergewaltigungen stellen Uno bloß
       
       > Ein neuer Tiefpunkt des Krieges: Ruandische FDLR-Milizen sollen in einem
       > besetzten Ort hunderte Frauen brutal geschändet haben. In der Nähe
       > befanden sich UN-Truppen.
       
 (IMG) Bild: Im Kongo dicht beieinander: Hutu-Rebellen von der FDLR begegnen UN-Soldaten (rechts).
       
       Nach und nach kamen die Frauen im Gesundheitszentrum an, in Gruppen. Die
       ersten 50 kamen letzte Woche, seitdem werden es immer mehr. Den US-Helfern
       im kleinen Ort Luvungi in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu erzählten
       sie, sie seien bestialisch vergewaltigt worden, als Milizionäre Luvungi ab
       dem 30. Juli vier Tage lang besetzt hielten. Die Täter gehören demnach zur
       ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas),
       die von Mitorganisatoren des ruandischen Völkermordes 1994 geführt wird und
       seitdem im Kongo kämpft.
       
       "Fast alle Vergewaltigungen sollen von Gruppen aus zwei bis sechs Männern
       verübt worden sein, oft vor den Kindern und Ehemännern. Viele Frauen
       berichten, sie seien vorher geschlagen worden, und manche berichteten über
       eine Misshandlung von Babys, die man ihnen aus den Armen riss", so der
       Bericht der in Luvungi tätigen US-Organisation "International Medical
       Corps". Viele Frauen hätten sich danach nackt in den Wäldern versteckt. 179
       Vergewaltigungsfälle waren bis gestern bestätigt.
       
       Es wird berichtet, die Vergewaltigungen hätten praktisch in direkter
       Nachbarschaft von UN-Blauhelmen stattgefunden, die nicht eingegriffen
       hätten. Die ruandische Nachrichtenagentur RNA titelt zum Beispiel: "UN
       schaut zu, während FDLR-Rebellen 179 Frauen und Kinder kollektiv
       vergewaltigen" - Anklänge an die Untätigkeit von UN-Blauhelmen in Ruanda
       während des Völkermordes stellen sich ein.
       
       Die Vorgänge sind tatsächlich widersprüchlich. Die IMC-Helfer im Ort
       sagten, die nächste Blauhelmbasis im Ort Kibua sei 16 Kilometer entfernt.
       Der Sprecher des UN-Generalsekretärs, Martin Nesirsky, sagte aber am
       Montag, es seien 30 Kilometer, und verlegte den Vergewaltigungsort
       praktischerweise aus Luvungi in das weiter entfernte Bunangiri. Die
       FDLR-Kämpfer hätten die Straße blockiert, erklärte er als Begründung dafür,
       warum UN-Soldaten nichts gegen die Miliz unternahmen. Ein
       zivilgesellschaftlicher Führer sagte hingegen, die Milizionäre hätten sich
       immer versteckt, wenn die insgesamt 25 UN-Soldaten in der Gegend gerade
       vorbeikamen. Der lokale Gesundheitsverantwortliche sagte wiederum,
       UN-Blauhelme hätten während der FDLR-Besetzung Luvungis einen
       Warentransport eskortiert.
       
       Die UN-Mission im Kongo (Monusco) hat sich zu alldem nicht geäußert. Sie
       steht ohnehin in der Defensive, seit in der Nacht zum 18. August drei
       indische UN-Blauhelmsoldaten vor ihrer Basis in Kirumba, ebenfalls in
       Nord-Kivu, mit Machetenhieben getötet wurden. Die Inder waren nachts nach
       draußen gegangen, als jemand um Hilfe rief, und seien dann von rund 50
       Bewaffneten überwältigt worden, hieß es später von UN-Seite. Kongos Armee
       verhaftete als Täter zwei Mitglieder der kongolesischen Hutu-Miliz Pareco
       (Kongolesische Widerstandspatrioten), die eigentlich Teil der
       Regierungsarmee ist.
       
       Luvungi liegt im Urwalddistrikt Walikale, Zentrum des Zinnerzabbaus im
       Ostkongo, von dessen Export die Region ökonomisch abhängt. Die ruandischen
       Hutu-Milizionäre der FDLR versuchen, den Export zu stören: Am 24. Juli
       kaperten sie ein Transportflugzeug auf der Flugpiste von Walikale, die
       daraufhin drei Wochen lang geschlossen wurde. Am 16. August plünderte die
       FDLR das Mineralienhandelszentrum Mubi. An ihrer Seite kämpft die
       kongolesische Miliz Mai-Mai-Cheka, benannt nach ihrem Führer, nach lokalen
       Angaben ein ehemaliger Zwischenhändler im Mineraliensektor, der sich mit
       FDLR-Protektion gegen seine Gläubiger schützt.
       
       In den letzten Monaten nehmen bewaffnete Auseinandersetzungen und
       Fluchtbewegungen im gesamten Ostkongo zu. Der jüngste OCHA-Lagebericht
       zählt rund 50.000 neue Flüchtlinge allein in der Goldgräberstadt Shabunda,
       in deren Umland die FDLR ebenfalls sehr aktiv ist. In Walikale vermeldet
       OCHA seit dem 16. August 546 neue Vertriebenenfamilien, rund 3.000
       Menschen. Weiter nördlich haben Kämpfe mit ugandischen Rebellen 100.000
       Menschen in die Flucht geschlagen. Von den UN-Truppen ist dabei wenig zu
       sehen. Von Kongos Regierung auch nicht: Geplante Demonstrationen gegen die
       Unsicherheit in Walikale am Montag wurden verboten und Aktivisten
       verhaftet.
       
       24 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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