# taz.de -- Warnung vor Hungersnöten: Der Weizenpreis ist explodiert
       
       > Als das Weizen-Exportland Russland einen Ausfuhrstopp verhängte, erhöhten
       > sich die Preise dramatisch, Mais und Soja wurden ebenfalls teurer. Nun
       > drohen Hungersnöte.
       
       BERLIN taz | Ein langer Winter, Dürre im Frühsommer und Überschwemmungen
       danach - in diesem Jahr ist der Witz, die vier Feinde des Bauern seien
       Frühling, Sommer, Herbst und Winter, Wirklichkeit geworden. Klaus Kliem vom
       Deutschen Bauernverband zog daher bei der Vorstellung der Erntebilanz 2010
       am Mittwoch eine "magere Bilanz": Rund 12 Prozent weniger Getreide, 15 bis
       20 Prozent weniger Kartoffeln und 17 Prozent weniger Äpfel als im
       vergangenen Jahr füllten die Landwirte in die Lager. Die schlechte Ernte
       begründe aber keine steigenden Lebensmittelpreise für die Verbraucher,
       betonte Kliem.
       
       Große Teile des Winterweizens, der wichtigsten hiesigen Getreidekultur,
       seien noch immer nicht geerntet. Der DBV erwartet eine Erntemenge von 22,7
       Millionen Tonnen, neun Prozent weniger als im Vorjahr. Dafür entwickelten
       sich die Erzeugerpreise "erfreulich", so Kliem. Die Weizenpreise waren in
       den vergangenen zwei Monaten an den Terminbörsen um 70 Prozent teurer
       geworden. Denn nicht nur die deutschen Bauern litten in diesem Jahr unter
       Wetterkapriolen.
       
       Auch in Russland, Kanada und Frankreich waren die Ernten schlecht. Als das
       wichtige Exportland Russland Anfang August einen Ausfuhrstopp verhängte,
       erhöhten sich die Weizenpreise dramatisch. Inzwischen haben in ihrem
       "Schlepptau auch die Preise für Mais und Sojabohnen zugelegt", sagt Eugen
       Weinberg, Rohstoffanalyst der Commerzbank. Obwohl in den USA die größte
       Maisernte aller Zeiten erwartet werde, sei Mais heute rund 30 Prozent
       teurer als im Juni. Aus den Erntemengen ließen sich steigende oder fallende
       Preise also nicht ableiten.
       
       So gebe es derzeit keine tatsächliche Knappheit an Getreide, sagt Markus
       Henn, Finanzexperte der Entwicklungsorganisation Weed. "Der Ernteausfall
       ist viel zu gering, um die ernormen Preissteigerungen zu erklären", sagt
       er. Zudem würden rund 197 Millionen Tonnen Weizen weltweit vorgehalten.
       Henn sieht daher Spekulanten am Werk. So wird dem Schweizer Handelskonzern
       Glencore nachgesagt, er habe von der Preiserhöhung kräftig profitiert - und
       dem Kreml das Exportverbot nachdrücklich empfohlen.
       
       Ralf Südhoff, Leiter des UN-Ernährungprogramms in Berlin, warnt angesichts
       der Teuerung vor einer neuen Hungersnot. Dreiviertel der 1,2 Milliarden
       Hungernden seien Kleinbauern, für die nicht nur die Preise für
       Lebensmittel, sondern auch für Saatgut und Dünger stiegen.
       
       Ob auch die Konsumenten in Deutschland mehr für Brot, Gemüse oder Fleisch
       ausgeben müssen, ist noch unklar. Am Dienstag hatte der Zentralverband des
       deutschen Bäckerhandwerks schon mal angekündigt, durch die hohen
       Getreidepreise würden nun auch Brot und Brötchen teurer. Allerdings trägt
       der Weizen nur zwei bis drei Prozent am Brötchenpreis bei - zu gering, um
       jetzt einen Anstieg zu begründen.
       
       Kai Falk, der Sprecher des Handelsverbandes Deutschland, warnt aber, die
       Lebensmittelpreise seien immer in Bewegung. Er verweist darauf, dass sie
       zwischen 2005 und 2009 um elf Prozent gestiegen seien, "auch gestiegene
       Rohstoffpreise spielen dabei eine Rolle". Aber: Die deutschen Verbraucher
       seien sehr preisbewusst, sagt Falk, und im Lebensmitteleinzelhandel
       herrsche ein harter Wettbewerb. "Die Preise werden nicht durch die Decke
       schießen." Einig sind sich die Experten, dass die Preise für Lebensmittel
       in Deutschland künftig häufiger deutlich schwanken könnten, weil sie Teil
       der internationalen Rohstoffmärkte geworden sind.
       
       25 Aug 2010
       
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 (DIR) Heike Holdinghausen
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