# taz.de -- Neuberechnung von Hartz-IV: "Kuhhandel zu Lasten der Armen"
       
       > Die Anhebung der Regelsätze wird deutlich unter 20 Euro liegen.
       > Wirtschaftspolitiker spekulieren indes, ob man den Armen das Geld für
       > Alkohol und Tabak streichen könnte.
       
 (IMG) Bild: Geschacher um ein bisschen mehr Geld: Die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze.
       
       BERLIN taz | Es bleibt spannend in der Frage, wie viel Geld
       Langzeitarbeitslose künftig im Monat bekommen sollen. Noch gebe es "keine
       Vorfestlegung", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag.
       Derweil spekulieren Haushaltspolitiker, ob man das Geld für Alkohol und
       Tabak aus den Regelsätzen streichen könne.
       
       Am Sonntag soll die Entscheidung über die Höhe der Regelsätze in einer
       Koalitionsrunde vorbereitet und am Montag von Sozialministerin Ursula von
       der Leyen (CDU) verkündet werden. Nach Aussage des Sprechers des
       Bundesarbeitsministeriums, Jens Flosdorff, sind noch am Donnerstag Daten
       vom Statistischen Bundesamt angeliefert worden, nach denen sich die
       Neuberechnung der Regelsätze gestaltet. 
       
       Die Nachrichtenagentur dpa meldete, dass die erwartete Anhebung der
       Regelsätze deutlich unter 20 Euro liegen werde. Darauf hätten sich die
       Ministerpräsidenten der Union mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
       verständigt. Derzeit liegt der Hartz-IV-Regelsatz bei 359 Euro im Monat.
       Laut dpa schlagen Politiker vor, die Ausgabeposten für Alkohol und Tabak
       aus dem Regelsatz für Langzeitarbeitslose zu streichen, um Kosten zu
       reduzieren. Dies sind 19 Euro im Monat pro Empfänger. Bild zitierte
       Wirtschaftspolitiker aus Union und FDP, die sich für eine solche Kürzung
       bei den Genussmitteln aussprechen.
       
       Die Frage der Regelsatzhöhe berührt die Existenz von 6,5 Millionen
       Menschen. Die Sätze müssen neu berechnet werden, weil sie das
       Bundesverfassungsgericht als willkürlich und intransparent gerügt hatte.
       Besonders für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern forderte das Gericht eine
       Überprüfung der Beträge, um auch die Kosten für Bildung und
       gesellschaftliche Teilhabe decken zu können.
       
       Im Bundeshaushalt für das kommende Jahr sind lediglich 480 Millionen Euro
       für Mehrkosten von Hartz-IV-Empfängern eingeplant. In einem bereits
       vorliegenden Gesetzentwurf aus dem Hause von Bundesarbeitsministerin Ursula
       von der Leyen (CDU) werden aber schon 500 Millionen Euro für den
       Mehraufwand für die Bildungsbeteiligung an Kindern veranschlagt. Hinzu
       kommt laut dem Gesetzentwurf ein Mehraufwand von 120 Millionen Euro, da
       Kinder aus Familien im Hartz-IV-Bezug Zuschüsse zum Mittagessen bekommen
       sollen.
       
       Eine deutliche Erhöhung der Regelsätze hätte weitreichende Konsequenzen.
       Den Arbeitslosengeld-II-Regelsatz zum Beispiel auf 420 Euro monatlich zu
       erhöhen, würde die öffentlichen Haushalte jährlich gut 10 Milliarden Euro
       kosten, hatte eine Berechnung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt-
       und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahre 2008 ergeben. Aus Koalitionskreisen
       verlautete am Freitag, eine Erhöhung des Regelsatzes um 10 Euro im Monat
       schlüge mit 700 bis 800 Millionen Euro Mehrkosten im Jahr für den
       Bundeshaushalt zu Buche.
       
       Von der Leyen befindet sich in einer Zwickmühle. Einerseits setzen
       Haushaltspolitiker der Union sie unter Druck. Sie fordern, die Ministerin
       solle das Geld in ihrem eigenen Etat einsparen, wenn die
       Hartz-IV-Mehrausgaben über die veranschlagten 480 Millionen Euro hinaus
       jährlich steigen. Andererseits aber ist die Ministerin nicht frei in ihrer
       Entscheidung zum Regelsatz. Dessen Höhe wird abgeleitet von den Ausgaben
       der Geringverdiener. Diese statistischen Zahlen werden am Montag bekannt
       gegeben, jede Abweichung nach unten muss politisch begründet werden - ob es
       sich um Alkohol, Tabak oder andere Posten handelt.
       
       Der Sozialverband VdK forderte am Freitag eine Erhöhung des
       Hartz-IV-Regelsatzes auf 420 Euro pro EmpfängerIn im Monat. "Sollte die
       Erhöhung tatsächlich unter 20 Euro liegen, muss man von einer nicht
       realistischen und nicht bedarfsgerechten Neuberechnung der Regelsätze
       ausgehen", erklärte Verbandschefin Ulrike Mascher. Es deute sich an, dass
       ein "erneuter Kuhhandel zu Lasten der Armen stattfindet", sagt Ulrich
       Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.
       
       24 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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