# taz.de -- Koalitionsstreit über Vorratsdaten: Eine Frage der Verunsicherung
       
       > Innenminister de Maizière nimmt einen neuen Anlauf zur
       > Vorratsdatenspeicherung. Sie könne Morde und Bombenattente verhindern,
       > behauptet das Bundeskriminalamt.
       
 (IMG) Bild: Das BKA will, dass Anbieter Internetverbindungsdaten speichern müssen.
       
       HAMBURG taz | Das Fehlen eines Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung führt
       laut Bundeskriminalamts (BKA) zu einer eklatanten Sicherheitslücke. Mehrere
       Morde, eine Bombendrohung sowie zahlreiche Fälle von Kinderpornografie
       seien zuletzt unaufgeklärt geblieben, weil Ermittler keinen Zugriff auf
       Telefon- oder Internetverbindungsdaten bekamen, hatte das BKA am
       vergangenen Wochenende bemängelt.
       
       Bei Fachleuten stoßen diese Behauptungen auf Kritik. "Wie das BKA zu seinen
       Zahlen kommt, ist aber völlig unklar", kritisierte etwa der Bielefelder
       Polizeirechtler Christoph Gusy: "Ob die vom BKA aufgezählten Fälle gelöst
       worden wären, wenn man die Möglichkeit zur Vorratsdatenspeicherung gehabt
       hätte, weiß man überhaupt nicht." Dies sei reine Spekulation. Laut dem BKA
       konnten Straftaten bei 49 Anschlüssen nicht, bei 133 "unvollständig" und
       bei 211 Zugangspunkten "wesentlich erschwert oder erst zu einem späteren
       Zeitpunkt" aufgeklärt werden.
       
       "Für eine seriöse wissenschaftliche Stellungnahme fehlt jede Basis", sagt
       auch Michael Kilchling vom Max-Planck-Institut für ausländisches und
       internationales Strafrecht in Freiburg. Zwar räumen die
       Rechtswissenschaftler ebenso wie der Informatiker Felix Freiling von der
       Universität Mannheim ein, dass die Verfolgung reiner Internetkriminalität
       ohne die Vorratsdatenspeicherung erschwert ist, im Bereich der
       Gewaltkriminalität, wo es neben Daten auch handfeste Spuren gebe, sei dies
       aber weniger plausibel. Die Behauptungen des BKA seien daher schwer
       nachzuvollziehen.
       
       Die Vorratsdatenspeicherung, die 2009 in Deutschland eingeführt wurde, ist
       seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010
       ausgesetzt. Die Verabschiedung eines neuen, verfassungskonformen Gesetzes
       scheitert seither am Widerstand der FDP und ihrer Bundesjustizministerin
       Sabine Leutheusser-Schnarrenberger - zum Ärger der Union. Das BKA-Papier,
       das von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Auftrag gegeben
       wurde, sollte nun neuen Schwung in die Debatte bringen.
       
       Von dem Papier berichtete erstmals die Welt am Sonntag in ihrer jüngsten
       Ausgabe. Die Zeitung berichtete, dass das BKA-Dokument als
       "Verschlusssache" gestempelt sei und laut BKA "unter keinen Umständen
       öffentlich werden" solle. Tags zuvor hatte allerdings bereits der Spiegel
       gemeldet, dass das Innenministerium eine Liste "möglichst spektakulärer
       Fälle" beim BKA bestellt habe, die den Bedarf für ein neues Gesetz zur
       Vorratsdatenspeicherung unterstreichen solle. Die Lancierung dieses Papiers
       an die Medien kritisierte der Polizeirechtler Christoph Gusy daher
       gegenüber der taz als "Teil eines sehr durchschaubaren politischen
       Manövers".
       
       Während die FDP mit einem neuen, 17-seitigen Eckpunktepapier für die
       Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung plädiert, drängt die CDU darauf,
       entstandene "Sicherheitslücken" zu schließen. Anders als noch das BKA, das
       701 Fälle auflistet, sprach CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach gegenüber der
       Welt von "Tausenden von Straftaten", die nicht aufgeklärt werden könnten,
       weil die elektronischen Spuren nicht mehr gespeichert seien.
       
       5 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronen Steinke
       
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