# taz.de -- Volksbegehren Wassertisch: "Wasser muss einen Preis haben"
       
       > Wasser ist nicht überall so selbstverständlich, wie in Berlin, sagt
       > Markus Klien. Als Entwicklungshelfer erlebte er den Wasserkrieg in
       > Bolivien. In Berlin sammelt er Unterschriften für das Volksbegehren
       > Wassertisch.
       
 (IMG) Bild: Bei uns kommt Wasser aus dem Hahn. Anderswo müssen die Menschen weit zum Brunnen laufen.
       
       taz: Herr Klien, Sie haben Ihre Wasserrechnung offen gelegt, um auf die
       gestiegenen Wasserpreise aufmerksam zu machen. 5,46 Euro zahlen Sie pro
       Kubikmeter. Welchen Preis fänden Sie denn angemessen? 
       
       Markus Klien: Ich finde einen Preis angemessen, der die Kosten der
       Wasserbetriebe trägt. Nicht angemessen finde ich aber einen Preis, der
       Investoren die Taschen füllt.
       
       Und das passiert gerade? 
       
       Ja. Denn über den derzeitigen Preis werden auch die Zinsen für die Gelder
       bezahlt, die die Investoren aufgenommen haben, als sie vor elf Jahren die
       49,9 Prozent der Berliner Wasserbetriebe kauften.
       
       Wenn also die Wasserbetriebe wieder in städtischer Hand wären, würde der
       Preis sinken? 
       
       Nicht unbedingt. Es gibt auch Kommunen, die ihre Betriebe als
       Einnahmequelle benutzen, um andere Ausgaben, wie für Kitas, damit zu
       finanzieren.
       
       Sie unterstützen das Volksbegehren, das die Offenlegung der Verträge über
       die Teilprivatisierung fordert. Nach der Offenlegung wollen die Initiatoren
       die Verträge juristisch angreifen und damit die Privatisierung rückgängig
       machen. Welchen Sinn sollte das haben, wenn nicht auch die Preise sinken? 
       
       Auch, wenn es nicht sicher ist - die Preise sollten sinken. Doch bei dieser
       ganzen Preisdiskussion darf man nicht vergessen, dass Wasser einen Preis
       haben muss. Wir können nicht davon ausgehen, dass es Wasser kostenlos gibt.
       Das Pumpwerk muss instand gehalten werden, die Beschäftigten bezahlt, die
       Rohre gewartet und das Klärwerk finanziert werden. Aber: Wasser ist kein
       Wein, mit dem ich den bestmöglichen Preis erzielen sollte. Das ist ethisch
       und moralisch nicht in Ordnung.
       
       Der Wasserpreis betrifft Mieter genauso wie Hauseigentümer und
       Gewerbetreibende. Doch das Unterschriftensammeln für das Volksbegehren lief
       sehr zäh an. Wie kann das sein? 
       
       Das liegt vor allem daran, dass wir uns von dem Medium Wasser sehr weit
       entfernt haben. Was haben wir denn durchschnittlich mit Wasser zu tun?
       Morgens duschen wir, in der Küche machen wir einen Tee, nach dem Essen
       stellt man vielleicht noch die Geschirrspülmaschine an. Würde ich dagegen
       jeden Tag mein Wasser am Brunnen holen müssen, wäre ich viel näher an dem
       Medium Wasser.
       
       Das ist also wie mit dem Strom, der aus der Steckdose kommt? 
       
       Ich höre tatsächlich gerade von jungen Leuten häufig: Bei mir kommt das
       Wasser aus dem Hahn. Dabei ist Wasser noch viel wichtiger als Strom: Ich
       kann in einer Hütte leben, mit einer Kerze, notfalls auch ohne. Aber ohne
       Wasser kann ich nicht überleben. Wasser ist die wichtigste und elementarste
       Ressource, die es auf der Erde gibt.
       
       Sie haben als Entwicklungshelfer für den Deutschen Entwicklungsdienst in
       verschiedenen Ländern gearbeitet. Ist dieses Bewusstsein woanders stärker
       vertreten? 
       
       Definitiv. Im Vergleich zu den Menschen in Asien, Afrika und Südamerika,
       das sind die Kontinente, auf denen ich gearbeitet habe, geht es uns hier
       richtig gut. Wir trinken Wasser, das größtenteils ungechlort ist. Das ist
       ein unheimlich hoher Standard. In vielen Ländern des Südens ist das Wasser,
       sofern es funktionierende Wassersysteme gibt, gechlort - und
       dementsprechend gesundheitsschädlich. Das Chloren ist viel billiger, und
       das ist gerade für ein privatisiertes Unternehmen attraktiv.
       
       Hat das Bewusstsein etwas mit Naturnähe generell zu tun? 
       
       Ein bisschen. Wenn ich zum Beispiel in einem Agrarland lebe, mit kaum
       Industrie, dann brauche ich Wasser, um mein Feld zu bewirtschaften. In
       vielen Ländern ist die Zuteilung über die Kommune geregelt. In Südamerika
       gibt es zum Beispiel den alcalde de agua …
       
       … den Wasserbürgermeister. 
       
       Genau. Da hat das Wasser gleich eine ganz andere Priorität. Die Frau im
       Sahel, die im urbanen Gebiet zur Wasserstelle laufen muss, ist ja noch
       gesegnet. Denn sie läuft mit ihrer Kalebasse auf dem Kopf vielleicht eine
       halbe Stunde, und das macht sie morgens und abends zwei-, dreimal. In
       ländlichen Gebieten muss sie mehrere Stunden hin und das Gleiche noch mal
       zurücklaufen.
       
       Hatten Sie überall, wo Sie gelebt haben, fließendes Wasser? 
       
       Meistens war ich privilegiert. Ich habe aber auch Probleme gehabt, zum
       Beispiel als ich zwei Jahre in Independencia in Bolivien gelebt habe. Da
       hatte ich nur zeitweise Wasser, und das war Brauchwasser. Mein Trinkwasser
       habe ich immer an einer Zapfstelle geholt. Und wenn es wieder einmal einen
       Bergrutsch gegeben hatte und der offene Wasserkanal verschüttet war, sind
       wir mit Hacke und Schaufel losgezogen, um ihn freizulegen. Das kam fast
       jede Woche vor. Als ich im ostafrikanischen Ogaden gearbeitet habe, waren
       wir einmal an der somalischen Grenze in einem Hotel. Zur Begrüßung erhielt
       jeder Gast sieben Liter Wasser in zwei aufgeschnittenen, ehemaligen
       Speiseölkanistern. Das war die Tagesration für Dusche und Toilette.
       
       In Bolivien gab es 2000 sogar einen regelrechten Krieg um das Wasser - als
       der Staat den Wasserversorger privatisierte. 
       
       Diese Zeit war sehr schwierig. Ich habe damals immer 20 Tage auf dem Land
       und zehn Tage in der Hauptstadt des Departements Cochabamba gearbeitet. Die
       Menschen sind jeden Tag auf die Straßen gegangen, es gab Blockaden,
       Autoreifen brannten, alles war voller Glasscherben. Spezialeinheiten der
       Polizei sind gegen die Demonstranten vorgegangen, haben auch scharf
       geschossen. Es gab acht Tote und unheimlich viele Verletzte und Verhaftete.
       Trotzdem sind jeden Tag die Menschen auf die Straße gegangen.
       Ironischerweise gab es die ganze Zeit Wasser. Aber Brot und andere
       Lebensmittel wurden knapp.
       
       Die Proteste waren eine Reaktion auf gestiegene Wasserpreise? 
       
       Ja, die Menschen mussten von einem Monat auf den anderen das Drei- oder
       Vierfache bezahlen. Würden die Wasserbetriebe hier genauso an der
       Preisschraube drehen wie dort, dann wären die Leute in Berlin auch ganz
       schnell auf der Straße. Aber sie machen es hier so, wie die Fledermäuse im
       Amazonasgebiet. Die saugen nachts nur so viel Blut aus den Tieren, dass sie
       zwar anämisch werden, aber nicht daran sterben. Und wir sind hier
       diejenigen, die nach und nach ausgesaugt werden.
       
       Cochabamba ist genauso städtisch wie Berlin. Ist das Bewusstsein für Wasser
       dort trotzdem größer? 
       
       Ja. Wer beispielsweise Gast bei einer Feier oder selbst auf einem
       Botschaftsempfang ist, kann feststellen, dass plötzlich jemand aus seinem
       Sektglas ein paar Tropfen auf den Teppich schüttet.
       
       Das ist ein Symbol für? 
       
       Pachamama, Mutter Erde, die geehrt wird.
       
       Haben die Proteste gegen die Wasserverteuerung in Bolivien etwas gebracht? 
       
       Ja, der US-Konzern Bechtel, der die Wasserbetriebe übernommen hatte, hat
       sich letztlich zurückgezogen.
       
       Glauben Sie, in Berlin kann die Teilprivatisierung auch gekippt werden? 
       
       Erst einmal benötigen wir die Unterschriften für das Volksbegehren. Und das
       wird ziemlich knapp.
       
       6 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
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