# taz.de -- Friedensnobelpreis für Dissidenten Liu Xiaobo: Verhaftungen in Peking
       
       > Der inhaftierte chinesische Menschenrechtler Liu Xiaobo hat am Freitag
       > den Friedensnobelpreis 2010 zuerkannt bekommen. Die Regierung in Peking
       > ist empört.
       
 (IMG) Bild: Liu Xia, die Frau von Liu Xiaobo hält die Fotos ihres inhaftierten Mannes in die Kamera.
       
       OSLO/PEKING dpa/dapd | Das Nobelkomitee in Oslo hat den
       Friedensnobelpreisträger 2010 verkündet: Liu Xiaobo. Der chinesische
       Dissident wird für seinen Kampf für die Menschenrechte ausgezeichnet, hieß
       es zur Begründung. Liu Xiaobo ist der erste Chinese überhaupt, der den
       Friedensnobelpreis erhält. Im vergangenen Jahr erhielt US-Präsident Barack
       Obama die Auszeichnung. Der Friedensnobelpreis ist mit umgerechnet 1,1
       Millionen Euro dotiert.
       
       Die chinesische Regierung reagierte empört auf die Verleihung des
       Friedensnobelpreises an den Dissidenten Liu Xiaobo. Mit der Auszeichnung an
       den "Kriminellen" Liu Xiaobo verstoße das Nobelpreiskomitee gegen seine
       eigenen Prinzipien, erklärte die Staatsführung in Peking.
       
       Bei spontanen Feiern nach Bekanntgabe der Entscheidung sind in Peking rund
       20 prodemokratische Aktivisten festgenommen worden. Wie die
       Bürgerrechtlerin Wang Lihong der Nachrichtenagentur dpa telefonisch aus dem
       Polizeigewahrsam berichtete, hätten sie zunächst Karaoke gesungen und dann
       in einem Restaurant nahe des Ditan-Parkes gefeiert. "Wir waren so
       glücklich."
       
       Plötzlich seien rund zehn Polizeifahrzeuge mit rund 50 Polizisten gekommen.
       "Sie forderten uns auf, zu "kooperieren"", sagte Wang Lihong. "Die
       Polizisten waren sehr unverschämt." Die Aktivisten seien erst auf die
       Hepingli-Wache gebracht, dann auf andere Polizeistationen verteilt worden.
       Unter den Festgenommenen sei auch der Anwalt Zhao Zhangqing, berichtete die
       Bürgerrechtlerin über ihr Handy telefonisch direkt aus der Jinshan-Wache.
       
       Schon im Vorfeld hatte der Präsident des Norwegischen Nobel Komitees,
       Thorbjoern Jagland, eine sehr kontroverse Entscheidung bei der Vergabe des
       Friedensnobelpreis angekündigt. Die Wahl des Komitees werde "eindeutig"
       ähnlich umstritten sein, wie die Vergabe des Friedensnobelpreises an
       US-Präsident Barack Obama vergangenes Jahr, sagte Jagland kurz vor der
       offiziellen Bekanntgabe des diesjährigen Preisträgers in Oslo.
       
       "Sie werden verstehen, sobald Sie den Namen hören", sagte Jagland in einem
       Interview mit dem norwegischen Fernsehsender TV2. Der chinesische Dissident
       Liu Xiaobo galt als Favorit. Vor der Verkündung des diesjährigen
       Preisträgers hatte die Regierung in Peking mi einer Verschlechterung der
       Beziehungen zu Norwegen gedroht hatte, sollte der inhaftierte
       Menschenrechtler den Preis zuerkannt bekommen.
       
       Liu Xiaobo ist Ehrenvorsitzer des PEN-Clubs unabhängiger chinesischer
       Schriftsteller. Der 54-jährige Dissident ist einer der führenden Köpfe
       hinter der "Charta 08", dem Appell für Demokratie und Menschenrechte in
       China. Das Manifest wurde im Dezember 2008 aus Anlass des 60. Jahrestages
       der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen veröffentlicht und sieht
       sich in der Tradition der Charta 77 der früheren tschechoslowakischen
       Dissidenten.
       
       Unter dem Vorwurf der "Untergrabung der Staatsgewalt" wurde Liu Xiaobo im
       Dezember 2009 zu elf Jahren Haft verurteilt. Der frühere Literaturdozent
       saß davor schon zweimal in Haft: Wegen seiner Beteiligung an der blutig
       niedergeschlagenen Demokratiebewegung 1989 kam er zwei Jahre in Haft, 1996
       musste er wegen seiner Aktivitäten für drei Jahre in ein Umerziehungslager.
       
       Dissidenten begrüßten am Freitag in Peking die Entscheidung des
       Nobelkomitees. Damit werde der Druck auf die chinesische Regierung
       verstärkt, hieß es. Auch sei es "eine Ermutigung für die
       Demokratiebewegung", sagte der langjährige Rechtsaktivist Yao Lifa. "Die
       internationale Gemeinschaft zeigt, dass sie sich um jene sorgt, die in
       China in der Demokratiebewegung mitarbeiten und die Menschenrechte
       voranbringen wollen."
       
       Der Regimekritiker Bao Tong zeigte sich wenig überrascht über die
       Auszeichnung. "Natürlich hat er ihn verdient", sagte der frühere enge
       Mitarbeiter des 1989 gestürzten, reformerischen Parteichefs Zhao Ziyang.
       "Es zeigt, dass die Bemühungen der chinesischen Bürger, ihre eigenen Rechte
       geltend zu machen, das Verständnis, die Aufmerksamkeit und Ermutigung durch
       die internationale Gemeinschaft gewonnen haben."
       
       Auch Amnesty International begrüßte die Verleihung des Friedensnobelpreises
       an den inhaftierten chinesischen Bürgerrechtler Liu Xiaobo. "Liu Xiaobo hat
       den Friedensnobelpreis mehr als verdient. Er steht stellvertretend für all
       diejenigen, die sich in China für die Menschenrechte einsetzen", erklärte
       die Menschenrechtsorganisation.
       
       8 Oct 2010
       
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