# taz.de -- Streit um "Stuttgart 21": Ab heute soll geschlichtet werden
> Heiner Geißler hat geschafft, dass im Konflikt um "Stuttgart 21" beide
> Seiten miteinander reden wollen. Doch die Gegner bestehen weiter auf
> einen Baustopp im Schlossgarten. Die Bahn weigert sich.
(IMG) Bild: Lächeln verboten: Schlichter Heiner Geißler (li) und Projektgegner Werner Wölfle.
STUTTGART dpa | Heute geht es los: Heiner Geißler will mit sieben
Befürwortern und sieben Gegnern die Schlichtung im Konflikt um das
Milliarden-Bahnprojekt "Stuttgart 21" versuchen. Doch schon das erste
Gespräch birgt Konfliktpotenzial: Die Projektgegner wollen unbedingt noch
einen Stopp der Arbeiten am sogenannten Grundwassermanagement durchsetzen.
"Wir sind überein gekommen, dass wir uns (...) treffen, um mit den
Schlichtungsgesprächen zu beginnen", sagte Schlichter Heiner Geißler am
Donnerstagabend nach einem Treffen mit dem Aktionsbündnis gegen "Stuttgart
21". Die "Sach- und Fachschlichtung" solle ganz öffentlich über die Bühne
gehen, mit Übertragungen auf Leinwänden und im Internet. Nur beim ersten
Treffen Freitag wird noch hinter verschlossenen Türen getagt.
Dabei soll ein persönliches Gespräch der Streithähne den letzten Knackpunkt
beseitigen. "Wir sind uns in allen Punkten einig geworden. Es gibt nur eine
Einschränkung", sagte Geißler. Die Bahn habe darauf bestanden, die
Vorarbeiten an der Regulierung des Grundwassers fortzusetzen, was die
Projektgegner ablehnen. Der Bau der Betonwanne für den geplanten
unterirdischen Durchgangsbahnhof folge aber plangemäß erst Ende November.
Zudem solle am Freitag das "weitere Prozedere" geklärt werden, sagte der
erfahrene Tarifschlichter. Geißler hofft nicht nur auf einen offenen
Meinungsaustausch über die Vor- und Nachteile von "Stuttgart 21". "Wir
eröffnen damit einen völlig neuen Weg der Bürgerbeteiligung", sagte der
frühere CDU-Generalsekretär. Das sei eine "Innovation unter Demokraten",
die zu mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit für die parlamentarische
Demokratie führen solle.
Hannes Rockenbauch sagte für das Aktionsbündnis: "Wir wollen diesen
öffentlichen Faktencheck ohne Tabus." In diese Phase wollten die
Projektgegner aber nur eintreten, wenn das Grundwasserproblem gelöst werde.
Laut Geißler werden darüber sieben Vertreter von jeder Seite am runden
Tisch sprechen. Für die Träger des Projekts seien unter anderem
Ministerpräsident Stefan Mappus, Verkehrsministerin Tanja Gönner (beide
CDU) und Volker Kefer von der Deutscher Bahn dabei. Die Teilnehmer des
Aktionsbündnisses standen noch nicht fest.
Mappus begrüßte, dass der Vermittler den Durchbruch geschafft habe. "Es ist
gut, dass Projektbefürworter und Projektgegner in der Sache ins Gespräch
kommen. Der Dialog kann nun beginnen. Dabei gilt: Alles auf den Tisch, alle
an den Tisch." Er wolle die Menschen weiter von "Stuttgart 21" überzeugen.
Während der Gespräche soll eine Friedenspflicht herrschen. Für die
Projektgegner sei neben dem Aussetzen der Grundwasserarbeiten wichtig, dass
keine weiteren Bäume gefällt, keine Aufträge vergeben und die Arbeiten im
Südflügel des alten Bahnhofs gestoppt würden. Die letzten drei Punkte seien
ihnen bereits zugesagt worden, sagte Rockenbauch. Ein Zugeständnis sei
allerdings, dass am Gleisvorfeld des jetzigen Bahnhofs einige Arbeiten
möglich seien: "Die dienen der Sicherheit. Zwar gehören sie auch zu
"Stuttgart 21", aber sonst würde es Chaos bei den S-Bahnen geben", sagte
er.
Eine Demonstrationsverbot könne die Friedenspflicht aber nicht bedeuten,
sagten Geißler und Rockenbauch. Der Schlichter sagte: "Das
Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht." Es sei sozusagen "heilig". Er
empfehle zwar, während der Gespräche nicht zu demonstrieren, könne das aber
nicht vorschreiben. Die Projektgegner wollen wie geplant am Samstag die
nächste Demonstration in der Stuttgarter Innenstadt abhalten. Für das
Projekt gingen am Donnerstagabend laut Polizei rund 5.000 Menschen auf die
Straße. "Wir sind Stuttgart21", skandierten sie.
Doch auch die Opposition hieß den Durchbruch willkommen. Der
SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid sagte den Stuttgarter Nachrichten: "Ich
begrüße, dass es zu den Verhandlungen kommt. Jetzt muss Schluss sein mit
dem taktischen Geplänkel." Zugleich sei klar: "Die Verhandlungspartner
können nicht den Daumen heben oder senken über das ganze Projekt - das kann
nur das Volk." Die SPD tritt für einen Volksentscheid über "Stuttgart 21"
ein. Schmid warf den Grünen - dem Wunschkoalitionspartner nach der
Landtagswahl im März 2011 - vor, sich um ein klares Ja zu einem
Volksentscheid herumzudrücken.
Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Fritz Kuhn,
sagte dem Mannheimer Morgen, auch die Grünen seien für einen solchen
Entscheid. Doch: "Eine Pro-21-Regierung wird es mit uns nicht geben",
ergänzte er mit Blick auf die Landtagswahl im Südwesten. Er zeigte sich
wenig optimistisch, was den Ausgang der Schlichtung betrifft, die könne es
hier nicht geben, wie es sie bei Tarifkonflikten gebe. Wenn erst alle
Fakten auf dem Tische lägen, sei Stuttgart 21 wahrscheinlich gestorben.
Das 4,1 Milliarden Euro teure Projekt Stuttgart 21 sieht den Umbau des
Stuttgarter Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation und deren
Anbindung an die geplante ICE-Neubaustrecke nach Ulm vor.
Unterdessen rügte das Verwaltungsgericht Stuttgart die Deutsche Bahn für
ihr Verhalten in einem Verfahren gegen die Rodung von 25 Bäumen im
Stuttgarter Schlossgarten. Demnach sind die Baumfällarbeiten am 1. Oktober
nur erfolgt, weil die Bahn dem Gericht eine wichtige Unterlage des
Eisenbahnbundesamtes über den fehlenden Schutz für den Juchtenkäfer
vorenthalten hatte. Sonst hätte das Gericht einem Eilantrag des Bundes für
Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen die Rodung stattgegeben,
teilte es mit.
15 Oct 2010
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(DIR) Schwerpunkt Stuttgart 21
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